rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bei Gericht. Zugangsvoraussetzungen. Drohen der Vollstreckung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bei Gericht ist grundsätzlich nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Anders verhält es sich ausnahmsweise dann, wenn die Vollstreckung droht.

2. Sollte die Aussage des BFH in seinem Beschluss vom 22. November 2000 (V S 15/00, BFH/NV 2001, 620), dass die von einem Finanzamt an einen Steuerpflichtigen gerichtete Ankündigung der Vollstreckung die Voraussetzung des unmittelbaren Drohens der Vollstreckung i. S. v. § 69 Abs. 4 FGO erfüllt, dahin gehend zu verstehen sein, dass jede routinemäßige Mahnung mit Androhung der Vollstreckung bereits ein Drohen der Vollstreckung auslöst, folgt der beschließende Senat dem nicht.

 

Normenkette

FGO § 69 Abs. 4

 

Tenor

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

Die Beschwerde wird zugelassen.

Der Streitwert wird auf 119,00 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten um die Zulässigkeit des Antrages auf Aussetzung der Vollziehung und die Durchführung einer passiven Veredelung.

Der Antragsteller führte am 24. Oktober 2003 einen LKW der Marke „FIAT Ducato” im Rahmen des Verfahrens „vorübergehende Ausfuhr/Versendung zur passiven Veredelung zu Präferenzbedingungen” aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft nach Polen aus. Die Wiedereinfuhr des Fahrzeugs erfolgte am 05. Dezember 2003 und sollte im Verfahren „Überführung in den zoll- und steuerrechtlichen freien Verkehr nach Anmeldung zur wirtschaftlichen Lohnveredelung” erfolgen.

Da der Antragsteller den Nachweis der ursprungsbegründenden Bearbeitung nicht vorlegte, setzte der Antragsgegner mit Steuerbescheid vom 10. März 2004 gegenüber dem Antragsteller Zoll i. H. v. 654,30 e und Einfuhrumsatzsteuer i. H. v. 615,09 e fest.

Hiergegen richtete sich der Einspruch des Antragstellers vom 26. März 2004 über den Antragsgegner noch nicht entschieden hat.

Einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung hat der Antragsgegner nicht gestellt. Am 08. Juli 2004 versandte das Hauptzollamt – Dienstort – eine automatisierte Vollstreckungsankündigung.

Am 19. Juli 2004 beantragte der Antragsteller bei Gericht die Aussetzung der Vollziehung. Der Antrag sei auch zulässig, da er wegen der Vollstreckungsankündigung vom 08. Juli 2004 mit Vollstreckungsmaßnahmen habe rechnen müssen. Er sei bisher nicht anwaltlich vertreten gewesen und ihm sei die Möglichkeit der Antragstellung beim Antragsgegner unbekannt gewesen.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

die Vollziehung des Eingangsabgabenbescheides vom 10. März 2004 bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Der Antragsgegner hält die direkte Antragstellung bei Gericht für unzulässig, da keine Vollstreckung drohe.

Dem Gericht lag ein Band Akten des Antragsgegners vor.

 

Entscheidungsgründe

II.

Der Antrag ist unzulässig, denn die Zugangsvoraussetzungen nach § 69 Abs. 4 Finanzgerichtsordnung [FGO] sind nicht gegeben. Danach ist der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bei Gericht nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Der Steuerpflichtige muss sich grundsätzlich zunächst an die Verwaltung wenden. Es handelt sich nicht um eine Sachentscheidungsvoraussetzung, sondern um eine besondere Zugangsvoraussetzung. Liegt sie im Zeitpunkt der Antragstellung nicht vor, ist der Antrag unzulässig (ganz herrschende Meinung, vgl. Gräber/Koch, FGO, 5. Aufl., § 69 Rdnr. 70). Ein „Hineinwachsen” in die Zulässigkeit kommt deshalb nicht in Betracht.

Der Antragsgegner hatte vor Stellung des Antrages bei Gericht einen Antrag des Antragstellers weder ganz noch teilweise abgelehnt.

Der Antrag bei Gericht ist ausnahmsweise auch nicht deswegen zulässig, weil die Vollstreckung drohte. Zwar hatte der Antragsgegner am 08. Juli 2004 jeweils Mahnungen mit der Ankündigung der Vollstreckung versandt, dabei handelt es sich jedoch offenbar um formularmäßige reine Routinemaßnahmen, wie sie in jedem Falle, in dem Steuern bis zum Fälligkeitszeitpunkt nicht entrichtet worden sind, erfolgen. Nach Auffassung des beschließenden Senats ist bei derartigen Routinemaßnahmen aus der Sicht eines Antragstellers nicht davon auszugehen, dass die Vollstreckung durch den Antragsgegner unmittelbar bevorsteht (FG Baden-Württemberg, Beschluss vom 12. Februar 1997 2 V 44/96, EFG 1997, 547). Nach Sinn und Zweck der in § 69 Abs. 4 FGO enthaltenen Regelung soll nämlich eine Antragstellung bei Gericht ohne vorherige Antragstellung beim Finanzamt unter dem Aspekt des Drohens der Vollstreckung nur dann zulässig sein, wenn die Vollstreckung so unmittelbar bevorsteht, dass dem Steuerpflichtigen eine vorherige Antragstellung beim Finanzamt nicht mehr zugemutet werden kann.

Zwar hat der BFH mit seinem Beschluss vom 22. Novembe...

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