Entscheidungsstichwort (Thema)
Tochter als mußmaßliche Erbin des bis zu seinem Tod in Kanada ansässigen Vaters. deutsches Besteuerungsrecht für von der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung Nord an in Kanada ansässigen, beschränkt steuerpflichtigen Rentner gezahlte Rente
Leitsatz (redaktionell)
1. Ist beim Tod des in der Provinz Ontario in Kanada ansässigen Vaters, einem kanadischen Staatsangehörigen, kanadisches Erbrecht anzuwenden und gibt die Tochter ungeachtet ihrer Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 AO keine Auskünfte zum Nachlassverfahren bzw. zur Frage, wer Erbe geworden ist, darf das Finanzamt von einem Überschuss des Vermögens sowie einer Verteilung des Nachlasses durch den Nachlassabwickler (Estate Trustee) davon ausgehen, dass die Tochter des verstorbenen Steuerpflichtigen dessen gesetzliche Erbin geworden ist.
2. Die beschränkte Einkommensteuerpflicht der von der Deutschen Rentenversicherung Nord an einen in Kanada ansässigen Rentner für eine frühere Tätigkeit in Deutschland gezahlten Rente wird nicht durch das DBA Kanada ausgeschlossen. Bei der von der Deutschen Rentenversicherung ausgezahlten Rente handelt es es sich weder um ein „Ruhegehalt” im Sinne des Art. 18 Abs. 1 DBA Kanada noch um eine „Rente” im Sinne des Art. 18 Abs. 2 DBA Kanada, sondern um eine einem Ruhegehalt „ähnliche Vergütung” im Sinne des § 18 Abs. 1 DBA Kanada.
3. Die für das deutsche Besteuerungsrecht nach Art. 18 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b Alt. 1 DBA Kanada vorausgesetzte steuerliche Abzugsfähigkeit der früheren Rentenversicherungsbeiträge in Deutschland setzt nicht eine tatsächliche und volle Abziehbarkeit, sondern vielmehr lediglich eine Abziehbarkeit dem Grunde nach voraus (Anschluss an FG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil v. 28.11.2018, 1 K 328/12; BFH, Beschluss v. 8.1.2020, I B 2/19), die sowohl vor als auch nach der gesetzlichen Neuregelung der Rentenbesteuerung ab 2005 durch den Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG gegeben war.
4. Soweit § 50 Abs. 1 Satz 4 EStG alte Fassung die Abziehbarkeit von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung ab dem Zeitpunkt der Emigration des Steuerpflichtigen nach Kanada ausgeschlossen hat, war dem Steuerpflichtigen der Sonderausgabenabzug nicht dem Grunde nach versagt, sondern vielmehr nur aus persönlichen Gründen.
Normenkette
EStG § 1 Abs. 3-4, § 10 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3, § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa, § 49 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. a Doppelbuchst. aa, § 50d Abs. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa, S. 4 Buchst. a Doppelbuchst. aa; DBA CAN 1981 Art. 18 Abs. 1 Sätze 1, 2 Buchst. a, b, Abs. 2 S. 3, Art. 19 Abs. 1, Art. 21 Abs. 1; EGBGB Art. 3, 25; AO § 2 Abs. 1, § 90 Abs. 1-2
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert beträgt 1.500,00 EUR.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Besteuerung von aus Deutschland nach Kanada gezahlten Rentenbezügen.
Die Beteiligten streiten um die Besteuerung von aus Deutschland nach Kanada gezahlten Rentenbezügen.
Die Klägerin ist die Tochter des am … geborenen am … verstorbenen A. Dieser hatte die kanadische Staatsangehörigkeit, lebte in den Streitjahren in Kanada und bezog seit dem 01. Januar 1995 eine Leibrente von der Deutschen Rentenversicherung Nord.
Mit Schreiben vom 18. Februar 2014 wies der Beklagte 18. Februar 2014 A. auf die Steuerpflicht der Rentenbezüge hin und erteilte Hinweise zur beschränkten Steuerpflicht und zu einem möglichen Antrag auf Behandlung als unbeschränkt Steuerpflichtiger. Bezugnehmend auf dieses Schreiben teilte der Prozessbevollmächtigte B. dem Beklagten mit dass er die Klägerin vertrete. Die Klägerin sei die Tochter des verstorbenen A.. Sie unterliege keinerlei Auskunftspflicht, da sie in Kanada ansässig sei.
Am 14. November 2014 erließ der Beklagte Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2007 bis einschließlich 2013. Inhaltsadressatin war die Klägerin als Erbin nach Herrn A.. Die Bescheide beruhten auf den Rentenbezugsmitteilungen; Einkommensteuererklärungen waren nicht eingegangen. Herr A. wurde nach § 1 Abs. 4 Einkommensteuergesetz –EStG– als beschränkt steuerpflichtig behandelt. Die Einkommensteuer wurde wie folgt festgesetzt:
|
Rente (EUR) |
Einkommensteuer (EUR) |
2007 |
1.555 EUR |
194 EUR |
2008 |
1.568 EUR |
198 EUR |
2009 |
1.596 EUR |
105 EUR |
2010 |
1.615 EUR |
108 EUR |
2011 |
1.623 EUR |
109 EUR |
2012 |
1.649 EUR |
113 EUR |
2013 |
1.669 EUR |
116 EUR |
Die Klägerin legte mit Anwaltsschreiben vom 18. November 2014 gegen die Bescheide für die Jahre 2007 bis 2013 Einspruch ein. Der Klägervertreter bezog sich auf verschiedene beim Finanzgericht, beim Bundesfinanzhof –BFH– anhängige Verfahren und beantragte, das Einspruchsverfahren auszusetzen. Der Prozessbevollmächtigter vertrat die Auffassung, dass die Quellenbesteuerung gemäß Art. 18 des DBA Kanada nicht zulässig sei, da die Beiträge an die Deutsche Rentenversicherung sämtlich vor 2005 geleistet worden seien.
Der Beklagte wies die Einsprüche gegen die Einkommensteuerbescheide 2007 und 2006 mit Einspruchsentschei...