Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 GrEStG bei Erbbaurechtsbestellung zugunsten von Studierendenwerken

 

Leitsatz (redaktionell)

1. § 4 Nr. 1 GrEStG soll den Wechsel des Trägers einer öffentlich-rechtlichen Aufgabe von Grunderwerbsteuer freistellen, sofern mit dem Trägerwechsel auch ein (rechtsgeschäftlicher oder gesetzlicher) Übergang des Eigentums an dem Grundstück verbunden ist. Die übernehmende juristische Person des öffentlichen Rechts muss nach der Übertragung öffentlich-rechtlicher Aufgaben die Funktionen wahrnehmen, die bisher die übergebende juristische Person wahrgenommen hat.

2. Aufgrund der im Streitfall einschlägigen gesetzlichen Grundlagen handelt es sich bei der „Errichtung und Bewirtschaftung von Einrichtungen für das studentische Wohnen” um eine öffentlich-rechtliche Aufgabe im Sinne des § 4 Nr. 1 GrEStG. Die Norm ist nicht einschränkend dahin auszulegen, dass nur hoheitliche Aufgaben erfasst wären.

3. Da der Gesetzgeber der Klägerin die öffentlich-rechtliche Aufgabe „Errichtung und Bewirtschaftung von Einrichtungen für das studentische Wohnen” originär übertragen hat, es also an einem Wechsel des Trägers fehlt, ist die in diesem Zusammenhang erfolgte Übertragung eines Erbbaurechts nicht nach § 4 Nr. 1 GrEStG befreit.

 

Normenkette

GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 2 Nr. 1, § 4 Nr. 1

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert wird auf … festgesetzt.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Voraussetzungen des § 4 Nummer 1 Grunderwerbsteuergesetz –GrEStG– vorliegen.

Die Klägerin bewirtschaftet unter anderem in XY Straße in A (…) ein Studentenwohnheim.

Die Klägerin ist ausweislich ihrer Satzung vom 11. Januar 2001 (…) und dem Gesetz über die Studierendenwerke im Land Mecklenburg-Vorpommern (Studentenwerksgesetz –StudWG M-V– vom 09. Dezember 2015) eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts mit dem Recht auf Selbstverwaltung. Der Klägerin obliegt im Zusammenwirken mit den Hochschulen die soziale, wirtschaftliche, gesundheitliche und kulturelle Förderung der Studierenden der ihr zugeordneten Hochschulen (§ 2 Absatz 1 der Satzung, § 4 Absatz 1 StudWG M-V). Sie erfüllt diese Aufgabe insbesondere durch die Errichtung und Bewirtschaftung von Einrichtungen für die studentische Verpflegung und die Errichtung und Bewirtschaftung von Einrichtungen für das studentische Wohnen (§ 2 Absatz 2 der Satzung, § 4 Absatz 1 StudWG M-V). Die Klägerin erhält die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Mittel unter anderem durch Einnahmen aus Wirtschaftsbetrieben, Wohnheimen, sonstigen Dienstleistungen und Beteiligungen und den Beiträgen der Studierenden (§ 9 Absatz 1 der Satzung in Verbindung mit § 13 StdWG M-V).

Das Veranlagungsfinanzamt … führt für die Klägerin für den hier streitigen Betätigungsbereich keinen Betrieb gewerblicher Art. Die Klägerin ist teilweise nach § 5 Absatz 1 Nummer 9 Körperschaftsteuergesetz –KStG– von der Körperschaftsteuer befreit, und zwar mit dem Zweck „Förderung der Volks- und Berufsbildung einschließlich der Studentenhilfe”.

Seit 1971 gab es in XY Straße einen Wohnblock mit …Wohngeschossen mit insgesamt … Drei-Zimmer-Wohnungen und …Vier-Zimmer-Wohnungen. Hiervon wurden … Wohnungen als Gästewohnungen und …Wohnungen als Betriebswohnungen, alle übrigen Wohnungen als Gemeinschaftswohnungen für Studierende genutzt.

Am 18. September 1990 erließ der Ministerrat der Deutschen Demokratischen Republik eine Verordnung über die Errichtung von Studentenwerken (hier: VO StudW). Danach erbringen die Studentenwerke für die Studierenden unter anderem Dienstleistungen auf wirtschaftlichem, sozialem, gesundheitlichem und kulturellem Gebiet, insbesondere durch die Errichtung und Bewirtschaftung von Einrichtungen für studentisches Wohnen. Nach § 120 der zeitgleich erlassenen vorläufigen Hochschulordnung (hier: VO HO) können an Hochschulen zentrale Betriebseinheiten als Dienstleistungs- und Versorgungseinrichtungen zur unmittelbaren Aufgabenerfüllung der Hochschulen, unter anderem Wohnheime, bestehen. Die Vorläufige Hochschulverordnung trat am 1.Oktober 1990 (vgl. § 131 Absatz 1), die Verordnung zur Errichtung von Studentenwerken mit ihrer Veröffentlichung (26. September 1990, vgl. § 14) in Kraft.

Am 08. März 1991 hat das Kultusministerium …eine „Vorläufige Satzung des Studentenwerks” erlassen, wonach es sich bei den Studentenwerken – … – um gemeinnützige Anstalten des öffentlichen Rechts handeln sollte, zu deren Dienstleistungsverpflichtung auch die Errichtung, Bewirtschaftung von Einrichtungen für das studentische Wohnen gehörte.

Am 23. Februar 1993 erließ der Landtag des Landes Mecklenburg-Vorpommern das Gesetz über die Studentenwerke im Land Mecklenburg-Vorpommern (Studentenwerksgesetz-StudWG). Gemäß § 3 des Gesetzes wurde unter anderem das Studentenwerk B als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts mit dem Recht der Selbstverwaltung errichtet. Zu deren Aufgaben gehörte wiederum d...

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