Entscheidungsstichwort (Thema)
Antrag auf Aussetzung der Vollziehung eines Bescheides, mit dem der Erlass von Säumniszuschlägen abgelehnt wurde, ist unzulässig
Leitsatz (redaktionell)
1. Verwaltungsakte, deren Inhalt sich auf eine Negation beschränkt – wie die Ablehnung einer Billigkeitsmaßnahme des FA in Bezug auf die Steuer oder steuerliche Nebenforderungen – sind keine vollziehbaren Verwaltungsakte und damit auch nicht aussetzungsfähig.
2. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung eines solchen Verwaltungsaktes kann auch nicht in einen zulässigen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz durch eine einstweilige Anordnung ausgelegt oder umgedeutet werden, wenn der Antrag von einem Steuerberater oder Rechtsanwalt gestellt wurde.
Normenkette
AO §§ 227, 240; FGO § 69 Abs. 3, § 114
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Streitig ist im Hauptsacheverfahren (Az.: 13 K […]) der Erlass von Säumniszuschlägen.
Der Antragsteller (ASt) beantragte im September 2004 beim Antragsgegner – dem Finanzamt (FA) – den Erlass von allen bisher angefallenen Säumniszuschlägen zur Einkommensteuer, zum Solidaritätszuschlag und zur Vermögensteuer in Höhe von 81.116,27 EUR. Die rückständigen Steuern waren zu diesem Zeitpunkt vom ASt bereits vollständig getilgt worden. Mit Bescheid vom 29. Oktober 2005 lehnte das FA den Erlassantrag ab. Mit Bescheid vom 18. Januar 2005 hat das FA den erneuten Antrag des ASt auf Erlass von Säumniszuschlägen abgelehnt. Aufgrund des dagegen gerichteten Einspruchs erließ das FA mit Bescheid vom 25. Januar 2006 Säumniszuschläge in Höhe von 28.134,76 EUR; im Übrigen blieb der Einspruch ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 22. Februar 2006). Mit seiner dagegen gerichteten Klage verfolgt der ASt weiter sein Ziel und begehrt, dass das FA verpflichtet wird, die übrigen Säumniszuschläge in voller Höhe zu erlassen.
Wegen des weiteren Sachverhalts im Einzelnen wird auf die Einspruchsentscheidung […], die Akten und die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
die Vollziehung des Bescheids über die Ablehnung des Erlasses der Säumniszuschläge vom 18. Januar 2005 in Höhe von 52.981,51 EUR wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit auszusetzen.
Der Antragsgegner (Finanzamt) beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Entscheidungsgründe
II.
Der Antrag ist unzulässig.
Nach § 69 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes aussetzen bzw. die Aufhebung der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes anordnen. Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Antrages auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) ist demgemäß, dass der angefochtene Verwaltungsakt der Vollziehung fähig ist. Vollziehung ist jegliches Gebrauchmachen eines Verwaltungsaktes, d.h. jede Verwirklichung seines materiellen Regelungsinhaltes zur Herbeiführung der in ihm ausgesprochenen Rechtsfolge (BFH-Beschlüsse vom 22. Juli 1977 III B 34/74, BStBl II 1977, 838; vom 29. November 1977 VII B 6/77, BStBl II 1978, 156; vom 18. September 1995 X B 134/91, BFH/NV 1996, 232 m.w.N.; Großer Senat des BFH vom 3. Juli 1995 GrS 3/93, BStBl II 1995, 730). Verwaltungsakte, deren Inhalt sich auf eine Negation beschränkt – wie die Ablehnung einer Billigkeitsmaßnahme des FA in Bezug auf die Steuer oder steuerliche Nebenforderungen (BFH-Beschlüsse vom 24. September 1970 II B 28/70, BStBl II 1970, 813; vom 14. Juli 1971 II B 2/71, BStBl II 1971, 633, und vom 10. Oktober 1973 I B 56/73, BStBl II 1974, 34; Gräber/v. Groll, FGO, 6. Aufl. 2006, § 69 Rz. 55, Stichwort: ablehnende Verwaltungsakte; Lindwurm in Schöll/Leopold/Madle/Rader, AO-Praktikerkommentar, § 227 Rz. 92) – sind deshalb nicht vollziehbar und damit auch nicht aussetzungsfähig.
Daraus folgt für den Streitfall, dass der Antrag auf AdV unzulässig ist, denn der ASt wendet sich im Hauptsacheverfahren mit einer Verpflichtungsklage gegen die Ablehnung des Erlasses von Säumniszuschlägen (§§ 227, 240 Abgabenordnung – AO –).
Der Antrag auf AdV kann auch nicht in einen zulässigen Antrag auf anderweitigen vorläufigen Rechtsschutz ausgelegt oder umgedeutet werden, wenn der Antrag von einem Steuerberater oder Rechtsanwalt gestellt wurde (BFH-Beschluss in BStBl II 1970, 813). Von solchen rechtskundigen Personen kann verlangt werden, dass sie den Rechtsbehelf wählen oder den Antrag stellen, der dem Gesetz entspricht.
Die Kostenentscheidung beruht auf 135 Abs. 1 FGO.
Fundstellen
Haufe-Index 1560953 |
NWB direkt 2006, 3 |