rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Abfindungszahlung und nicht steuerbare Leistung nach § 22 Nr. 3 EStG
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine dem Wohnungsmieter vom Vermieter für die vorzeitige Aufgabe der sich aus dem Mietvertrag ergebenden (vermögenswerten) Rechte (Besitzrecht, Mieterschutz) gezahlte Abfindung unterliegt nicht der Besteuerung nach § 22 Nr. 3 EStG.
2. Entscheidend ist nicht, wie die Parteien diese Leistungen benannt, sondern was sie nach dem Gesamtbild der wirtschaftlichen Verhältnisse wirklich gewollt und tatsächlich bewirkt haben
3. Macht ein Steuerpflichtiger Unterhaltszahlungen an im Ausland lebende Angehörige gemäß § 33a Abs. 1 EStG steuermindernd geltend, trifft ihn nach eine erhöhte Mitwirkungspflicht zur Aufklärung des Sachverhalts.
4. Ist eine zweisprachige Unterhaltserklärung als Nachweis für die Bedürftigkeit der unterhaltenen Person nur unvollständig ausgefüllt, ist grundsätzlich die Bedürftigkeit der sie betreffenden Person nicht anzunehmen.
5. Der Irak dürfte nach summarischer Prüfung auch für das Jahr 2021 als Krisengebiet einzustufen sein, für das Beweiserleichterungen in Betracht kommen.
Normenkette
AO § 90 Abs. 2; EStG § 22 Nr. 3; FGO § 69
Tenor
1. Die Vollziehung des Einkommensteuerbescheids 2021 vom 26. Februar 2024 wird ab Fälligkeit für die Dauer des Einspruchsverfahrens in Höhe von 32.196,00 EUR ausgesetzt.
2. Die Verwirkung angefallener Säumniszuschläge wird insoweit aufgehoben, als sie auf die ausgesetzten Beträge entfallen.
3. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Streitig ist im Einspruchsverfahren, ob eine Zahlung in Höhe von 100.000 EUR eine steuerfreie Einnahme ist und ob Zahlungen des Antragstellers zu 1) an seine Mutter im Irak als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind.
Der Antragsteller zu 1) bewohnte zuerst zusammen mit seiner ehemaligen Ehefrau und danach mit der Antragstellerin zu 2) (seiner zweiten Ehefrau) aufgrund eines Mietvertrages aus dem Jahr 2000 eine Vierzimmerwohnung in der […] (CL-Straße). Im Oktober 2018 erwarb ein neuer Eigentümer das Haus in der CL-Straße und trat in den Mietvertrag ein. Der neue Vermieter kündigte den Antragstellern am […] 2019 wegen Eigenbedarfs zum […] 2019. Danach veräußerte der Vermieter die Wohnung weiter an eine GmbH. Mit gesonderter Vereinbarung hoben die GmbH und die Antragsteller das Mietverhältnis zum Ablauf des 30. April 2021 auf. Mit einem weiteren Vertrag vom […] 2021 vereinbarte die GmbH mit den Antragstellern eine Abfindung in Höhe von 100.000 EUR. In der Vertragsurkunde wurde der Betrag in Höhe von 100.000 EUR als Umzugsbeihilfe bezeichnet; die Worte „Abfindungsbetrag” und „Abfindung” wurden handschriftlich durch das Wort „Umzugsbeihilfe” ersetzt.
In der Einkommensteuererklärung für 2021 […] erklärten die Antragsteller die Abfindungszahlung über 100.000 EUR nicht als Einkünfte. Außerdem machten Sie Unterhaltszahlungen in Höhe von 5.000 EUR für die im Irak lebende Mutter […] des Antragstellers zu 1) geltend. Die Antragsteller erklärten, dass dieser Betrag im Voraus von […] (SH) am […] Januar 2021 an die Mutter ausgehändigt worden sei und dieser Betrag vom Antragsteller zu 1) anschließend SH erstattet worden sei.
Der Antragsgegner, das Finanzamt, berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid für 2021 vom 26. Februar 2024 die Zahlung über 5.000 EUR an die Mutter des Antragstellers zu 1) nicht als außergewöhnliche Belastungen. Außerdem wurden jedem der beiden Antragsteller sonstige Einkünfte aus Leistungen in Höhe von jeweils 49.898 EUR zugerechnet. Dies begründete das Finanzamt damit, dass die Abfindungszahlung über 100.000 EUR eine Umzugskostenhilfe sei, die als sonstige Einkünfte gemäß § 22 Nr. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) steuerbar und nur um einen Werbungskosten-Pauschbetrag in Höhe von jeweils 102 EUR zu mindern sei.
Mit ihrem fristgemäßen Einspruch wenden sich die Antragsteller gegen die Behandlung der Abfindungszahlung als sonstige Einkünfte und gegen die Nichtberücksichtigung der Unterhaltszahlungen als außergewöhnliche Belastung. Zur Begründung tragen sie vor, dass erst bei der Vertragsunterzeichnung von der GmbH ohne Erläuterung im Text der Abfindungsvereinbarung das Wort „Abfindungsbetrag” durch das Wort „Umzugsbeihilfe” geändert worden sei. Auf dem Kontoauszug der Antragsteller sei bei dem Zahlungseingang am […] Mai 2021 der Text „Abfindungsbetrag” angegeben. Die Antragsteller seien über die Bedeutung dieser Textänderung nicht informiert worden. Im Übrigen hätten die Antragsteller den Umzug in eigene Regie durchgeführt und der Umzug habe nur Kosten von ca. 1.000 EUR ausgelöst; einen höheren Betrag als Umzugsbeihilfe zu betrachten sei unrealistisch. Die Mutter des Antragstellers zu 1) sei 85 Jahre alt und erhalte keine Rente. Im Irak werde keine Negativbescheinigung für die Mutter ausgestellt. Im Klageverfahren (Az. 12 K 4220/05) wegen der Einkommensteuer 2003 sei vom Finanzamt in der mündlichen Verhandlung am […] 2006 der Rechtsstreit in der Hauptsache dadurch erledigt ...