Entscheidungsstichwort (Thema)
Adressierung eines Zusammenveranlagungsbescheids nach Ableben beider Ehegatten. Verlängerte Festsetzungsfrist wegen Steuerhinterziehung. Schätzung von Kapitaleinkünften
Leitsatz (redaktionell)
1. Fehlt in einem Zusammenveranlagungsbescheid, der nach dem Tod beider Ehegatten ergangen und an die Rechtsnachfolger des zuletzt verstorbenen Ehegatten gerichtet ist, der Hinweis, dass der Steuertatbestand auch vom zuerst verstorbenen Ehegatten verwirklicht worden ist, so berührt dies nicht die Wirksamkeit des Bescheides.
2. Ein Steuerpflichtiger, der Kapitaleinkünfte nicht erklärt hat und nicht in den Anwendungsbereich des Steuerbefreiungserklärungsgesetzes vom 23. Dezember 2003 (StraBEG) fällt, kann sich nicht auf eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung gegenüber Steuerpflichtigen berufen, die in den Genuss der Vergünstigungen des StraBEG fallen.
Normenkette
AO § 90 Abs. 1-2, § 157 Abs. 1 S. 2, §§ 162, 169 Abs. 2 S. 2, § 170 Abs. 2 Nr. 1, § 370; VStG § 5 Abs. 2
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller.
Tatbestand
I.
Streitig ist im Hauptsacheverfahren, ob der Erlass der Änderungsbescheide wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung unzulässig war.
Die Antragsteller (ASt) sind die Gesamtrechtsnachfolger der am 2. August 2002 verstorbenen Frau AS.
Frau AS wurde in den Streitjahren 1990, 1992 und 1993 mit ihrem Ehemann, dem am 1. September 1997 verstorbenen Herrn RS, zusammen zur Einkommensteuer (ESt) und zu den Hauptveranlagungszeitpunkten auf den 1.1.1989 und 1.1.1993 zusammen zur Vermögensteuer (VSt) veranlagt. In den die Streitjahre betreffenden ESt-Erklärungen, die am 19. Februar 1991 für 1990, am 27. Dezember 1993 für 1992 und am
1. Juni 1995 für 1993 beim Antragsgegner (das Finanzamt – FA –) eingingen, erklärten die Ehegatten S bei den Einkünften aus Kapitalvermögen im Wesentlichen nur die in- und ausländischen Erträge aus einem Wertpapierdepot bei der H-Bank. Das FA erfasste die erklärten Einkünfte aus Kapitalvermögen in den zum Teil mehrfach geänderten ESt-Bescheiden 1990, 1992 und 1993. In den VSt-Erklärung zu den Hauptveranlagungszeitpunkten 1.1.1989 und 1.1.1993, die am 7. April 1989 bzw. am 19. Januar 1996 beim FA eingingen, erklärten die Ehegatten S beim sonstigen Vermögen nur den jeweiligen Kurswert des Wertpapierdepots bei der H-Bank. Der VSt-Bescheid auf den 1.1. 1989 wurde am 9. August 1989, der VSt-Bescheid auf den 1.1. 1993 wurde am 13. Februar 1996 erlassen.
Mit Schreiben vom 23. Februar 2001 meldete Frau AS bislang nicht erklärte Kapitaleinkünfte und Vermögenswerte aus einem ihr gehörenden Wertpapierdepot in der Schweiz für die Jahre 1994 – 1998 nach. Mit Schreiben vom 13. November 2001 forderte das FA München I Frau S auf, u.a. berichtigte ESt-Erklärungen für 1990 bis 1993 sowie VSt-Erklärungen zum 1.1.1990 bis 1.1.1993 einzureichen. Da Frau S dieser Aufforderung nicht nachkam, schätzte das FA die Einkünfte aus dem Wertpapierdepot in der Schweiz auf 90.000 DM in 1990, 100.000 DM in 1992 und 110.000 DM in 1993 und den Kurswert des sich auf dem Depot befindlichen Kapitalvermögens auf 2,2 Mio. DM zum 1.1.1990, 1.1.1991 und 1.1.1992 sowie auf 3 Mio. DM zum 1.1.1993. Am 20. Dezember 2001 erließ das FA den nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) geänderten ESt-Bescheid 1990 und am 28. Dezember 2001 den Bescheid auf den 1.1.1990 über VSt-Neuveranlagung, mit dem die VSt für 1990 – 1992 festgesetzt wurde. Am 30. April 2003 erließ das FA jeweils geänderte ESt-Bescheide 1992 und 1993 und den geänderten VSt-Bescheid auf den 1.1.1993. Die Bescheide vom 20. Dezember und vom 28. Dezember 2001 enthielten den Vermerk „für Frau AS zugleich als Rechtsnachfolgerin des verstorbenen Herrn RS”, die Bescheide vom 30. April 2003 enthielten den Hinweis „für A, B, C als Rechtsnachfolger von AS”. Die dagegen eingelegten Einsprüche, mit denen vorgebracht wurde, dass die Steuerfestsetzungen wegen eingetretener Festsetzungsverjährung unzulässig seien, weil der subjektive Tatbestand der Steuerhinterziehung nicht erfüllt sei, blieben ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 3. März 2005).
Mit der dagegen eingelegten Klage mit dem Az. 9 K 1370/05, über die der Senat noch nicht entschieden hat, tragen die ASt vor, der Erlass der angefochtenen Steuerbescheide sei wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist unzulässig. Die vom FA angenommene Zehnjahresfrist nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO sei nicht einschlägig, denn der subjektive Tatbestand der Steuerhinterziehung sei nicht nachgewiesen worden. Damit sei das FA auch nicht zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen befugt gewesen, denn ohne den Nachweis einer Steuerhinterziehung habe auch keine Befugnis des FA bestanden, Zahlen zur Aufklärung des Sachverhalts anzufordern, so dass mangels einer Verpflichtung zur Vorlage von Zahlenmaterial keine Mitwirkungspflichtverletzung nach § 90 Abs. 2 AO vorliege. Die Eheleute S seien gutgläubig davon ausgegangen, dass die Einkünfte aus dem Depot in der Schweiz nicht der deutschen ESt un...