Entscheidungsstichwort (Thema)
Seit Einführung der Abgeltungsteuer ab dem 1.1.2009 Geltung des Zu- und Abflussprinzips bei Vereinnahmung einer Stillhalterprämie für ein Optionsgeschäft in einem Jahr und Zahlung der Glattstellungspämie in einem anderen Jahr
Leitsatz (redaktionell)
1. Seit der Einführung der Abgeltungsteuer ab dem 1.1.2009 sind unter Beachtung des allgemein bei Überschusseinkünften geltenden Zu- und Abflussprinzips des § 11 EStG bei Stillhaltegeschäften mit periodenüberschreitendem Zu- und Abfluss die erhaltenen Stillhalterprämien bei ihrem Zufluss zu versteuern; Aufwendungen für Glattstellungsgeschäfte sind hingegen grundsätzlich erst im Zeitpunkt ihres Abflusses geltend zu machen. § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG ordnet eine „getrennte” Besteuerung der Stillhalterprämie und der Glattstellungsgeschäfte an, ohne den Barausgleich zu regeln (vgl. BFH, Urteil v. 20.10.2016, VIII R 55/13, BStBl 2017 II S. 264); die Vorschrift bietet keine Grundlage, um von den allgemeinen Grundsätzen abzuweichen, in welchem Zeitpunkt Zu- und Abflüsse zu berücksichtigen sind.
2. Die Steuerfestsetzung für das Jahr, in dem eine Stillhalterprämie vereinnahmt worden ist, kann auch nicht im Hinblick auf in anderen Veranlagungszeiträumen abgeflossenen Aufwendungen für ein Glattstellungsgeschäft nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geändert werden, da die Zahlung der Glattstellungsaufwendungen kein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung auf das Jahr der Vereinnahmung der Stillhalterprämie ist.
3. Eine Glattstellung liegt nach der Gesetzesbegründung vor, wenn der Stillhalter eine Option der gleichen Art unter Closing-Vermerk kauft, wie er sie zuvor verkauft hat. Eine echte (beendende) Glattstellung ist gegeben, wenn das Glattstellungsgeschäft ein betrags- und fristenkongruentes Gegengeschäft ist, mit dem der Stillhalter seine Verpflichtung aus der Option zum Erlöschen bringt. Hierzu erwirbt der Stillhalter genau die Option, die er zuvor einem anderen eingeräumt hat, und macht durch den Glattstellungsvermerk (Closing-Order) eine Aufrechnung geltend. Ob Gegengeschäfte ohne einen solchen Glattstellungsvermerk als gegenläufige Geschäfte unter § 20 Abs. 1 Nr. 11 2. Halbsatz EStG fallen, bleibt offen.
Normenkette
EStG § 20 Abs. 1 Nr. 11 Sätze 1-2, § 11 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1; AO § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Klägerin wird im Streitjahr beim beklagten Finanzamt zur Einkommensteuer veranlagt.
Die Klägerin erzielte seit 2010 Einnahmen aus Stillhaltergeschäften. Die von der Klägerin verfolgte „dynamische (short) strangle”-Strategie basierte auf dem Verkauf von calls und puts auf den DAX-Index, wobei zwischen den Basispreisen, zu denen die calls und puts verkauft wurden, eine Bandbreite (ein Korridor) bestand. Diese Strategie verlangte, um erfolgreich zu sein, dass der DAX-Index sich bis zum gewählten Verfallstermin der calls und puts stets innerhalb der Bandbreite bewegt. Aufgrund der Schwankungen des DAX-Index war es nicht ungewöhnlich, dass er sich den gewählten Bandbreiten (entweder nach oben oder nach unten) näherte oder sie durchbrach. In diesen Fällen waren Anpassungen der vereinbarten Bandbreiten notwendig. Sie erfolgten durch Rückkauf der verkauften call/put-Optionen und erneutem Verkauf von call/put-Optionen mit neuen Basispreisen. Im Rahmen dieser Options-Strategie fungierte die Klägerin als Stillhalterin.
Die Klägerin erzielte in den Jahren 2012 bis 2015 folgende Ergebnisse:
Jahr |
erhaltene Stillhalterprämien |
bezahlte Stillhalterprämien |
Saldo |
2012 |
2.164.113 EUR |
2.152.851 EUR |
+ 11.262 EUR |
2013 |
10.448.869 EUR |
10.129.222 EUR |
+ 319.647 EUR |
2014 |
16.225.874 EUR |
17.370.482 EUR |
- 1.144.608 EUR |
2015 |
0 EUR |
252.020 EUR |
- 252.020 EUR |
Zu den einzelnen Umsätzen (sämtlich in EUR) legte die Klägerin eine Aufstellung vor (Anlage 1 zum Schriftsatz der Klägerin vom …).
Das Streitjahr 2013 betreffend tätigte die Klägerin folgende periodenübergreifende Geschäfte und Glattstellungsgeschäfte (sämtlich in EUR):
Folgende Aufwendungen, abgeflossen im Jahr 2013, sind Glattstellungsgeschäfte für Umsätze des Jahres 2012:
Datum des Geschäfts |
|
Laufzeit des Kontrakts |
Anzahl der Kontrakte |
Optionsprämie |
Basispreis |
06.03.2013 close |
Kauf put |
23.12.2013 |
95 |
-119.065,83 |
7.300 |
06.03.2013 close |
Kauf call |
23.12.2013 |
95 |
-234.046,55 |
7.900 |
Die entsprechenden Umsätze mit Zufluss im Jahr 2012 waren:
Datum des Geschäfts |
|
Laufzeit des Kontrakts |
Anzahl der Kontrakte |
Optionsprämie |
Basispreis |
18.12.2012 open |
Verkauf put |
23.12.2013 |
95 |
207.530,41 |
7.300 |
18.12.2013 open |
Verkauf call |
23.12.2013 |
95 |
221.975,42 |
7.900 |
Folgende Zuflüsse im Jahr 2013 wurden mit Glattstellungsgeschäft im Jahr 2014 getätigt:
Datum des Geschäfts |
|
Laufzeit des Kontrakts |
Anzahl der Kontrakte |
Optionsprämie |
Basispreis |
19.12.2013 open |
Verkauf put |
22.06.2015 |
141 |
496.390,50 |
9.200 |
19.12.2013 open |
Verkauf call |
22.06.2015 |
141 |
408.688,50 |
9.800 |
Diese Geschäfte wurden mit Glattstellungsgeschäften, abgeflossen im Jahr ...