rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Zinsfestsetzung zur Einkommensteuer 1990 nach § 233 a AO
Tenor
1. Der Zinsbescheid vom 26.1.1993 und die Einspruchsentscheidung vom 7.6.1993 werden ersatzlos aufgehoben.
2. Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Der Kläger (Kl) ist britischer Staatsbürger. Er reiste im August 1990 in die Bundesrepublik Deutschland ein und bezog hier im Streitjahr 1990 als Gastlehrer beim C. in M. ausschließlich Einkünfte aus nichtselbständiger Lehrtätigkeit. Seine Inlandstätigkeit sollte zunächst auf maximal 2 Jahre begrenzt sein, verlängerte sich jedoch anschließend bis auf weiteres. Auf seine entsprechende Erklärung vom 21.4.1992 hin setzte der Beklagte (das Finanzamt –FA) mit Bescheid vom 26.1.1993 die Einkommensteuer des Kl für das Jahr 1990 auf 731,– DM fest. Diese Steuerfestsetzung ist unstreitig.
Streitig ist die mit diesem Bescheid verbundene Zinsfestsetzung gemäß § 233 a Abgabenordnung (AO) für die Zelt vom 1.4.1992 bis 1.3.1993 in Höhe von 38,– DM.
Das FA wies den gegen den Zinsbescheid eingelegten Einspruch des Kl mit Entscheidung vom 7.6.1993 als unbegründet zurück.
Hiergegen richtet sich die Klage, mit welcher der Kl beantragt,
den Zinsbescheid und die Einspruchsentscheidung aufzuheben.
Der Zinslauf könne nicht vor Entstehung des Steueranspruchs beginnen. Der Steueranspruch habe jedoch nicht vor August 1992 entstehen können, da die Einkünfte bis zu diesem Zeltpunkt steuerbefreit gewesen seien.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen
und beruft sich zur Begründung auf die Einspruchsentscheidung. Das DBA stehe der Zinsfestsetzung nicht entgegen, da es nur die Vermeidung einer Doppelbesteuerung der Einkommensteuer betreffe – bei den Zinsen handele sich um steuerliche Nebenleistungen. Gemäß § 233 a Abs. 1 AO beginne der Zinslauf 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden sei. Nach § 38 AO entständen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, sobald der Tatbestand verwirklicht sei, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpfe. Die Einkommensteuer entstehe nach § 36 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) eindeutig mit Ablauf des Veranlagungszeitraumes. Hieran ändere auch die vorübergehende Steuerbefreiung nichts, die bei überschreiten der 2-Jahresfrist auflösend bedingt im Sinne von § 158 Abs. 2 BGB sei. Danach werde der frühere Rechtszustand wieder eingesetzt. Ergänzend werde auf den Bundesfinanzhof –BFH– Beschluß vom 30.7.1980 I B 27/80 verwiesen (Bundessteuerblatt –BStBl.– II 1981, 55). Der BFH habe, um die Frage der Verjährung zu klären, auch die Entstehung der Steuer geprüft. Auch aus der späteren Fälligkeit nach § 36 Abs. 4 Satz 1 EStG ergebe sich kein anderer Entstehungszeitpunkt. Die Gründe der verspäteten Festsetzung seien unbeachtlich.
Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
II.
Die Klage ist begründet und führt zur Aufhebung des Zinsbescheides und der Einspruchsentscheidung.
Nach § 233 a AO 1977 i.d.F. des Steuerreformgesetzes 1990 vom 25. Juli 1988 (Bundesgesetzblatt –BGBl.– I, 103, BStBl. I, 224) sind ab dem Veranlagungszeitraum 1989 grundsätzlich Nachzahlungszinsen zu erheben, wenn die Festsetzung einer Steuer zu einer Steuernachforderung führt. Der Zinslauf beginnt 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist. Ansprüche aus einem Steuerschuldverhältnis entstehen, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft (§ 38 AO). Tatbestand in diesem Sinne ist die Gesamtheit der in den materiellen Steuerrechtsnormen enthaltenen abstrakten Voraussetzungen, bei deren konkretem Vorliegen (Tatbestandverwirklichung) bestimmte Rechtsfolgen eintreten (Hinweis auf BFH-Urteil vom 30.1.1985 I R 12/82, BFHE 143, 213, BStBl. II 1985, 386). In diesem Zusammenhang braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob er sich bei Übertragung des damals entschiedenen Sachverhalts auf die Rechtsnorm des § 233 a Abs. 2 AO der Auffassung des BFH anschließen könnte, daß sich diese und andere Arten von Ungewißheiten (Ausübung von Wahlrechten, Bedingungen, Befristungen, antragsabhängige Steuervergünstigungen) nicht auf die Verwirklichung des Besteuerungstatbestandes, sondern nur auf die Höhe der Steuer auswirken (dieses Urteil war und ist im Schrifttum lebhaft umstritten, vgl. Tipke/Kruse, Kommentar zur AO/FGO, § 38 AO Rz. 2; Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur AO/FGO, § 38 AO Rz. 29; inzwischen dürfte die Rechtsprechung im Ergebnis durch die Neufassung von § 170 Abs. 1 AO überholt sein, wonach die Festsetzungsfrist nicht beginnt, ehe eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist – damit ist auch der BFH-Beschluß vom 30.7.1980, BStBl....