Entscheidungsstichwort (Thema)

Erlaß von Nachforderungszinsen bei Rückwirkung eines Gesetzes. Zinsen zur Einkommensteuer 1990, 1991

 

Leitsatz (amtlich)

Führt die rückwirkende Anwendung des DBA-Italien 1989 zu einer höheren Steuerfestsetzung, so besteht kein Rechtsanspruch auf Erlaß der auf die Zeit nach Inkrafttreten des DBA entfallenden Nachforderungszinsen.

 

Normenkette

AO §§ 227, 233a; DBA-Italien 1989

 

Gründe

I.

Der Kläger (Kl), der seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland hat, erzielte in den Streitjahren 1990 und 1991 u. a. Einkünfte aus einer tageweise in Italien ausgeübten nichtselbständigen Arbeit. Den auf diese Zeiträume entfallenden Arbeitslohn ließ der Beklagte (Finanzamt -FA-) bei der Einkommensteuerveranlagung 1990 und 1991 außer Ansatz. Der Einkommensteuerbescheid 1990 vom 16.8.1991 und der für 1991 vom 10.8.1992 enthielten den Hinweis, daß nach dem Inkrafttreten des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Italienischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und zur Verhinderung der Steuerverkürzung vom 18.10.1989 – DBA-Italien – (BGBl II 1990, 730; BStBl I 1990, 397) die Steuerbescheide zu ändern seien, da die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Italien der deutschen Besteuerung unterlägen. Am 14.9.1993 erließ das FA nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d AO geänderte Einkommensteuerbescheide 1990 und 1991, in denen die o.g. Einkünfte als im Inland steuerpflichtig behandelt wurden. Das FA verzinste die Steuernachforderungen für 1990 ab 1.4.1992, die für 1991 ab 1.4.1993. Es setzte die Zinsen für 1990 auf 468 DM und die für 1991 auf 222 DM fest. Den gegen die Steuerbescheide eingelegten Einspruch nahm der Kl wieder zurück.

Mit Schreiben vom 23.10.1995 beantragte der Kl den Erlaß der Zinsen. Das FA lehnte den Antrag am 12.1.1996 ab. Auf die darauf eingelegten Einsprüche erließ das FA die Zinsen zur Einkommensteuer 1990, soweit sie auf die Zeit bis 29.12.1992 entfielen (234 DM). Im übrigen wies das FA die Einsprüche als unbegründet zurück (Einspruchsentscheidung vom 1.7.1996).

Mit der Klage macht der Kl geltend, daß die Zinsen in voller Höhe aus sachlichen Billigkeitsgründen zu erlassen seien. Zur Begründung trägt er im wesentlichen folgendes vor: Das FA habe keine Nachzahlungszinsen festsetzen dürfen. Es habe nicht berücksichtigt, daß nach der Rechtsprechung § 233 a AO ein ungeschriebenes Merkmal dahin enthalte, daß der Steuernachforderung bereits im Veranlagungszeitraum eine Steuerschuld des Steuerpflichtigen zugrunde liegen müsse. Daran fehle es, wenn die Steuernachforderung – wie im Streitfall aufgrund des rückwirkenden Inkrafttretens der Steuerrechtsnorm – erst nachträglich entstehe (Hinweis auf das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg, Außensenate Stuttgart, Urteil vom 1.2.1996 6 K 186/95, EFG 1996, 411). In den Streitjahren seien die in Italien angefallenen Einkünfte nicht steuerpflichtig gewesen, so daß bis zum Zeitpunkt der Verabschiedung des rückwirkenden Steuergesetzes auch keine Nachzahlungszinsen hätten anfallen können. Darüber hinaus müsse im Fall der Rückwirkung der Steuerpflichtige so gestellt werden, daß ihm die in § 233 a AO bestimmte Karenzzeit von 15 Monaten verbleibe. Genau diese Regelung habe der Gesetzgeber in der jetzt geltenden Fassung des § 233 a Abs. 2 a und 7 AO getroffen. Er habe damit die ursprüngliche Wertung, daß es bei der Festsetzung von Steuern aufgrund von rückwirkenden Ereignissen nicht auf die tatsächlich gezogenen Zins- und Liquidationsvorteile ankommen solle, aufgegeben und die tatsächlich vorhandene „nicht perfekte” Regelung für die Zeit nach dem 31.12.1995 bereinigt. Mit dieser Korrektur der Rechtslage habe er klar zu erkennen gegeben, daß die ursprüngliche Regelung starke Wertungswidersprüche enthalten habe und unbillig gewesen sei. Es sei nicht dem Kl, sondern dem Gesetzgeber anzulasten, daß das DBA-Italien erst Ende Dezember 1992 in Kraft getreten sei. Zwar sei ihm der anteilige Lohn bereits zugeflossen. Aber diese Einnahmen seien im Zeitpunkt des Zuflusses nicht steuerpflichtig gewesen. Das FA habe die geänderten Steuerbescheide 1990 und 1991 erst rd. neun Monate nach Inkrafttreten des DBA-Italien und rd. 2 3/4 bzw. 1 3/4 Jahre nach Ablauf des jeweiligen Besteuerungszeitraums erlassen. Bis zu diesem Zeitpunkt habe der Kl keine Möglichkeit gehabt, die wegen seiner Italieneinkünfte anfallenden Mehrsteuern zu zahlen. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens nimmt das Gericht auf die Schriftsätze des Kl vom 26.7.1996, 18.8.1996, 23.11.1998, 31.1.1999 und 24.3.1999 Bezug.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das FA zu verurteilen, die Zinsen zur Einkommensteuer 1990 in Höhe von 234 DM und zur Einkommensteuer 1991 in Höhe von 222 DM zu erlassen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

II.

Die Klage ist zulässig. Sie ist als Verpflichtungsklage zum Erlaß eines abgelehnten Verwaltungsakts zu werten (§ 40 Abs. 1 FGO...

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