rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeldanspruch für ein behindertes Kind
Leitsatz (redaktionell)
Ein Anspruch auf Kindergeld besteht bei einem behinderten Kind dann nicht, wenn das behinderte Kind in der Lage ist, für seinen Lebensunterhalt selbst zu sorgen.
Normenkette
EStG §§ 63, 62 Abs. 1, § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist, ob eine Kindergeldfestsetzung für ein volljähriges behindertes Kind zu Recht abgelehnt wurde.
I.
Der Kläger ist der Vater des 1983 geborenen Kindes W.
W ist ausweislich des Bescheids (…) vom 29. Mai 2009 mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 30 % und des Änderungsbescheids vom 10. Oktober 2012 mit Wirkung ab 13. September 2012 schwer behindert mit einem GdB von 50 % aufgrund seelischer Krankheit, Drogenmissbrauch.
W befand sich mehrfach in den Jahren ab 2004 in geschlossenen psychiatrischen Einrichtungen und steht seit … 2008 unter Betreuung. Diverse Gutachter bescheinigten dem drogenabhängigen W u.a. ein paranoides Syndrom im Rahmen einer Schizophrenie.
W, der in einer eigenen Wohnung in X lebt, bezog vom 1. Januar 2011 bis zum 30. November 2011 monatlichen Arbeitslohn aus einer Tätigkeit als Hausmeister in Höhe von 357 EUR und (aufgrund Bescheids der Deutschen Rentenversicherung vom 26. Januar 2010, vgl. FG-Akte, Bl. 130 ff) Erwerbsunfähigkeitsrente (EU-Rente) aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 573,34 EUR monatlich.
Den Kindergeldantrag des Klägers vom 11. Januar 2011 lehnte die beklagte Familienkasse (FK) mit Bescheid vom 17. März 2011 ab (Kindergeld-Akte). Die FK vertrat die Auffassung, dass die Behinderung von W nicht vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten sei. Der Einspruch gegen die Ablehnung der Kindergeldfestsetzung im Bescheid vom 17. März 2011 blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 29. Juli 2011). Die FK begründete ihre Auf-fassung, dass ein Anspruch auf Kindergeld nicht bestehen würde, wie folgt: Eine Behinderung –insbesondere deren Eintritt vor dem 25. Lebensjahr von W im Mai 2008– sei nicht nachgewiesen worden.
Mit seiner Klage wendet sich der Kläger gegen die Ablehnung der Kindergeldfestsetzung mit Bescheid vom 17. März 2011 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 29. Juli 2011 und er begehrt, dass ihm für den Zeitraum von Januar 2011 bis über August 2011 hinaus Kindergeld für W gewährt wird. Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger im Wesentlichen vor, dass W seit mindestens 2006 aufgrund schizophrener Psychosen behindert sei und diese Behinderung vor dem 25. bzw. dem 27. Lebensjahr eingetreten sei.
Im Klageverfahren hat der Kläger Verdienstbescheinigungen und Bescheinungen über Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung für den Klagezeitraum ab Januar 2011 vorgelegt.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Bescheides vom 17. März 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. Juli 2011 die Familienkasse zu verpflichten, für den Zeitraum ab Januar 2011 zeitlich unbefristet Kindergeld für W zu gewähren.
Die Familienkasse beantragt
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung der Klageerwiderung weist die FK im Wesentlichen darauf hin, dass in jedem Monat des streitigen Zeitraums die verfügbaren finanziellen Mittel des Kindes (Arbeitslohn aus der Werkstätte und EU-Rente, jeweils abzüglich anteiliger Werbungskostenpauschale und Kostenpauschale) höher seien, als der monatliche Bedarf des Kindes. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Aufstellung im Schriftsatz vom 9. Juli 2012 verwiesen, vgl. FG-Akte Bl. 134 f.
Mit Beschlüssen vom 8. Februar 2012 hat der Berichterstatter die Akten des Jobcenters Y sowie die Betreuungsakte des Amtsgerichts Z beigezogen. Durch Beschluss vom 10. Juli 2013 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen (§ 6 Finanzgerichtsordnung – FGO –). Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die ausgetauschten Schriftsätze und die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Klage ist, soweit sie zulässig ist, unbegründet.
1. Soweit der Kläger Kindergeld für den Zeitraum ab September 2011 begehrt, ist die Klage unzulässig. Gem. § 44 Abs. 1 FGO ist eine Klage in Fällen, in denen ein außergerichtlicher Rechtsbehelf gegeben ist, nur zulässig, wenn das Vorverfahren über den außergerichtlichen Rechtsbehelf ganz oder zum Teil erfolglos geblieben ist. Der Ablehnungsbescheid vom 17. März 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. Juli 2011 erschöpft sich in der Regelung des Anspruchs auf Kindergeld bis August 2011, das ist der bis zum Ende des Monats der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung erfasste Zeitraum (vgl. z. B. Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 25. Juli 2001 VI R 78/98, BFHE 196, 253, BStBl. II 2002, 88). Im Streitfall erfolgte gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 Abgabenordnung i.V.m. §§ 187 ff Bürgerliches Gesetzbuch die Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung frühestens am 1. August 2011. Über Ansprüche für den Zeitraum ab Sept...