Entscheidungsstichwort (Thema)
Zollschuldentstehung durch Verwendung eines falschen Verfahrenscodes bei der Wiederausfuhr
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Begriff des Entziehens umfasst jede Handlung oder pflichtwidrige Unterlassung, die dazu führt, dass die zuständige Zollbehörde auch nur zeitweise am Zugang zu einer unter zollamtlicher Überwachung stehenden Ware und an der Durchführung von Zollkontrollen gehindert wird.
2. Die Zollschuld entsteht, wenn durch Verwendung eines falschen Verfahrenscodes bei der Wiederausfuhr von zur aktiven Veredelung eingeführten LKWs diesen fälschlicherweise der Status einer Gemeinschaftsware zuerkannt und sie der zollamtlichen Überwachung entzogen werden.
Normenkette
ZK Art. 203 Abs. 1; EWGV 2913/92 Art. 203 Abs. 1; ZKDV Art. 865 UAbs. 1; EWGV 2454/93 Art. 865 UAbs. 1
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob die Klägerin Schuldnerin von Einfuhrabgaben geworden ist.
Die Klägerin verfügt über eine Bewilligung zur Durchführung des Anschreibeverfahrens bei der Ausfuhr von Waren (sog. Zugelassener Ausführer, Bewilligungs-Nr. …), wobei das Datum in Feld 54 der Ausfuhranmeldung als Datum der Anschreibung in der Buchhaltung gelten sollte (vgl. Schreiben des Hauptzollamts – HZA – vom …).
Am 9. Februar 2005 übernahm die Klägerin fünf neue Lkw Diesel mit Ursprung in Brasilien von der Firma X, Schweden, und meldete diese beim HZA – Zollamt Y mit Zollanmeldung vom selben Tag zur aktiven Veredelung (aV) im Nichterhebungsverfahren an. Das Zollamt Y nahm die Zollanmeldung am 15. Februar 2005 an und setzte zur Beendigung des Verfahrens eine Frist bis zum 30. April 2005. Außerdem legte es fest, dass eine Verlängerung dieser Frist unter Vorlage der Zollanmeldung bei der Überwachungszollstelle – dem HZA – beantragt werden kann und dass die Zollanmeldung bei der Beendigung des Verfahrens vorzulegen ist (vgl. Felder Nr. 16 und 14 des Zusatzblattes zum Einheitspapier für die Überführung von Waren in die aV).
Mit vorabgestempelter Zollanmeldung vom 11. Mai 2005 meldete die Klägerin die fünf Lkws, die sie in der Zwischenzeit jeweils mit einer Transportbetonmischeinrichtung versehen hatte, beim HZA zur Ausfuhr an. Auf dieser Zollanmeldung war in Feld Nr. 37 der Verfahrenscode 1000 eingetragen und in Feld 44 auf die Bewilligung zur vereinfachten Ausfuhr unter Angabe der Bewilligungs-Nr. … hingewiesen.
In ihrer bill of lading bestätigte die Firma Z die Schiffsverladung der fünf Lkws in A am 15. Mai 2005. In einer Zolldeklaration der Zollbehörden Bs wird die Einfuhr der fünf Lkws bescheinigt.
Mit Einfuhrabgabenbescheid vom … setzte das HZA gegen die Klägerin u. a. Zoll i.H.v. 57.004,43 EUR und Ausgleichszinsen i.H.v. 203,32 EUR fest. Als Begründung gab es an, dass die Klägerin durch die Verwendung des Verfahrenscodes 1000 der Ware fälschlicherweise den Status einer Gemeinschaftsware zuerkannt und diese dadurch der zollamtlichen Überwachung entzogen habe.
Den Einspruch der Klägerin wies das HZA mit Einspruchsentscheidung vom … zurück. Als Begründung führte es nunmehr aus, dass die Zollschuld infolge einer pflichtwidrigen Überschreitung der Wiederausfuhrfrist entstanden sei.
Dagegen erhob die Klägerin Klage, die sie im Wesentlichen folgendermaßen begründet: Bei zwei nacheinander stattfindenden zollschuldrechtlich relevanten Vorgängen komme es für die Entstehung der Zollschuld auf den zeitlich ersten Vorgang, hier also die Fristüberschreitung an. Die Überschreitung der Wiederausfuhrfrist könne jedoch dadurch geheilt werden, dass diese Frist verlängert werde, was auch rückwirkend zulässig sei. Bei rückwirkender Fristverlängerung sei die Frist jedoch nicht überschritten. Aufgrund von Verzögerungen bei der Vorlieferung habe die Frist nicht eingehalten werden können. Die Beantragung einer Fristverlängerung sei versehentlich unterblieben, weil ihr Versandleiter aufgrund einer Erkrankung seiner Tochter mit einer starken persönlichen Inanspruchnahme konfrontiert gewesen sei. Das Überschreiten der Ausfuhrfrist könne daher geheilt werden. Abgesehen davon seien die Lkws auch nicht durch die Verwendung des Verfahrenscodes 1000 der zollamtlichen Überwachung entzogen worden.
Die Klägerin beantragt,
den Einfuhrabgabenbescheid vom … und die Einspruchsentscheidung vom … i.H.v. 57.004,43 EUR Zoll und i.H.v. 203,32 EUR Ausgleichszinsen aufzuheben.
Das HZA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Verwendung des der Klägerin bewilligten Anschreibeverfahrens sei für die Beendigung der hier streitgegenständlichen aV nicht zulässig gewesen, weil der Klägerin die Verwendung des Anschreibeverfahrens zur Beendigung der aV nicht bewilligt worden sei. Eine Verlängerung der Wiederausfuhrfrist sei nicht beantragt worden. Die Ware sei durch die Verwendung des falschen Verfahrenscodes als Gemeinschaftsware zur Ausfuhr angemeldet und dadurch der zollamtlichen Überwachung entzogen worden. Eine Heilung der entstandenen Zollschuld sei somit ausgeschlossen gewesen. Sie könne dadurch jederzei...