rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen für eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Soweit die sachliche Prüfung der bestandskräftigen Steuerfestsetzungen im Billigkeitsverfahren begehrt wird, ist dies nur möglich, wenn die Steuerfestsetzungen offensichtlich und eindeutig falsch sind und wenn es dem Steuerpflichtigen nicht möglich und nicht zumutbar gewesen ist, sich gegen die Fehlerhaftigkeit rechtzeitig zu wehren. Beide Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen.

2. Ein Billigkeitserlass ist nicht dazu bestimmt, die Folgen der Nichteinlegung eines Rechtsbehelfs oder die Folgen eines nicht weiterverfolgten Rechtsbehelfs im Allgemeinen auszugleichen.

3. Der Steuerpflichtige hat im Rahmen des Billigkeitsverfahrens grundsätzlich keinen Anspruch auf nochmalige sachliche Überprüfung von bestandskräftig abgeschlossenen Steuerfällen.

 

Normenkette

AO § 163 S. 1, § 5; FGO § 102 S. 1, § 101 Sätze 1-2

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Voraussetzungen für eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen vorliegen.

I.

Die Klägerin betreibt einen Schreib- und Buchhaltungsservice und erzielt daraus Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

Da die Klägerin trotz Aufforderung die Steuererklärungen für das Jahr 2000 nicht abgegeben hatte, schätzte das damals zuständige Finanzamt X-Stadt […] die Besteuerungsgrundlagen (Bescheide vom 18. April 2002 für das Jahr 2000 über die Einkommensteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuer). Der dagegen gerichtete Einspruch wurde von der Klägerin nicht begründet. Das FA […] X-Stadt änderte die Steuerfestsetzungen – aufgrund einer Mitteilung der Betriebsprüfungsstelle des FA […] Y-Stadt – mit Einspruchsentscheidung vom 7. April 2003 und wies den Einspruch als unbegründet zurück. Das FA […] X-Stadt berücksichtigte einen Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 144.033 DM und Umsätze in Höhe von 93.555 DM (netto); im Gewinn aus Gewerbebetrieb war die Auflösung von Ansparrücklagen in Höhe von 58.000 DM berücksichtigt. Zur Begründung ihrer dagegen geführten Klage (Aktenzeichen – Az. – 8 K 1886/03) reichte die Klägerin neben den Steuererklärungen eine Gewinnermittlung nach Einnahme-Überschuss-Rechnung ein und begehrte, dass der ausgewiesene Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 28.766,54 DM berücksichtigt werde. In der Gewinnermittlung waren Umsatzerlöse in Höhe von 74.336,57 DM (netto) und die Auflösung einer Ansparrücklage in Höhe von 12.000 DM berücksichtigt. Im Klageverfahren vertrat das beklagte FA […] X-Stadt weiter die Auffassung, dass die Umsatzerlöse 93.555,16 DM (netto) betragen würden. Die Klägerin war der Auffassung, dass das FA […] X-Stadt in Höhe des Differenzbetrages Betriebseinnahmen doppelt berücksichtigt habe. Am 9. Dezember 2005 fand in dem zwischen den Beteiligten unter anderem wegen der Einkommensteuer 2001 geführten Rechtsstreit (Az. 8 K 4703/03) mündliche Verhandlung statt; in dieser mündlichen Verhandlung erklärte der damalige Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Rücknahme der Klage mit dem Az. 8 K 1886/03.

Mit Schreiben vom 15. September 2006 beantragte die Klägerin beim zwischenzeitlich zuständig gewordenen Beklagten – dem Finanzamt (FA) – für die Einkommensteuer und für den Gewerbesteuermessbetrag eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen. Den Antrag begründete die Klägerin damit, dass sachliche Billigkeitsgründe vorliegen würden. Das Ausmaß der steuerlichen Belastung würde dem Übermaßverbot zuwider laufen. Nach den Feststellungen des FA […] X-Stadt habe im Jahr 2000 der Nettoumsatz 93.555 DM betragen und es sei ein Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 144.033 DM berücksichtigt worden. Ein Gewinn, der deutlich über den Umsätzen liege, würde aber nicht nur der Lebenserfahrung, sondern auch tatsächlichen Gegebenheiten widersprechen. Mit Bescheid vom 18. Oktober 2006 hat das FA den Antrag abgelehnt und seine Entscheidung u.a. damit begründet, dass eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen nicht dazu bestimmt sei, nach Ablauf der Rechtsbehelfsfristen fehlerhafte Steuerbescheide zu korrigieren. Eine rechtlich unzutreffende Besteuerung würde für sich genommen keine Billigkeitsmaßnahme aus sachlichen Gründen rechtfertigen, selbst wenn der Fehler offensichtlich und eindeutig sei. Fehlerhafte Steuerfestsetzungen müssten im dafür vorgesehenen Rechtsbehelfsverfahren angegriffen werden. Die Klägerin habe ihre Klage gegen die Steuerfestsetzungen für das Jahr 2000 vor dem Finanzgericht zurückgenommen. Den dagegen gerichteten Einspruch begründete die Klägerin wiederum mit dem Vorliegen von sachlichen Billigkeitsgründen und wies darauf hin, dass die Ansparrücklagen für die Jahre 1997 und 1998 nicht im Jahr 2000 hätten aufgelöst werden müssen, da die Klägerin eine Existenzgründerin sei. Außerdem seien Betriebseinnahmen in Höhe von 27.388 DM (brutto) vom FA […] X-Stadt doppelt in Ansatz gebracht worden. Mit Einspruchsentscheidu...

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