Entscheidungsstichwort (Thema)

Änderung Einkommensteuerbescheid nach langjähriger Betriebsprüfung bei Beteiligungsgesellschaften: Ablehnung des Erlasses von Aussetzungszinsen und von infolge des langen Zinszeitraumes im Verhältnis zur Steuernachzahlung sehr hohen Nachzahlungszinsen nicht ermessensfehlerhaft

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Wurden die Feststellungsbescheide für die Einkünfte aus der Beteiligung an Medienfonds im Jahr 2000 nach einer im Jahr 2003 begonnenen und erst im Jahr 2010 abgeschlossenen Betriebsprüfung geändert und wurde deswegen der Einkommensteuerbescheid 2000 des an den Fonds beteiligten Steuerpflichtigen nach knapp zehn Jahren, im Jahr 2011, geändert, sind gegen den Steuerpflichtigen wegen der letztendlich erfolglosen Anfechtung der Feststellungsbescheide und der Bewilligung einer Aussetzung der Vollziehung infolge des sehr langen Zinszeitraumes Nachzahlungszinsen nach § 233a AO in Höhe von insgesamt mehr als der Hälfte der eigentlichen Steuernachzahlung sowie Aussetzungszinsen für die Zeit von Februar 2011 bis Juli 2012 festgesetzt worden, so verstößt weder die Höhe der für den Zeitraum von Februar 2011 bis Juli 2012 auf der Basis eines Zinssatzes von 0,5 % monatlich (§ 238 Abs. 1 AO) festgesetzten Aussetzungszinsen gegen das Grundgesetz, insbesondere das verfassungsrechtliche Übermaßverbot (Abschluss an BFH, Urteil v. 14.4.2015, IX R 5/14) noch ist die Ablehnung des auf sachliche Unbilligkeit gestützten Antrags auf Erlass der Nachzahlungs- und Aussetzungszinsen ermessensfehlerhaft.

2. Die Verfassungsmäßigkeit des Zinssatzes des § 238 Abs. 1 AO kann weder im Billigkeitsverfahren geklärt werden noch kann die Höhe des Zinssatzes Grund für einen Erlass sein. Im Verfahren gegen den Zinsbescheid können keine Umstände berücksichtigt werden, die gegen die Rechtmäßigkeit der zugrunde liegenden Zinsfestsetzung sprechen.

3. Die Erwägung des FA, der Gesetzgeber habe bei der Ausgestaltung des Tatbestandes des § 233a AO eine mögliche Härte hinsichtlich der Höhe der Zinsen bei einem sehr langen Zinszeitraum bewusst in Kauf genommen und deswegen sei ein Billigkeitserlass aus diesem Grund ausgeschlossen, ist ermessensfehlerfrei.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4; AO § 3 Abs. 1, § 237 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 238 Abs. 1 S. 1, §§ 227, 5, 233a Abs. 1-2; FGO § 102

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 24.07.2018; Aktenzeichen X R 15/17)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die für das Jahr 2000 ergangenen Bescheide über Aussetzungszinsen rechtmäßig sind und ob die Anträge der Kläger auf Erlass zu Recht abgelehnt worden sind.

Die Kläger wurden im Streitjahr 2000 als Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte als Diplom-Ingenieur Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Er erklärte in der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr u.a. Beteiligungseinkünfte aus einer Beteiligung an der Firma X 14. tv Production GmbH atypisch stille Gesellschaft (X 14) von – 49.000 DM und aus einer Beteiligung an der Firma X 18. Film Production GmbH atypisch stille Gesellschaft X MultiMedia Fonds 18 (X 18) von – 210.000 DM. Die erklärten Einkünfte aus den Beteiligungen wurden zunächst der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr zu Grunde gelegt. Im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 9. Juli 2001 wurde die Einkommensteuer auf xxx.xxx DM unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt.

Bei den Gesellschaften der X Gruppe wurde im Jahr 2003 eine Betriebsprüfung begonnen, die aufgrund ihrer Komplexität bis ins Jahr 2010 andauerte. Gegen die daraufhin im Jahr 2010 ergangenen Feststellungsbescheide legte die Fondsverwaltung Einsprüche ein. Im Rahmen von Verhandlungen bezüglich der steuerrechtlichen Beurteilung aller X-Fonds zwischen der Fondsverwaltung und dem Finanzamt Y wurden alle Gesellschafter des Fonds zur Abstimmung über eine mögliche tatsächliche Verständigung aufgefordert. Nachdem sich die Mehrheit der Gesellschafter für die Annahme der vorgeschlagenen Verständigung ausgesprochen hatte, wurde die tatsächliche Verständigung zwischen dem Finanzamt Y und der Fondsverwaltung für die Firmen X 14 und X 18 am 28. Dezember 2012 bzw. am 26. Juni 2012 unterzeichnet.

Nach Mitteilungen des Finanzamtes Y aus dem Jahr 2010 wurden die Gewinnanteile des Klägers für die Firma X 18 in Höhe von – 39.938,06 DM und für die Firma X 14 in Höhe von – 10.351,21 DM festgestellt. Daraufhin erließ der Beklagte (das Finanzamt – FA –) am 12. Januar 2011 einen nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) geänderten Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr, legte Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb aus Beteiligungen von – 251.870 DM (X 14: – 10.352 DM; X 18: – 39.938 DM, Sonstige: – 201.580 DM) der Besteuerung zugrunde und setzte eine Einkommensteuer von xxx.xxx EUR sowie einen Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer von 21.868,11 EUR fest. Darüber hinaus wurden in einem mit diesem Bescheid verbundenen Bes...

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