rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Bekleidungsaufwand bei Geschlechtsumwandlung infolge Transsexualität keine außergewöhnliche Belastung
Leitsatz (redaktionell)
Ein Transsexueller kann Aufwendungen für die im Zusammenhang mit der Geschlechtsumwandlung angeschaffte Bekleidung nicht als außergewöhnliche Belastungen abziehen, weil er für die Aufwendungen ein Gegenwert erlangt hat.
Normenkette
EStG § 33 Abs. 1-3
Tatbestand
Die Klägerin (Klin) ist transsexuell. In den Jahren ab 1997 bereitete sie sich sukzessive auf den Geschlechtswechsel vom Mann zur Frau vor (Alltagstest mit Garderobenumstellung zunächst im privaten Bereich). In der Steuererklärung für das Streitjahr (1997) beantragte sie, die ihr im Zusammenhang mit der Geschlechtsumwandlung entstandenen Kosten als außergewöhnliche Belastung steuerlich zu berücksichtigen. Der Beklagte (das Finanzamt -FA-) erkannte die geltend gemachten pauschalen Aufwendungen für Frauenkleidung (7.000 DM) und Kosmetika (1.000 DM) nicht als außergewöhnliche Belastung an. Die übrigen im Zusammenhang mit der Geschlechtsumwandlung stehenden Kosten (Medikamente, Gutachter) sowie weitere Krankheitskosten wirkten sich wegen der zumutbaren Belastung steuerlich nicht aus. Der gegen den Einkommensteuerbescheid 1997 vom 20.10.1998 gerichtete Rechtsbehelf hatte keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom … 11.3.1999).
Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klin vor, Transsexualität sei eine Krankheit. In einer sehr frühen Phase der ärztlichen Behandlung werde ein Alltagstest durchgeführt, in dem der Patient öffentlich in der neuen Geschlechtsrolle lebe. Dieser Test sei im Jahre 1997 begonnen worden. Die Klin habe deshalb innerhalb sehr kurzer Zeit eine komplette Damengarderobe sowie eine Perücke anschaffen müssen. Wegen des starken Bart- und Körperhaarwuchses habe sie deckendes Make-up und Körperenthaarungsmittel verwenden müssen. Im Streitjahr habe sie für Bekleidung 7.795 DM, für eine Perücke inclusive Pflegemittel 400 DM und für Kosmetika 575 DM auf gewandt. Darauf, ob sie einen Gegenwert erlangt habe, sei nicht abzustellen. Es habe sich um lebensnotwendige, der Linderung einer Krankheit dienende Gegenstände gehandelt, die wiederbeschafft hätten werden müssen. Die Aufwendungen für die bisherige Kleidung seien verloren.
Die Klin beantragt,
den angefochtenen Einkommensteuerbescheid 1997 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.3.1999 dahingehend zu ändern, daß zusätzliche Aufwendungen von 8.770 DM als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -FGO-).
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes, so können diese unter den weiteren Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerlich als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden. Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).
Aufwendungen, die unmittelbar zum Zwecke der Heilung einer Krankheit oder mit dem Ziel gemacht werden, die Krankheit erträglicher zu gestalten, werden typisierend als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, ohne daß es im Einzelfall der Prüfung ihrer Zwangsläufigkeit dem Grunde und der Höhe nach bedarf (Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 22.10.1996 III R 240/94, Bundessteuerblatt -BStBl- II 1997, 346, BFHE 181, 468 m.w.N.). Bei Krankheitskosten ist jedoch danach zu unterscheiden, ob es sich um unmittelbare oder mittelbare Krankheitskosten handelt (BFH-Urteil vom 22.10.1996 in BStBl II 1997, 346, BFHE 181, 468). Mit einer Krankheit nur mittelbar zusammenhängende Aufwendungen (Folgekosten) gehören nicht zu den Krankheitskosten, die als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden können (BFH-Urteil vom 9.8.1991 III R 54/90, BStBl II 1991, 920, BFHE 165, 272). Außerdem sind Aufwendungen für die Anschaffung eines Gegenstandes, der einen marktfähigen Gegenwert darstellt, auch dann nicht abziehbar, wenn der Gegenstand der unmittelbaren Heilung oder Linderung einer Krankheit dient (BFH-Urteil vom 29.11.1991 III R 74/87, BStBl II 1992, 290, BFHE 166, 266). Der Gesichtspunkt des Gegenwerts tritt nur bei der Wiederbeschaffung lebenswichtiger Gegenstände wie Hausrat oder Kleidung zurück, wenn der vorhergehende Verlust auf einem unabwendbaren Ereignis beruht und durch die Schadensbeseitigung verlorener Aufwand entsteht (BFH-Urteile vom 15.2.1974 VI R 67/70, BStBl II 1974, 335, BFHE 111, 491 und vom 6.5.1994 III R 27/92, BStBl II 1995, 104, BFHE 175, 332).
2. Die Abzugsvorau...