Entscheidungsstichwort (Thema)
„Arten” der beruflichen Veranlassung bei Geltendmachung von Umzugskosten als Werbungskosten. private Gründe dürfen nur eine ganz untergeordnete Rolle spielen
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine berufliche Veranlassung der Umzugskosten liegt vor, wenn der Umzug aus Anlass eines Arbeitsplatzwechsels erfolgen musste oder wenn – auch ohne berufliche Veränderung – durch den Umzug der erforderliche Zeitaufwand für den Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte wesentlich vermindert worden ist (mindestens eine Stunde).
2. Von einer wesentlichen Zeitersparnis ist auszugehen, wenn sich der erforderliche Zeitaufwand um mindestens eine Stunde täglich vermindert.
3. Der Umzug kann aber auch dann beruflich veranlasst sein, wenn Fahrt oder Gang zur Arbeit durch den Umzug wesentlich verbessert werden oder Umsteigen auf öffentliche Verkehrsmittel Zeitersparnis oder den Fußweg ermöglichen; dies hängt von der tatrichterlichen Würdigung im Einzelfall ab.
4. Der Steuerpflichtige trägt die objektive Beweislast für die überwiegende berufliche Veranlassung der als Werbungskosten geltend gemachten Aufwendungen für den Umzug.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 1, § 12 Nr. 1 S. 2; FGO § 76 Abs. 1 S. 1, § 96 Abs. 1
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist, ob Umzugskosten als Werbungskosten abzugsfähig sind.
I.
Die verheirateten Kläger werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Der Kläger erzielte im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Vom 1. Januar bis 31. März 2004 war er in […] H-Stadt beschäftigt und führte während dieser Zeit einen doppelten Haushalt; der Familienwohnsitz war in […] I-Dorf. Seit 1. April 2004 ist der Kläger als Arbeitnehmer in […] O-Stadt beschäftigt. Vom 1. April bis 4. Juni 2004 suchte er die Arbeitsstätte in […] O-Stadt vom Familienwohnsitz in […] I-Dorf aus auf. Am 4. Juni 2004 zogen die Kläger mit ihren beiden Kindern von […] I-Dorf nach […] P-Dorf um. Seit dem 5. Juni 2004 suchte der Kläger die Arbeitsstätte in […] O-Stadt von der Familienwohnung in […] P-Dorf aus auf.
In ihrer Einkommensteuererklärung für 2004 machten die Kläger bei den Werbungskosten aus nichtselbstständiger Arbeit des Klägers neben anderen Aufwendungen auch Umzugskosten in Höhe von 10.872 EUR geltend. Zur Begründung führten sie unter anderem aus, dass sich die Entfernung von der Wohnung zur Arbeitsstätte durch den Umzug von 51 Kilometer (km) auf 35 km vermindert habe und eine Fahrzeitersparnis von täglich mehr als einer Stunde erreicht worden sei.
Neben anderen nicht streitgegenständlichen Abweichungen ließ der Beklagte – das Finanzamt (FA) – die geltend gemachten Umzugskosten nicht als Werbungskosten zum Abzug zu (Einkommensteuerbescheide 2004 vom 6. März 2006 und 23. März 2006). Das FA begründete seine Entscheidung damit, dass sich nach dem Routenplaner die Fahrzeit von der neuen Wohnung aus für die einfache Wegstrecke nur um 13 Minuten verkürzt habe. Von […] I-Dorf aus sei der Arbeitsplatz mit dem Pkw binnen 42 Minuten erreichbar, von […] P-Dorf aus betrage die Fahrzeit 29 Minuten; die einfache Entfernung habe sich im Übrigen von 44 km auf 28 km verkürzt. Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln (S-Bahn) betrage die Fahrzeit von […] I-Dorf aus 54 Minuten zum Arbeitsplatz und von […] P-Dorf aus nur 50 Minuten. Den dagegen gerichteten Einspruch begründeten die Kläger damit, dass der S-Bahnhof in […] I-Dorf von der Wohnung drei km entfernt gewesen sei und dass durch den Umzug eine Fahrzeitersparnis von einer Stunde erreicht werde, sofern man davon ausgehe, dass für die Strecke zwischen Wohnung und S-Bahnhof kein Kfz benutzt werde. Nachdem das FA mit Einkommensteuerbescheiden vom 12. Juli 2006, 18. Juli 2006 und 5. Oktober 2006 wegen anderer nicht streitgegenständlicher Punkte erneut die Einkommensteuerfestsetzung für 2004 geändert hatte, wies es den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 11. Oktober 2006 als unbegründet zurück.
Dagegen richtet sich die Klage. Zur Begründung ihrer Klage tragen die Kläger vor, dass […] P-Dorf deshalb als Familienwohnsitz gewählt wurde, weil von der neuen Wohnung aus der S-Bahnhof in fünf Minuten zu Fuß zu erreichen sei und nun öffentliche Verkehrsmittel für den Weg zur Arbeit vom Klägers benutzt werden könnten. Seit August 2004 benutzte der Kläger auch ein sogenanntes Job-Ticket für die S-Bahn. Für die berufliche Veranlassung eines Umzuges komme es auch darauf an, dass man den Arbeitsplatz leichter, ausgeruhter und entspannter erreichen könne. Eine berufliche Veranlassung des Umzuges liege bereits dann vor, wenn durch den Umzug der erforderliche Zeitaufwand für den Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte wesentlich vermindert werde oder aber wenn das Erreichen der Arbeitsstätte sonst wesentlich erleichtert werde. Dieser Rechtsgrundsatz ergebe sich aus einigen Urteilen von Finanzgerichten (FG Rheinland Pfalz, EFG 1995, 1048; FG Köln, EFG 1981, 283; FG Baden-Württemberg, EFG 1993, 715). Richtig an den Ausführungen des ...