Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuerliche Unternehmereigenschaft eines vorgeschobenen „Strohmanns”. Belegnachweis mittels CMR-Frachtbrief für innergemeinschaftliche Lieferung von Kfz
Leitsatz (redaktionell)
1. Auch eine vorgeschobener „Strohmann” kann vorsteuerabzugsberechtigter Unternehmer im umsatzsteuerrechtlichen Sinne sein, wenn er im eigenen Namen, aber für Rechnung eines anderen aufgetreten ist, der nicht selbst als berechtigter oder verpflichteter Vertragspartner in Erscheinung treten will (sog. „Hintermann”).
2. Ein CMR-Frachtbrief ist zwar auch ohne die in Feld 24 vorgesehene Empfängerbestätigung als Frachtbrief i. S. v. § 10 Abs. 1 Nr. 1 UStDV anzusehen. Bestehen aber begründete Zweifel an der Richtigkeit der Frachtbriefangaben, liegt kein ordnungsgemäßer Frachtbrief vor. Der Unternehmer trägt dabei das Risiko einer nicht geglückten Aufklärung einer als zweifelhaft erscheinenden Beförderung zum Bestimmungsort.
Normenkette
UStG § 2 Abs. 1, § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a Abs. 1, 3, § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; UStDV § 10 Abs. 1, §§ 17a, 17c; MwStSystRl Art. 9
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob die Klägerin im Streitjahr als Unternehmerin zum Vorsteuerabzug aus dem Ankauf von Kfz berechtigt war und den Nachweis für die Steuerfreiheit bei innergemeinschaftlichen Lieferungen von Kfz erbracht hat.
Die Klägerin meldete zum 1. August 2002 bei der Stadt X das Gewerbe „Vermittlung von Gebraucht- und Neuwagen, An- und Verkauf von Pkw” an. Zum 31. Dezember 2004 wurde es wieder abgemeldet.
Nachdem die Klägerin für die Jahre 2002 und 2003 keine Umsatzsteuerjahreserklärungen abgab und mit ihren Umsatzsteuer-Voranmeldungen für die Quartale I bis III/2004 abziehbare Vorsteuerbeträge in Höhe von insgesamt 75.784,88 EUR geltend gemacht hatte, wurde bei der Klägerin ab 31. August 2004 für den Zeitraum I bis III/2004 eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung vorgenommen. Diese kam zu dem Ergebnis, dass die Klägerin keine Unternehmerin sei und ihr demzufolge auch kein Vorsteuerabzug zustehe. Selbst wenn sie als Unternehmerin anzusehen sei, lägen die Voraussetzungen für steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen nicht vor.
Daraufhin reichte die Klägerin am 8. Juni 2006 für die Jahre 2002 und 2003 Umsatzsteuerjahreserklärungen ein. Für 2002 meldete sie steuerpflichtige innergemeinschaftliche Erwerbe in Höhe von 8.500,– EUR netto sowie steuerfreie Ausfuhrlieferungen in Höhe von 9.000,– EUR an und machte abziehbare Vorsteuerbeträge in Höhe von 1.885,60 EUR geltend. Für 2003 meldete sie steuerfreie Umsätze aus innergemeinschaftlichen Lieferungen in Höhe von 8.050,– EUR, abziehbare Vorsteuerbeträge in Höhe von 1.958,65 EUR sowie steuerpflichtige Umsätze in Höhe von 4.827,– EUR an.
Am 13. Juni 2006 erließ der Beklagte (das Finanzamt), dem Ergebnis der Umsatzsteuer-Sonderprüfung folgend, für die Quartale I bis III/2004 Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide, mit denen er die Umsatzsteuer jeweils auf 0,– EUR festsetzte. Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein und meldete mit der Umsatzsteuerjahreserklärung für 2004 vom 7. August 2006 abziehbare Vorsteuerbeträge in Höhe von 77.124,55 EUR und steuerfreie Umsätze aus innergemeinschaftlichen Lieferungen in Höhe von 507.105,– EUR an. Mit ihren Einkommensteuer- und Gewerbesteuererklärungen für 2004 vom gleichen Tag erklärte die Klägerin Einkünfte aus Gewerbebetrieb als Einzelunternehmerin in Höhe von 11.989,– EUR.
Daraufhin setzte das Finanzamt die Einkommensteuer 2004 mit Bescheid vom 29. August 2006 und die Umsatzsteuer 2004 mit Umsatzsteuerjahresbescheid vom 1. September 2006 jeweils auf 0,– EUR fest. Mit Einspruchsentscheidung vom 16. August 2007 wies es den Einspruch gegen die Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide in Gestalt des Umsatzsteuerjahresbescheids 2004 als unbegründet zurück und hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf.
Mit ihrer hiergegen erhobenen Klage bringt die Klägerin im Wesentlichen Folgendes vor:
Sie habe eine selbstständige Tätigkeit als Autohändlerin ausgeübt. Sie habe ein entsprechendes Gewerbe angemeldet, Kredite zum Bestreiten der betrieblichen Aufwendungen aufgenommen, alle Verträge über die laufenden Geschäftsvorfälle persönlich abgeschlossen und sei nach außen als Unternehmerin aufgetreten. Sie sei kein vorgeschobener Strohmann ohne eigene Verpflichtungen gewesen.
Die Lieferungen der Kfz nach Spanien seien als innergemeinschaftliche Lieferungen von der Umsatzsteuer befreit. Sie habe den Nachweis dafür erbracht, dass die streitgegenständlichen Kfz nach Spanien gelangt seien. Der nach dem Umsatzsteuergesetz erforderliche Beleg- und Buchnachweis verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die materiellrechtlichen Voraussetzungen für die Umsatzsteuerfreiheit von innergemeinschaftlichen Lieferungen könnten auch auf andere Weise glaubhaft gemacht werden.
Im Übrigen unterlägen die Prüfungsfeststellungen einem Verwertungsverbot, weil der Hinweis im Prüfungsbericht unter Pkt. I. 12. gemäß § 201 Abs. ...