Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiederholte Anschlussprüfungen bei als Großbetrieb eingestufter Freiberufler-Partnerschaftsgesellschaft
Leitsatz (redaktionell)
1. Im Rahmen des § 193 Abs. 1 AO sind bei einer als Großbetrieb eingestuften Gesellschaft nach dem PartGG, in der sich die Rechtsanwälte zur Ausübung ihrer freiberuflichen Tätigkeit zusammengeschlossen haben, auch wiederholte Anschluss-Außenprüfungen unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips und des Willkürverbots grundsätzlich unbeschränkt zulässig. Insoweit ist unerheblich, dass die bisherigen Außenprüfungen nur jeweils zu geringen Mehrergebissen geführt haben, andere Großbetriebe nicht lückenlos geprüft werden und wiederholte Anschlussprüfungen für die Gesellschaft zu einen extrem hohen zeitlichen, personellen und finanziellen Aufwand führen. Weder der Abgabenordnung noch der Betriebsprüfungsordnung ist zu entnehmen, dass Außenprüfungen nur in einem bestimmten Turnus oder mit zeitlichen Abständen erfolgen dürfen.
2. Da die Anordnung einer Außenprüfung im Rahmen des § 193 Abs. 1 AO grundsätzlich ermessensgerecht ist, wenn sie nicht gegen das Übermaß-, das Willkür- oder Schikaneverbot verstößt, bedarf sie regelmäßig keiner über die Angabe der gesetzlichen Grundlage, also des § 193 Abs. 1 AO, hinausgehenden Begründung. Dies gilt nicht nur für die erste Anschlussprüfung, sondern auch für weitere Anschlussprüfungen.
3. Bei der Einstufung der Gesellschaft als Groß-, Mittel- oder Kleinbetrieb kommt es nicht auf den Gewinn oder die Umsätze der einzelnen Gesellschafter an, sondern auf die Gewinne oder die Umsätze der Gesellschaft.
Normenkette
AO §§ 5, 193 Abs. 1, 2 Nr. 2, § 194 Abs. 1 S. 2, § 196; FGO § 102 S. 1; BpO §§ 3, 4 Abs. 1, 2 S. 1, Abs. 4; GG Art. 3 Abs. 1
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Die Klägerin ist eine seit dem … bestehende Rechtsanwaltspartnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung nach dem Partnerschaftsgesellschaftsgesetz (PartGG), die zuvor ab dem … als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) handelte. Gegenstand der Klägerin ist die Erbringung von Rechtsdienstleistungen. Die Klägerin ermittelt ihren Gewinn durch Einnahme-Überschussrechnung.
Der Betrieb der Klägerin war nach der Betriebsprüfungsordnung (BpO 2000) ab dem Veranlagungszeitraum 2007 als Großbetrieb eingestuft. Der Beklagte (das Finanzamt) prüfte bereits die Veranlagungszeiträume 2003–2014 lückenlos durch eine Außenprüfung (insgesamt vier Prüfungen). Betreffend die Jahre 2012 bis 2014 dauert die Prüfung noch an.
Mit Verwaltungsakt vom … erließ das Finanzamt für die anschließenden Veranlagungszeiträume 2015–2018 eine weitere Prüfungsanordnung für die Klägerin. Geprüft werden sollte die gesonderte und einheitliche Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung einschließlich des verrechenbaren Verlustes nach § 15 a Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG), der jeweilige Gewerbesteuermessbetrag und die Umsatzsteuer. Als Beginn der Prüfung war der … vorgesehen.
Den gegen diese Prüfungsanordnung gerichteten Einspruch der Klägerin, den sie im Wesentlichen damit begründete, dass sie sich seit 2003 lückenlos Außenprüfungen habe unterziehen müssen, ohne dass diese Prüfungen zu nennenswerten Mehrergebnissen geführt hätten, wies das Finanzamt mit Einspruchsentscheidung vom … als unbegründet zurück.
Es stützte seine Entscheidung u.a. darauf, dass sich das Finanzamt sowohl bei Auswahl als auch beim zeitlichen Umfang an die Bestimmungen der Betriebsprüfungsordnung (BpO) gehalten habe. Die angefochtene Prüfungsanordnung umfasse drei zusammenhängende Prüfungszeiträume und bei dem geprüften Betrieb handle es sich um einen Großbetrieb, so dass eine lückenlose Prüfung ermessensgerecht gewesen sei.
Die Finanzverwaltung sei insbesondere berechtigt gewesen, die Einteilung der Betriebe in Größenklassen nach den an bestimmten Stichtagen gegebenen Merkmalen vorzunehmen. Bezugsgrößen seien die in den Steuerfestsetzungen bzw. Feststellungen, hilfsweise die in den Steuererklärungen angegebenen Gewinne oder Gesamtumsätze zu dem für den betreffenden Prüfungsturnus maßgebenden Stichtag. So sei das Finanzamt für den am 01. Januar 2019 beginnenden Prüfungsturnus berechtigt, primär auf die Werte aus der Veranlagung für 2016 zurückzugreifen. Laut der Anlage 1 des BMF Schreibens vom 13. April 2018 seien freie Berufe mit einem steuerlichen Gewinn über … EUR für den Streitzeitraum der Größenklasse G zuzurechnen gewesen. Da der Gewinn der Klägerin im Streitzeitraum … über der Grenze von … EUR liege, sei die Einteilung in die Größenklasse G zu Recht erfolgt.
Mit ihrer hiergegen erhobenen Klage wegen der wiederholten Anordnung einer Außenprüfung trägt die Klägerin vor, das Finanzamt habe das notwendige Ermessen nicht bzw. unzureichend ausgeübt. Es habe die Anordnung der Außenprüfung nicht ausreichend begründet und der bloße Hinweis auf § 193 Abgabenordnung (AO) in Verbindung mit der BpO reiche nicht aus, ein ordnungsgemäßes Auswahlermessen dar...