Entscheidungsstichwort (Thema)
Schätzungsbefugnis des FA bei Nichtabgabe von Steuererklärungen: keine Abänderung von Schätzungsbescheiden infolge der Vorlage nicht nachvollziehbarer Steuerberechnungen. Befugnis zur Schätzung einer von den Voranmeldungen abweichenden Jahresumsatzsteuer
Leitsatz (redaktionell)
1. Kommt ein Steuerpflichtiger (im Streitfall: GmbH) seiner Pflicht zur Abgabe der Steuererklärungen nicht nach und sind andere Mittel, den Steuerpflichtigen zur Abgabe der Steuererklärungen anzuhalten, ausgeschöpft, ist das FA zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen nach § 162 Abs. 2 S. 1 AO befugt. An dieser Schätzungsbefugnis ändert sich weder dem Grunde noch der Höhe nach etwas, wenn der Steuerpflichtige im Klageverfahren nach wie vor keine Steuererklärungen und auch keine Gewinnermittlung, sondern lediglich von nicht nachvollziehbaren Bemessungsgrundlagen ausgehende Steuerberechnungen einreicht.
2. Verletzt der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflicht, indem er die Umsatzsteuerjahressteuererklärung nicht abgibt, ist das FA nicht gehalten, im Rahmen der Umsatzsteuerfestsetzung für das Kalenderjahr Umsätze und Vorsteuerbeträge nur in der Höhe zu schätzen, in der sie vom Steuerpflichtigen bei den Voranmeldungen angegeben wurden (vgl. BFH, Beschluss v. 7.4.2009, XI B 115/08). Das FA kann vielmehr wegen der bestehenden Unsicherheiten Zuschläge bei den Umsätzen und/oder Abschläge bei den Vorsteuerbeträgen berücksichtigen. Solche Abweichungen sind notwendig mit einer Schätzung verbunden, die in Unkenntnis der wahren Gegebenheiten erfolgt. Hat der Steuerpflichtige durch sein Verhalten Anlass zur Schätzung gegeben, muss er es hinnehmen, dass die Schätzung zu seinem Nachteil ausfällt.
Normenkette
AO § 162 Abs. 1, 2 Sätze 1-2; FGO § 65 Abs. 2 S. 2, § 79b Abs. 1, § 96 Abs. 1 S. 2
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Die Klägerin ist eine GmbH mit Sitz in München. Gegenstand des Unternehmens ist der Handel mit … Letztmals für das Jahr 2012 hat die Klägerin Steuererklärungen beim beklagten Finanzamt (dem Finanzamt) eingereicht. Die Körperschaftsteuererklärung 2014, die Erklärung zur gesonderten Feststellung gemäß §§ 27, 28, 37 und 38 Körperschaftsteuergesetz (KStG) 2014, die Erklärung über den Gewerbesteuermessbetrag 2014, die Umsatzsteuererklärung 2014 und die E-Bilanz 2014 gab die Klägerin nicht bis zur Abgabefrist am 31.12.2015 ab. Das Finanzamt schätzte die Besteuerungsgrundlagen anhand der Umsatzsteuervoranmeldungen. Für Zwecke der Umsatzsteuer ging es von steuerpflichtigen Umsätzen von 170.000 EUR und eine darauf entfallende Umsatzsteuer von 32.300 EUR aus. Vorsteuern schätzte es in Höhe von 15.000 EUR, sodass sich eine Umsatzsteuerschuld von 17.300 EUR ergab. Der entsprechende Umsatzsteuerbescheid 2014 erging mit Datum vom 14.11.2016 unter Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO). Ebenfalls mit Datum vom 14.11.2016 erließ das Finanzamt einen Körperschaftsteuerbescheid 2014 und schätzte ein zu versteuerndes Einkommen von 17.000 EUR und entsprechend eine Körperschaftsteuer in Höhe von 2550 EUR. Im Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 27 Abs. 2 und § 28 Abs. 1 Satz 3 KStG zum 30.12.2014 vom 14.11.2016 schätzte es das steuerliche Einlagekonto mit 0 EUR. Der Gewerbesteuermessbetrag 2014 wurde im Bescheid vom 14.11.2016, ausgehend von einem Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 17.000 EUR, auf 595 EUR geschätzt. Mit Bescheiden jeweils vom 25.04.2017 hob das Finanzamt den Vorbehalt der Nachprüfung in den Bescheiden vom 14.11.2016 auf. Hiergegen erhob die Klägerin Einspruch. Im Einspruchsschreiben wurde auch Einspruch eingelegt gegen – nicht existierende – Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2014 vom 25.4.2017 und über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2014 vom 25.04.2017. Nachdem die Klägerin die Einsprüche nicht begründete, insbesondere die angeforderten Steuererklärungen nicht eingereicht hatte, wies das Finanzamt mit Einspruchsentscheidungen vom 16.05.2018 die Einsprüche, die sich gegen die Schätzungsbescheide richteten, als unbegründet zurück. Die Einsprüche gegen die nicht existierenden Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2014 und über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2014 wurden mit Einspruchsentscheidungen vom 16.05.2018 als unzulässig verworfen.
Hiergegen erhob die Klägerin Klage, ohne sie zu begründen. Das Gericht setzte der Klägerin mit Anordnung vom 10.08.2018 (zugestellt mit PZU am 16.08.2018) jeweils eine Frist mit ausschließender Wirkung bis zum 01.10.2018 nach § 65 Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Bezeichnung des Gegenstands des Klagebegehrens sowie nach § 79 b Abs. 1 FGO zur Angabe der Tatsachen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtbe...