Entscheidungsstichwort (Thema)
Selbständige Tätigkeit eines EDV-Fachmannes?. Gewerbesteuermessbetrag 1994– 1997
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Tätigkeit eines Diplom-Informatikers mit Hochschul- oder Fachhochschulabschluss ist mit der eines Ingenieurs vergleichbar.
2. Ein Steuerpflichtiger, der eine Berufsausbildung, wie sie in den Ingenieurgesetzen der Länder vorgeschrieben ist, nicht besitzt, kann nachweisen, dass er vergleichbare Kenntnisse durch Selbststudium erworben hat.
3. Der Nachweis einer solchen Ausbildung ist entbehrlich, wenn die berufliche Tätigkeit ohne theoretische Grundlagen, wie sie eine der Berufsausbildung des Ingenieurs ähnliche Ausbildung vermittelt, nicht ausgeübt werden kann. Voraussetzung ist jedoch, dass die Tätigkeit besonders anspruchsvoll ist und sowohl der Tiefe als auch der Breite nach zumindest das Wissen eines Kernbereichs eines Fachstudiums verlangt.
Normenkette
EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1
Tenor
1. Die Gewerbesteuermessbescheide für 1994 vom 2. April 1996, für 1995 vom 14. August 1997, für 1996 vom 24. September 1997 und für 1997 vom 8. März 1999, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Mai 1999 werden ersatzlos aufgehoben.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob der 1970 geborene Kläger in den Jahren 1994 bis 1997 eine gewerbesteuerpflichtige Tätigkeit ausgeübt hat.
Sein beruflicher Werdegang stellt sich wie folgt dar:
Abschluss Mittlere Reife |
1986 |
High-School-Jahr in den USA |
1986/87 |
Bundeswehr |
1988/89 |
Ausbildung zum Datenverarbeitungskaufmann mit IHK Abschluss bei Firma NN |
1989–1992 |
Anstellung bei Firma NN im Bereich Prozessautomation |
bis August 1993 |
Beginn der selbständigen Tätigkeit |
4. August 1993 |
Schwerpunkte im Bereich seiner beruflichen Tätigkeit waren die Entwicklung von Programmen über die Zuordnung und Vercodung von Auftrags- und Fertigungsdaten und die Übertragung von Messdaten bzw. eines Programms zur Herstellung von Datenreplikationen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die, sich in den Gewerbesteuerakten (Bl. 28 ff, 1997) befindende Aufstellung des Klägers vom 1. November 1996, sowie auf die Ausführungen im Gutachten vom 19. Mai 2003 des Gutachters Dr. XY, verwiesen.
In den eingereichten Einkommensteuererklärungen 1994– 1997 ordnete der Kläger die Tätigkeit den Einkünften aus selbständiger Arbeit zu. Gewerbesteuererklärungen wurden keine abgegeben.
Der Beklagte (das Finanzamt – FA –) erließ für die Streitjahre jeweils Gewerbesteuermessbescheide, im Einzelnen:
Bescheid: |
|
Gewerbesteuermessbetrag: |
Bescheid vom 2. April 1996 |
für 1994 |
3.815 DM |
Bescheid vom 14. August 1997 |
für 1995 |
1.940 DM |
Bescheid vom 24. September 1997 |
für 1996 |
2.440 DM |
Bescheid vom 8. März 1999 |
für 1997 |
3.010 DM |
Dagegen jeweils eingelegte Einsprüche wurden vom FA für die Jahre 1994– 1996 als unbegründet zurückgewiesen. Für 1997 wurde der Gewerbesteuermessbetrag auf 2.930 DM herabgesetzt, im Übrigen als ungegründet zurückgewiesen. Zur Begründung führt es aus, die Tätigkeit des Klägers liege im Bereich der Anwendungssoftware, und somit nicht in einem für den Beruf des Ingenieurs typischen Bereich. Die Einspruchsentscheidung wurde am 25. Mai 1999 zur Post gegeben.
Mit Klage vom 22. Juni 1999 verfolgt der Kläger weiterhin das Ziel, die Gewerbesteuermessbeträge ersatzlos aufheben zu lassen. Seine Qualifikation und Tätigkeit entspreche der eines Ingenieurs bzw. eines Informatikers. Der Kläger erfülle die Voraussetzungen, um ihn bzw. seine Tätigkeit als Systemberater zu den Katalogberufen des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu zählen und damit als freiberuflich einzustufen.
Mit Beschluss vom 8. April 2003 wurde Herr Dr. XY mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt.
Der Kläger beantragt sinngemäß.
die Gewerbesteuermessbescheide für 1994 vom 2. April 1996, für 1995 vom 14. August 1997, für 1996 vom 24. September 1997 und für 1997 vom 8. März 1999, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Mai 1999, ersatzlos aufzuheben.
Das FA beantragt.
unter Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung, die Klage abzuweisen.
Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung – FGO –).
Bezüglich des Sachverhalts im Einzelnen wird auf die Einspruchsentscheidung vom 25. Mai 1999, die Akten, das Gutachten vom 19. Mai 2003 und die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze Bezug genommen (§ 105 Abs. 3 Satz 2 FGO).
Der Hebesatz der Gemeinde G. beträgt für 1994 300 v.H. und für 1995– 1997 330 v.H..
Entscheidungsgründe
II.
Die Klage ist begründet.
Der Kläger übt eine freiberufliche Tätigkeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) aus. Ein stehender Gewerbebetrieb nach § 2 Abs. 1 S. 1 Gewerbesteuergesetz (GewStG) i.V.m. § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG liegt nicht vor.
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