Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeitsvoraussetzung für einen Einspruch: Bestimmbarkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes. Haftung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Angabe, gegen welchen Verwaltungsakt Einspruch eingelegt wurde, kann nicht erst nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist nachgeholt oder aus erst nach diesem Zeitpunkt der Finanzbehörde bekannt werdenden Umständen im Wege der Auslegung des Einspruchsvorbringens hergeleitet werden.

 

Normenkette

AO § 357 Abs. 3, § 358

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger war Geschäftsführer der … Handels GmbH. Wegen Abgabenschulden der genannten Gesellschaft nahm der Beklagte (das Finanzamt) den Kläger mit zwei Haftungsbescheiden jeweils vom 3. April 1998 einmal wegen Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer u. a. und einmal wegen Lohnsteuer u. a. in Anspruch.

Beide Bescheide wurden dem jetzigen Prozessbevollmächtigten des Klägers mit einem Postzustellungsauftrag It. Postzustellungsurkunde am 6. April 1998 zugestellt. Auf dem Postzustellungsumschlag war u. a. vermerkt „2 HaB”.

Am 27. April 1998 (Frühleerung) ging beim Finanzamt ein Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 24. April 1998 mit u. a. folgendem Inhalt ein:

„…

den mir am 6. April 1998 zugestellten Haftungsbescheid für Herrn … sende ich als Anlage in vollem Umfang zurück, da ich Herrn … nicht mehr vertrete.

Eine Adresse des Herrn … ist mir auch nicht bekannt.

Sollten Sie gleichwohl von einer wirksamen Zustellung ausgehen, lege ich hiermit vorsorglich Einspruch gegen den Haftungsbescheid ein.

…”

Dem Schreiben waren nach Angabe des Finanzamts der Umschlag des Postzustellungsauftrages und die beiden Haftungsbescheide beigefügt. Der Umschlag und der Haftungsbescheid über Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer u. a. sind jeweils mit einem Eingangsstempel des Prozessbevollmächtigten versehen.

Unter Vorlage einer Vollmacht des Klägers teilte der Prozessbevollmächtigte mit Schreiben vom 2. Juni 1998 dem Finanzamt mit, dass dieser die Einlegung des Einspruchs genehmigt habe und dass lediglich ein Haftungsbescheid über Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer u. a. für den Kläger ergangen sei. Zweifel darüber, gegen welchen Bescheid sich der Einspruch richte, könne nicht bestehen.

Den Einspruch hat das Finanzamt mit Einspruchsentscheidung vom 11. März 1999 als unzulässig verworfen. Da dem Einspruchsschreiben auch nicht durch Auslegung entnommen werden könne, welcher der beiden Haftungsbescheide angefochten sein sollte, sei der Einspruch inhaltlich nicht hinreichend bestimmt. Die Erklärung im Schreiben vom 2. Juni 1998 sei erst nach Ablauf der Einspruchsfrist (dem 6. Mai 1998) eingegangen.

Zur Begründung der dagegen erhobenen Klage wird im Wesentlichen vorgetragen, dass dem Prozessbevollmächtigten lediglich ein Haftungsbescheid wegen Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer u. a. zugestellt worden sei. Daher stehe fest, dass sich der Einspruch vom 24. April 1998 nur auf diesen Bescheid bezogen habe. Zweifel darüber, welcher Bescheid gemeint sein könne, bestünden nicht.

Der Kläger beantragt ausdrücklich,

die Einspruchsentscheidung vom 11. März 1999 und den Haftungsbescheid vom 3. April 1998 aufzuheben.

Das Finanzamt beantragt Klageabweisung.

Klageerwidernd verweist es auf seine Einspruchsentscheidung und führt ergänzend aus, dass dem Einspruchsschreiben beide Haftungsbescheide beigeheftet gewesen seien. Das Finanzamt habe deshalb nicht erkennen können, gegen welchen der beiden Verwaltungsakte sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers habe wenden wollen. Aufgrund der Formulierung im Einspruchsschreiben habe nur festgestanden, dass nur gegen einen der Haftungsbescheide vorgegangen werden sollte.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Klage ist unbegründet.

Das Finanzamt hat den Einspruch vom 24. April 1998 zutreffend als unzulässig verworfen.

Denn innerhalb der Einspruchsfrist hat der Kläger gegen einen nicht eindeutig bestimmbaren Haftungsbescheid Einspruch eingelegt.

Die zur Entscheidung über den Einspruch berufene Finanzbehörde hat gemäß § 358 der Abgabenordnung (AO) zu prüfen, ob der Einspruch zulässig, insbesondere in der vorgeschriebenen Form und Frist eingelegt ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist der Einspruch als unzulässig zu verwerfen.

Nach dieser Vorschrift ist also auch die Wahrung der vorgeschriebenen Form Zulässigkeitsvoraussetzung für einen Einspruch.

Zur Form eines Einspruchs regelt § 357 Abs. 3 AO, dass bei der Einlegung der Verwaltungsakt, gegen den der Einspruch gerichtet ist, bezeichnet werden soll.

Diese Regelung ist indes nicht – wie der Prozessbevollmächtigte des Klägers anzudeuten scheint – so zu verstehen, dass nicht feststehen müsse, welcher bestimmte Verwaltungsakt angefochten werden soll (vgl. Bundesfinanzhof-BFH-Urteil vom 5. März 1987 VII R 29/84, BStBl II 1987, 413; Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung. Kommentar, § 357 AO Rdnr. 14). Allerdings lässt es § 357 Abs. 3 Satz 1 AO für einen rechtswirksamen Rechtsbehelf genügen, wenn sich aus dem Inhalt der ...

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