Entscheidungsstichwort (Thema)
Entsprechende Anwendbarkeit der Steuervergünstigung nach § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG bei vollständiger, teils unmittelbarer, teils mittelbarer Änderung des Gesellschafterbestandes i.S. des § 1 Abs. 2a GrEStG
Leitsatz (redaktionell)
Überträgt eine zu 99 % unmittelbar und zu 1 % mittelbar über eine GmbH an einer grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligte Kapitalgesellschaft im Rahmen einer Ausgliederung die Beteiligungen an der Personengesellschaft und der GmbH vollständig auf eine andere Personengesellschaft, an der sie ebenfalls zu 100 % beteiligt ist, so ist der nach § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG steuerbare Gesellschafterwechsel bei der grundbesitzenden Personengesellschaft zu 100 % steuerfrei. Sowohl auf die unmittelbare Übertragung von 99 v.H. der Anteile an der grundbesitzenden Personengesellschaft als auch auf die mittelbare Übertragung von 1 v.H. der Anteile an der grundbesitzenden Personengesellschaft und den dadurch jeweils fingierten Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG ist die Steuervergünstigung des § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG entsprechend anwendbar.
Normenkette
GrEStG § 1 Abs. 2a S. 1, § 6 Abs. 3 S. 1, Abs. 1 S. 1
Nachgehend
Tenor
1. Unter Änderung des Grunderwerbsteuerbescheids vom 22. Februar 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. Mai 2007 wird die Grunderwerbsteuer auf 0 EUR festgesetzt.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Beklagte die Steuervergünstigung des § 6 Abs. 3 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) zu Recht nicht in vollem Umfang gewährt hat.
I.
An der grundbesitzenden Klägerin (GmbH & Co KG) war die X-AG zu 99 v.H. beteiligt. Den verbleibenden Anteil von 1 % hielt die S GmbH. 100 v.H. der Anteile an der S GmbH hielt die X-AG.
Mit notariellem Ausgliederungs- und Übernahmevertrag vom 29. Juni 2001 nahm die X-AG hinsichtlich ihrer Beteiligung an der Klägerin eine Umstrukturierung gem. § 123 Abs. 3 Nr. 1 des Umwandlungsgesetzes (UmwG) vor. Die X-AG übertrug ihrer 100%igen Tochtergesellschaft, der X-KG, sowohl ihren unmittelbaren Anteil von 99 v.H. an der Klägerin, als auch ihren Anteil von 100 v.H. an der S GmbH. Die X-AG übertrug damit 99 v.H. der Anteile an der Klägerin unmittelbar und 1 v.H. der Anteile mittelbar auf die X-KG als neue Gesellschafterin. Die beurkundeten Vorgänge wurden am 16. November 2001 ins Handelsregister eingetragen.
Der Beklagte (das Finanzamt – FA –) sah in der Ausgliederung von 99 v.H. der Anteile an der Klägerin unmittelbar und 1 v.H. der Anteile mittelbar auf die X-KG eine vollständige Anteilsübertragung auf einen neuen Gesellschafter und damit den Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG als erfüllt an.
Der Grundbesitzwert der zum Vermögen der Klägerin gehörenden Grundstücke wurde für Zwecke der Grunderwerbsteuer vom Finanzamt B auf 97.952.000 DM festgestellt.
Mit Bescheid vom 22. Februar 2005 setzte das FA Grunderwerbsteuer in Höhe von 17.528,62 EUR (3,5 % aus 979.520 DM) gegen die Klägerin fest. Die Steuerbefreiung gem. § 6 Abs. 3 GrEStG wurde nur in Höhe des von der X-AG vor der Ausgliederung unmittelbar gehaltenen Anteils an der Klägerin von 99 v.H. gewährt.
Mit Einspruch vom 3. Mai 2005 begehrt die Klägerin die völlige Steuerfreistellung des Erwerbsvorgangs gem. § 6 Abs. 3 GrEStG.
Mit Einspruchsentscheidung vom 3. Mai 2007 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück.
Zur Begründung der Klage vom 5. Juni 2007 trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, auch der Anteil der mittelbaren Anteilsübertragung i.H.v. 1 v.H. sei nach § 6 Abs. 3 GrEStG steuerfrei. Zum einen habe sich hinsichtlich des Anteils i.H.v. 1 v.H. der S GmbH an der Klägerin durch die Ausgliederung keine unmittelbare Änderung in den Beteiligungsverhältnissen der Klägerin ergeben, die S GmbH sei vor und nach der Ausgliederung an der Klägerin mit einem Anteil von 1 v.H. beteiligt. Für Zwecke des § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG könne nicht durch die S GmbH als unmittelbar Beteiligte durchgegriffen werden, eine grunderwerbsteuerliche Transparenz wie bei Personengesellschaften existiere hier nicht. Selbst wenn man aber der Auffassung der Literatur in den Kommentaren von Boruttau und Hofmann folge, dass durch die S GmbH durchgegriffen werden könne, käme man im Streitfall trotzdem zu dem Ergebnis, dass der Erwerbsvorgang zu 100 v.H. steuerbefreit sei. Aufgrund der grunderwerbsteuerlichen Transparenz der X-KG sei dann konsequenterweise davon auszugehen, dass die X-AG vor und nach der Anteilsübertragung relevanter Gesamthänder gewesen sei. Das im Kommentar Boruttau (16. Auflage, § 6 Rz. 27d) zur mittelbaren Anteilsübertragung angeführte Beispiel sei mit dem Streitfall nicht identisch.
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