rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Veräußerung einer Eigentumswohnung gegen Forderungsverzicht gegenüber einem Dritten. Bewertung der Forderung mit dem Nennwert trotz Zahlungsunfähigkeit des Schuldners
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei Veräußerung einer Eigentumswohnung bemisst sich die Grunderwerbsteuer auch dann nach dem Wert der vereinbarten Gegenleistung, wenn diese den Verkehrswert der Immobilie erheblich übersteigt.
2. Unter den Begriff der Gegenleistung i. S. d. §§ 8, 9 GrEStG fallen auch Leistungen, zu denen sich der Erwerber einem Dritten gegenüber verpflichtet hat.
3. Der Forderungsverzicht gegenüber einer vom Veräußerer beherrschten Kapitalgesellschaft ist mit dem Nennwert der Forderung zu bewerten, wenn zwar die Leistungsfähigkeit der Gesellschaft selbst aufgrund eines laufenden Insolvenzverfahrens zweifelhaft ist, der Erwerber jedoch daneben auch die Möglichkeit gehabt hätte, den leistungsfähigen Veräußerer oder seine Angehörigen in Anspruch zu nehmen.
Normenkette
GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1; BewG § 12 Abs. 1 S. 1
Nachgehend
Tenor
1. Der Grunderwerbsteuerbescheid vom 5. März 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. Juni 2005 wird dahingehend abgeändert, dass die Grunderwerbsteuer i.H.v. 12.304,00 EUR festgesetzt wird.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 89 % und der Beklagte zu 11 %.
4. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Grunderwerbsteuerbescheids.
Mit notariellem Vertrag vom 24. Januar 2003 erwarb der Kläger von M.S. (im Folgenden: Veräußerer) die Eigentumswohnung Nr. 58 samt Tiefgaragenstellplatz Nr. 232 im J-Weg in A. Als Gegenleistung für die Übertragung des Eigentums war insbesondere vereinbart, dass der Kläger den Veräußerer selbst und dessen Anverwandte sowie die E-AG mit Sitz in G. von allen bis zum 24. Januar 2003 bestehenden Ansprüchen und Forderungen der B-GbR insbesondere gegenüber der E-AG freistellt. Zudem versicherte der Kläger, keinerlei weitere strafrechtliche und zivilrechtliche Schritte mehr gegen den Veräußerer, dessen Anverwandte und die E-AG vorzunehmen. Hintergrund des Vertrags vom 24. Januar 2003 war ein Urteil des Landgerichts M. vom 11. September 2002, wonach die E-AG der B-GbR einen Betrag i.H.v. 270.984,70 EUR zuzüglich 10,5 % Zinsen aus einem Betrag i.H.v. 296.548,29 EUR vom 1. September 2000 bis 21. November 2000 sowie 10,5 % Zinsen aus einem Betrag i.H.v. 270.984,70 EUR seit dem 22. November 2000 schuldete. Ferner bestand Einigkeit, dass die E-AG der B-GbR einen weiteren Betrag i.H.v. 10.538,94 EUR zuzüglich 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16. September 2002 schuldete. Am 2. September 2002 hatte die E-AG einen Insolvenzantrag gestellt. Am 15. Januar 2003 schlossen der Veräußerer als Alleininhaber der E-AG und der Kläger einen außergerichtlichen Vergleich, in dem sie sich zum Abschluss des o.g. notariellen Vertrags vom 24. Januar 2003 verpflichteten. Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wurde am 27. Januar 2003 zurückgenommen.
Am 5. März 2004 erließ der Beklagte (das Finanzamt – FA –) einen Grunderwerbsteuerbescheid, in dem die Grunderwerbsteuer für den Erwerbsvorgang vom 24. Januar 2003 i.H.v. 12.304,00 EUR festgesetzt wurde. Dieser Steuerfestsetzung legte das FA als Bemessungsrundlage den Wert der Gegenleistung gemäß dem notariellen Vertrag vom 24. Januar 2003 in Form des Forderungsverzichts einschließlich Zinsen i.H.v. 351.559,00 EUR zugrunde.
Mit Schreiben vom 9. März 2004 legte der Kläger hiergegen Einspruch ein.
Mit Einspruchsentscheidung vom 27. Januar 2005 setzte das FA die Grunderwerbsteuer auf 13.354,00 EUR herauf und wies den Einspruch des Klägers vom 9. März 2004 im Übrigen als unbegründet zurück. Die Erhöhung der Grunderwerbsteuer resultierte aus dem Umstand, dass das FA zuzüglich zur bisher zugrunde gelegten Bemessungsgrundlage i.H.v. 351.559,00 EUR weitere Forderungsverzichte i.H.v. 30.000,00 EUR hinzuschätzte. Am 6. Juni 2005 erließ das FA erneut eine Einspruchsentscheidung, in der die Grunderwerbsteuer wiederum i.H.v. 13.354,00 EUR festgesetzt und der Einspruch des Klägers vom 9. März 2004 im Übrigen als unbegründet zurückgewiesen wurde.
Mit Schriftsatz vom 7. Juni 2005 – bei Gericht eingegangen am 8. Juni 2005 – erhob der Kläger hiergegen Klage, die er im Wesentlichen wie folgt begründet: Zum einen seien die Forderungen der B-GbR gegenüber der E-AG zum Zeitpunkt des Verzichts rechtlich und tatsächlich wertlos gewesen, da bereits am 2. September 2002 – und damit noch vor dem Ergehen des Urteils des Landgerichts M. vom 11. September 2002 ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahr...