Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuerliche Durchschnittsbesteuerung nach § 24 UStG auch für einen im Ausland ansässigen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zulässig
Leitsatz (redaktionell)
Der Anwendung des – unionsrechtskonform auszulegenden – § 24 UStG steht nicht entgegen, dass ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb im Ausland ansässig ist (im Streitfall: Verkauf selbst erzeugter Produkte durch einen in Österreich ansässigen Ziegenhalter auf einem Wochenmarkt im Inland). Weder dem Wortlaut noch dem Gesetzeszweck noch der Entstehungsgeschichte des § 24 UStG noch den unionsrechtlichen Regelungen der Art. 295 ff. MwStSystRL lässt sich eine Beschränkung der Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger auf im Inland ansässige land- und forstwirtschaftliche Unternehmen entnehmen.
Normenkette
UStG § 1a Abs. 3 Nrn. 1-2, § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, Sätze 3-4; MwStSystRL Art. 295 Abs. 1 Nrn. 1, 4, Art. 296 Abs. 1-2, Art. 305
Nachgehend
Tenor
1. Der Umsatzsteuerbescheid 2018 vom 5. August 2019 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 10. September 2019 und der Einspruchsentscheidung vom 17. Oktober 2019 wird aufgehoben.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Klägerin ist Landwirtin. Ihr land- und forstwirtschaftlicher Betrieb mit Viehbestand (Ziegen) befindet sich in Österreich. Die Klägerin wird in Österreich als pauschalbesteuerte Landwirtin geführt (§ 22 Umsatzsteuergesetz Österreich). Sie verkaufte (erstmals) im Streitjahr 2018 selbst erzeugte Produkte aus eigener Ziegenhaltung auf einem Wochenmarkt in A (Inland).
In der am 29. April 2019 beim Beklagten (Finanzamt) eingereichten Umsatzsteuererklärung errechnete die Klägerin eine Umsatzsteuer von 0 EUR für das Jahr 2018. Sie erklärte steuerpflichtige Umsätze nach § 24 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in Höhe von 13.145 EUR, für die keine Steuer zu entrichten sei. Die Umsatzsteuererklärung führte zu einer Festsetzung der Umsatzsteuer unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Mit Änderungsbescheid vom 5. August 2019 setzte das Finanzamt die Umsatzsteuer auf 920,15 EUR fest. Dabei ging es davon aus, dass die Voraussetzungen für eine Besteuerung der Umsätze der Klägerin im Inland nach Durchschnittssätzen gemäß § 24 UStG nicht vorliegen. Es unterwarf die von der Klägerin erklärten Umsätze in Höhe von 13.145 EUR dem ermäßigten Steuersatz von 7 %.
Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein. Mit Änderungsbescheid vom 10. September 2019 setzte das Finanzamt die Umsatzsteuer auf 859,95 EUR herab. Dabei ging es nunmehr davon aus, dass es sich bei dem von der Klägerin erklärten Umsätzen von 13.145 EUR um einen Bruttobetrag handele und die Umsatzsteuer von 7% herauszurechnen sei. Im Übrigen blieb der Einspruch der Klägerin erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 17. Oktober 2019). Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die Besteuerung nach § 24 UStG einen im Inland belegenen landwirtschaftlichen Betrieb voraussetze. Diese Auslegung sei unionskonform. Nach Art. 295 Abs. 1 Nr. 2 der Richtlinie des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem 2006/112/EG – Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) sei ein „land-, forst- oder fischwirtschaftlicher Betrieb ein Betrieb, der in den einzelnen Mitgliedstaaten im Rahmen der in Anhang VII genannten Erzeugertätigkeiten als solcher gilt”. Ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb i.S. des § 24 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 UStG liege somit nur vor, wenn der Unternehmer in diesem Mitgliedstaat eine Erzeugertätigkeit i.S. des Anhang VII der MwStSystRL ausübe. Im vorliegenden Fall übe die Klägerin unstreitig in Österreich eine solche Erzeugertätigkeit aus, nicht aber im Inland. Die Anwendung des § 24 UStG sei somit nicht möglich.
Das Verbringen der Ware von Österreich nach Deutschland stelle grundsätzlich einen steuerpflichtigen innergemeinschaftlichen Erwerb nach § 1a Abs. 2 UStG dar, soweit die Ware in Deutschland veräußert werde. Der Ausnahmetatbestand des § 1a Abs. 3 Nr. 1 Buchst. c UStG greife nicht, da dieser die Verwendung der Ware für Umsätze, für die die Steuer nach den Durchschnittssätzen des § 24 UStG festgesetzt sei, voraussetze. Da die Steuer für den innergemeinschaftlichen Erwerb gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG als Vorsteuer abziehbar sei, ergebe sich jedoch insoweit keine Beschwer für die Klägerin, so dass von einer weiteren Änderung des Umsatzsteuerbescheids für 2018 abgesehen werde.
Die Klägerin begründet ihre hiergegen gerichtete Klage wie folgt:
§ 24 UStG setze lediglich voraus, dass Umsätze im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebs ausgeführt werden. Eine Beschränkung nur auf Umsätze eines inländischen Betriebs ...