rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Zinsen für die vollumfängliche Aussetzung der Vollziehung von Erbschaftsteuer bei nur teilweisem Erfolg des Einspruchs gegen den Erbschaftsteuerbescheid und nachträglicher Geltendmachung einer gegen den Willen der Steuerpflichtigen gewährten überhöhten Aussetzung der Vollziehung
Leitsatz (redaktionell)
1. Wurde gegen die Besteuerung eines Pflichtteilsanspruchs in einem Erbschaftsteuerbescheid Einspruch eingelegt sowie Aussetzung der Vollziehung beantragt, weil die Höhe des Pflichtteilanspruches „vollkommen offen” sei, so begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, wenn das FA diesen Sachvortrag der Klägerin als den gesamten Steueranspruch umfassenden Einspruch sowie Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz verstanden und im Umfang der gesamten festgesetzten Erbschaftsteuer Aussetzung der Vollziehung gewährt hat. Das gilt umso mehr, wenn die Steuerpflichtige dem FA keinerlei betragsmäßigen Anhaltspunkte für die Höhe ihres erbschaftsteuerrechtlichen Erwerbes gegeben und ihr Bevollmächtigter ausdrücklich die Aussetzung der Vollziehung in voller Höhe unter Hinweis auf angeblich unterlassenes rechtliches Gehör ausdrücklich für angezeigt gehalten hat.
2. Hat der Einspruch gegen den Erbschaftsteuerbescheid letztendlich zu einer Reduzierung der Erbschaftsteuer geführt, ist die Festsetzung von Aussetzungszinsen auf Basis der letztendlich verbleibenden Erbschaftsteuerforderung nicht zu beanstanden.
3. Für die Höhe des nach § 237 AO zu verzinsenden Steuerbetrages ist allein entscheidend, in welcher Höhe das FA tatsächlich Aussetzung der Vollziehung gewährt hat und in welchem Umfang der Einspruch letztendlich im Ergebnis Erfolg gehabt hat. Die Festsetzung von Zinsen nach § 237 AO hängt grundsätzlich nicht davon ab, ob die Vollziehung des angefochtenen Steuerbescheides zu Recht oder zu Unrecht oder ggf. teilweise entgegen dem Willen des Steuerpflichtigen ausgesetzt oder aufgehoben worden ist. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass der Steuerpflichtige im Falle einer aus seiner Sicht überhöht gewährten Aussetzung der Vollziehung durch Anfechtung der Aussetzung der Vollziehung bzw. durch freiwillige Zahlung des ausgesetzten Steuerbetrags jederzeit einer Verzinsung entgegenwirken kann.
3. Nach dem BFH-Urteil v. 31.8.2011 – X R 49/09 darf die Finanzbehörde im Falle eines in vollem Umfange erfolgreichen Rechtsbehelfes auch dann keine Aussetzungszinsen festsetzen, wenn sie rechtsirrig einen zu hohen Betrag von der Vollziehung ausgesetzt hat. Die Entscheidung ist keinesfalls in dem Sinne zu verstehen, dass eine rechtsirrig überhöhte Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes generell ein Rechtshindernis für die Festsetzung von Aussetzungszinsen darstellt.
Normenkette
AO §§ 233, 237 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1, § 238 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 361 Abs. 2 Sätze 1-2
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
3. Die Revision zum Bundesfinanzhof wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Festsetzung von Zinsen für die Aussetzung der Vollziehung von Erbschaftsteuer.
Der Ehemann der Klägerin, …, (im weiteren Erblasser) verstarb am 15. Juli 2010. Die Klägerin erhielt aus dessen Nachlass einen Pflichtteilsanspruch. Alleinerbe des Erblassers wurde deren gemeinsamer Sohn B. Da die genaue Höhe des geltend gemachten Pflichtteilsanspruches der Klägerin zunächst noch nicht feststand, schätzte der Beklagte diesen anhand des ihm näherungsweise bekannten Wertes des Nachlasses auf 3.000.000 EUR und setzte dementsprechend gegen die Klägerin mit Erbschaftsteuerbescheid vom 22. Februar 2013 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 der Abgabenordnung – AO –) Erbschaftsteuer in Höhe von 490.270 EUR fest. Außer dem bezeichneten Wert des Erwerbes berücksichtigte der Beklagte zu Lasten der Klägerin einen Vorerwerb im Wert von 353.500 EUR sowie zu deren Gunsten einen persönlichen Freibetrag von 500.000 EUR sowie den besonderen Versorgungsfreibetrag von 256.000 EUR. Nach Anwendung des Steuersatzes von 19% gemäß Steuerklasse I ergab sich eine tarifliche Erbschaftsteuer in Höhe von 493.525 EUR, von der der Beklagte die auf den Vorerwerb entfallende Erbschaftsteuer von 3.255 EUR zum Abzug brachte.
Mit Schreiben vom 11. März 2013, das am 23. März 2013 beim Beklagten einging, legte die Klägerin durch ihren steuerlichen Vertreter – den Prozessbevollmächtigten im vorliegenden Verfahren – gegen den Steuerbescheid Einspruch ein und beantragte dessen Aussetzung von der Vollziehung. Zur Begründung ihrer Rechtsbehelfe trug die Klägerin darin vor, dass die Höhe ihres Pflichtteilsanspruches zum damaligen Zeitpunkt noch „vollkommen offen” wäre und ihr zudem mangels Bezahlung desselben zur Begleichung der Steuerschuld auch keine finanziellen Mittel zur Verfügung ständen. Aus diesem Grund stellte sie beim Beklagten auch zeitgleich einen Stundungsantrag. Diesen Sachvortrag wiederholte sie schließlich in dem weiteren Schreiben ihres steuerlichen Vertreters an den Bekl...