Entscheidungsstichwort (Thema)

Zu Lebzeiten der Erblasserin von der Erbin erbrachte Hilfe- und Pflegeleistungen als Nachlassverbindlichkeiten

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Das Versprechen der Erblasserin, die (spätere) Erbin als Ausgleich für Hilfe- und Pflegeleistungen zur Alleinerbin einzusetzen, führt beim Tod der Erblasserin für die Erbin zu Nachlaßverbindlichkeiten i.S. des § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG 1974, wenn die Erbin die Verstorbene nicht nur im Rahmen eines bloßen Gefälligkeitsverhältnisses, sondern im Rahmen eines Dienstleistungsverhältnisses gepflegt hat, das ihr Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen gab.

2. Hinsichtlich der Höhe der durch die Hilfe- und Pflegeleistungen entstandenen, als Nachlassverbindlichkeiten abziehbaren Aufwendungen trägt die Erbin die volle Beweis- und Feststellungslast (im Streitfall: Schätzung des FG auf der Grundlage einer von der Erbin vorgelegten, keine urlaubs- oder krankheitsbedingten "Fehlzeiten" berücksichtigenden Aufstellung unter Abzug eines Sicherheitszuschlags von 1/3).

 

Normenkette

AO 1977 § 162; BGB §§ 612, 670, 675; ErbStG 1974 § 10 Abs. 5 Nr. 1

 

Gründe

I.

Streitig ist, ob Pflegeleistungen der durch Testament eingesetzten Erbin steuermindernd zu berücksichtigen sind.

Die am 17.9.1995 verstorbene ... (Erblasserin = Erblin) wurde aufgrund not. Testaments vom 5.4.1995 (Bl. 5 FA-Akte) von der Klägerin (Klin) allein beerbt. In Tz. III wird insoweit ausgeführt: „Die Erbeinsetzung erfolgt als Dank für die jahrelange Hilfe und Pflege.”

Mit Erbschaftsteuerbescheid vom 12.4.1996 (Bl. 23 FA-Akte) setzte der Beklagte (Finanzamt = FA) gegen die Klin unter Berücksichtigung eines Pflegepauschbetrags von 2.000 DM aus einem steuerpflichtigen Erwerb von 37.500 DM Erbschaftsteuer in Höhe von 7.500 DM fest.

Mit ihrem Einspruch machte die Klin geltend, die Erbeinsetzung sei entsprechend einem mündlich geschlossenen Vertrag als Gegenleistung für die seit 1981 geleisteten Hilfs- und Pflegedienste erfolgt.

In einer Erklärung vom 29.5.1996 (Bl. 54 FA-Akte) führte der Ehemann der Klin aus, diese habe ihm im August 1981 erzählt, daß die Erblin bereit sei, die Klin als Alleinerbin einzusetzen, wenn sie dafür bis zum Tode der Erblin Hilfe und Pflege leisten würde. Nach einer Rücksprache mit der Erblin habe er dem zugestimmt. Die Erblin habe sich ihm gegenüber mehrfach für die Leistungen der Klin bedankt und versichert, daß sie diese zur Alleinerbin eingesetzt habe.

In einer Erklärung vom 29.5.1996 (Bl. 55 FA-Akte) führte der Schwager der Klin, Herr Y, aus er sei im Februar 1995 mit der Erblin und der Klin zusammengetroffen. Die Erblin habe hierbei erzählt, daß sie an ihrem 70. Geburtstag (am 21.8.1981) mit der Klin vereinbart habe, diese zur Alleinerbin einzusetzen, wenn sie bis zum Tode unterstützt und nach Bedarf gepflegt werde. Diese Verpflichtung habe die Klin stets erfüllt. Die Erblin habe weiter ausgeführt, daß sie bereits im Jahre 1981 ein entsprechendes Testament verfaßt habe, das sie jedoch jetzt in eine unangreifbare Form bringen und noch verschiedene Vermächtnisse anordnen wolle. Er habe sich auf Bitten der Erblin und der Klin bereit erklärt, nach Klärung der Frage der Erbeinsetzung das Entgelt für Hilfe und Pflege abzuklären und einen Entwurf für ein geeignetes notarielles Testament zu verfassen. Diesen Entwurf habe er Ende März 1995 der Klin am Telefon diktiert.

Die Klin legte eine Kopie dieses von ihr gefertigten und von der Erblin am 3.4.1995 unterschriebenen Entwurfs (Bl. 40 FA-Akte) vor. In diesem ist vorgesehen, daß die Klin Alleinerbin „für die langjährigen Hilfs- und Pflegedienste” sein soll.

Die Klin ermittelte den nach ihrer Auffassung berücksichtigungsfähigen Pflegeaufwand wie folgt:

Zeitraum 1.10.1981 bis 31.1.1987:

Fahrten: jeweils 30 km/Woche

1.9.1981 – 31.12.1982:

0,36 DM/km, 65 Wochen

745,20 DM

1.1.1983 – 31.1.1987:

0,42 DM/km, 213 Wochen

2.683,80 DM

Mahlzeiten: 1 × pro Woche, je 10 DM, 278 Wochen

2.780,– DM

Zeitraum 1.2.1987 – 31.7.1992:

Fahrten: jeweils 40 km/Woche

1.2.1987 – 31.12.1990:

0,42 DM/km, 204 Wochen

3.427,20 DM

1.1.1991 – 31.7.1992:

0,58 DM/km, 82 Wochen

1.902,40 DM

Mahlzeiten: 3 × pro Woche á 10 DM, 286 Wochen

8.580,– DM

Zeitraum 1.8.1992 – 1.9.1995:

Fahrten: jeweils 90 km/Woche

1.8.1992 – 31.12.1992:

0,58 DM/km, 22 Wochen

1.148,40 DM

1.1.1993 – 31.12.1993:

0,65 DM/km, 52 Wochen

3.042,– DM

1.1.1994 – 31.8.1995:

0,70 DM/km, 87 Wochen

5.481,– DM

Mahlzeiten: 7 × pro Woche, je 10 DM, 161 Wochen

11.270,– DM

Gesamt:

41.060,– DM

Mit Einspruchsentscheidung vom 16.7.1996 (Bl. 64 FA-Akte), auf die vorab Bezug genommen wird, wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück. Das FA vertrat die Auffassung, daß die geltend gemachten Erwerbskosten von zusammen 41.060 DM nicht die Voraussetzungen von Nachlaßverbindlichkeiten i. S. des § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG erfüllten, weil die Klin gegen die Erblin keine Forderung aus einem Arbeitsvertrag, Dienstvertrag, Geschäftsbesorgungsvertrag oder aus einem sonstigen Austauschverhältnis gehabt habe, die diese zu Lebzeiten noch nicht erfüllt hat...

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