rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Duldung der Zwangsvollstreckung
Leitsatz (redaktionell)
1. Aus einem öffentlich-rechtlichen Duldungsbescheid des FA, der mehrere Steuerschulden und Veranlagungszeiträume betrifft, muss hervorgehen, für welche einzelne Steuerschuld die Duldungspflicht bestehen soll. Dies erfordert eine Angabe der Steuer, deretwegen die Anfechtung erfolgt und eine Aufgliederung nach Art, Betrag und Erhebungszeitraum.
2. Enthält eine Einspruchsentscheidung für den Einspruchsführer nachteilige Änderungen und hat das FA auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung nach § 367 Abs. 2 Satz 2 AO nicht hingewiesen, liegt ein wesentlicher Verfahrensmangel vor, der zur Aufhebung der Einspruchsentscheidung nach § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO führt.
Normenkette
AO §§ 119, 367 Abs. 2 S. 2, § 191 Abs. 1; AnfG §§ 6, 14, 11; FGO § 100 Abs. 1 S. 1
Tenor
1. Der Duldungsbescheid vom 14. Oktober 1999 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 20. November 2001 wird aufgehoben.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen die Rechtmäßigkeit des Duldungsbescheides vom 14.10.1999 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 20.11.2001, mit dem der Beklagte (das Finanzamt – FA –) den Kläger auf Duldung der Zwangsvollstreckung in Forderungen der M (M-GmbH) in Anspruch nimmt, die der Kläger durch Aufrechnung mit eigenen Forderungen zum Erlöschen gebracht hat.
Gegenstand des Unternehmens der Firma M-GmbH war der Vertrieb von Computersystemen und die Realisierung von Hard- und Softwarelösungen für die industriellen Computeranwender und Großabnehmer. Mit Beschluss vom 06.05.1999 des Amtsgerichts – Insolvenzgericht – wurde die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die Firma M-GmbH abgewiesen, da keine die Kosten des Verfahrens deckenden Masse vorhanden war. Die Eintragung in das Handelsregister erfolgte am 27.07.1999.
Am 14.10.1999 erließ das FA gegen den Kläger einen Duldungsbescheid gemäß § 191 Abgabenordnung (AO) i.V.m. §§ 6 und 14 des Gesetzes betreffend die Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Insolvenzverfahrens in der Fassung vom 05.10.1994 (Anfechtungsgesetz – AnfG –). In dem Bescheid war unter anderem ausgeführt, die Firma M-GmbH schulde der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Freistaat Bayern, vertreten durch den Vorsteher des Finanzamts, Abgaben in Höhe von 1.460.902,41 DM. Diese Steuern seien vollstreckbar. Der M-GmbH stünden gegen den Kläger gemäß der Summen- und Saldenliste zum 31.10.1998 Forderungen in Höhe von insgesamt 779.710,62 DM zu. Der Kläger war der Ansicht, dass ihm gegen die M-GmbH Forderungen aus Tantieme-Ansprüchen für 1995 und 1996 in Höhe von 112.100 DM, sowie aus Vorsteuerkürzungen in Höhe von 223.500 DM und 270.968,82 DM zustünden und rechnete in Höhe von 606.568,82 DM auf.
Das Finanzamt war in dem oben genannten Duldungsbescheid vom 14.10.1999 der Ansicht, dass ein Nachweis über die Existenz und die Berechtigung dieser Forderungen trotz ausdrücklicher Aufforderung seitens des Klägers nicht erbracht worden sei. Wegen der in dem Bescheid bezeichneten Abgaben hat es deshalb die oben genannten Aufrechnungen gemäß §§ 6 und 14 AnfG i.V.m. § 191 AO angefochten und gegen den Kläger in dem Duldungsbescheid den gesetzlichen Rückgewährsanspruch nach § 11 AnfG in Höhe von 606.568,82 DM geltend gemacht.
Der Duldungsbescheid vom 14.10.1999 war mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen. Eine Anlage war dem Bescheid nicht beigefügt. In dem Bescheid erfolgte keine Aufgliederung der geschuldeten Abgaben in Höhe von 1.460.902,41 DM nach Art, Betrag und Erhebungszeitraum.
Den hiergegen mit Schreiben vom 10.11.1999 eingelegten Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 20.11.2001 als unbegründet zurück. In der Einspruchsentscheidung führte das FA unter anderem aus, dass die M-GmbH dem Finanzamt insgesamt 1.716.649,48 DM an Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer, Zinsen, Solidaritätszuschlägen und den darauf entfallenden Säumniszuschlägen schuldet.
Mit der anschließend am 12.12.2001 erhobenen Klage macht der Kläger geltend, dass die fraglichen Forderungen in Höhe von 606.568,82 DM durch Aufrechnung bereits wirksam erloschen sind. Insbesondere seien die fraglichen Forderungen durch Aufrechnung vor Zustellung der Pfändung und Einziehungsverfügung vom 27.11.1998, mit der Forderungen der M-GmbH gegen den Kläger in Höhe von 896.030,20 DM durch das FA gepfändet worden seien, erloschen. Im Rahmen des Klageverfahrens wurden die Aufrechnungserklärungen vom 05., 13. und 10.10.1998 sowie vom 16.06.1996 vorgelegt. Weiter habe das FA die Forderungen unrichtig berechnet, gegen den Kläger verbleibe lediglich ein Restanspr...