Entscheidungsstichwort (Thema)
Nutzungspflicht des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs (beSt) für Steuerberater und Steuerberatungsgesellschaften ab dem 1.1.2023 auch bei Anbringung der Klage beim Finanzamt nach § 47 Abs. 2 Satz 1 FGO
Leitsatz (redaktionell)
1. Steuerberater sowie Steuerberatungsgesellschaften, die als Berufsausübungsgesellschaften in das bei der Bundessteuerberaterkammer nach § 86b StBerG geführte amtliche Steuerberaterverzeichnis eingetragen sind, sind seit dem 1.1.2023 verpflichtet, für Schriftsätze und Anträge an ein Finanzgericht das besondere elektronische Steuerberaterpostfach (beSt) zu nutzen. Das gilt auch für eine nach § 47 Abs. 2 Satz 1 FGO zulässige Klageeeinreichung beim Finanzamt; eine beim Finanzamt per Fax eingelegte Klage ist unwirksam.
2. Die vorübergehende Unmöglichkeit der Einreichung der Klage per beSt aus technischen Gründen ist nicht unverzüglich im Sinne des § 52d Satz 4 FGO geltend gemacht worden, wenn sie erst fast vier Monate später vorgetragen worden ist; die Ersatzeinreichung durch Fax an das Finanzamt ist daher unwirksam.
3. Eine Rechtsbehelfsbelehrung in einer Einspruchsentscheidung des Finanzamts ist auch dann nicht unrichtig im Sinne des § 55 Abs. 2 Satz 1 FGO, wenn sie nicht ausdrücklich darauf hinweist, dass die verpflichtende Übermittlung elektronischer Dokumente durch Steuerberater auch bei der Anbringung der Klage beim Finanzamt gilt. In einer Rechtsbehelfsbelehrung kann nicht auf sämtliche Modalitäten hingewiesen werden.
4. Bei einer vorübergehenden technischen Störung des beSt ist eine etwaige fehlende beziehungsweise fehlerhafte Kenntnis der sich aus § 52d FGO ergebenden Rechtslage für Angehörige der rechts- und steuerberatenden Berufe im Hinblick auf eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht entschuldbar (vgl. BGH, Beschluss v. 15.12.2022, III ZB 18/22).
Normenkette
FGO § 47 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1, § 52a Abs. 4 S. 1 Nr. 2, § 52d Sätze 1-3, § 55 Abs. 1, § 56 Abs. 1, § 62 Abs. 2 S. 1; StBerG § 86b
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger legte gegen den Einkommensteuerbescheid 2018 vom 5. Januar 2021 Einspruch ein. Der Beklagte, das Finanzamt, hat mit Einspruchsentscheidung vom 30. Mai 2023 die Einkommensteuer für das Streitjahr 2018 auf 15.966 EUR erhöht. Die Absetzung für Abnutzung bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung erkannte es nur i.H.v. 626 EUR an. Die Einspruchsentscheidung wurde der Prozessbevollmächtigten, der M-UG (hb) Steuerberatungsgesellschaft, laut Postzustellungsurkunde am 2. Juni 2023 zugestellt. In der Rechtsbehelfsbelehrung der Einspruchsentscheidung vom 30. Mai 2023 heißt es, dass die Klage schriftlich oder als elektronisches Dokument eingereicht oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erklären sei. Weiter wird bezüglich der Frist darauf hingewiesen, dass die Frist für die Erhebung der Klage als gewahrt gelte, wenn die Klage bei dem Finanzamt innerhalb der Frist angebracht oder zu Protokoll gegeben werde. Es wird ergänzt: „Die Voraussetzungen zur elektronischen Einreichung regelt § 52a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Zur verpflichtenden Übermittlung elektronischer Dokumente siehe § 52d FGO.”
Hiergegen erhob der Kläger, vertreten durch die Prozessbevollmächtigte, per Telefax am 28. Juni 2023 Klage, welche die Prozessbevollmächtigte an das Finanzamt adressierte und faxte. Das Finanzamt leitete das Fax per Post weiter an das Finanzgericht München, wo es am 12. Juli 2023 einging.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 17. Juli 2023 wurde die Prozessbevollmächtigte darauf hingewiesen, dass Schriftsätze, Anträge und Erklärungen, die durch eine nach der FGO vertretungsberechtigte Person, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO zur Verfügung stehe, eingereicht werden, ab dem 1. Januar 2023 als elektronisches Dokument zu übermitteln sind und der Klageschriftsatz vom 28. Juni 2023 nicht auf diesem Weg elektronisch eingereicht wurde.
Mit Schreiben vom 28. August 2023 – über das besondere elektronische Steuerberaterpostfach (beSt) übermittelt – begründete der Kläger, vertreten durch die Prozessbevollmächtigte, seine Klage und bat in einem weiteren Schreiben darum, von der Nichtberücksichtigung der Formvorschriften ausnahmsweise abzusehen.
Mit Schreiben vom 25. Oktober 2023 beantragte der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und machte gleichzeitig geltend, dass es sich bei der Klageerhebung mittels Telefax um eine Ersatzeinreichung gehandelt habe, da das Kartenlesegerät ausgefallen sei. Gleichzeitig übermittelte er die Klageschrift vom 28. Juni 2023 ein weiteres Mal über beSt. Im Wiedereinsetzungsantrag trägt die Prozessbevollmächtigte vor, dass das Ausweis-Lesegerät bereits am Vortrag, dem 27. Juni 2023, nicht funktioniert habe, weil keine Verbindung zum Computer zustande gekommen sei. Eine kurzfristige Ausleihe eines Ersatzgeräts sowie der Versuch, einen IT-Spezialisten z...