FG München Urteil vom 29.09.2010 - 4 K 1849/07 (veröffentlicht am 25.11.2010)

rechtskräftig

Entscheidungsstichwort (Thema)

Widerruf der Anerkennung eines Lohnsteuerhilfevereins. Kostendeckungsprinzip

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Bescheid über den Widerruf der Anerkennung als Lohnsteuerhilfeverein ist rechtswidrig, wenn aufgrund der nach Erlass des Widerrufsbescheids geänderten Handhabung die Geschäftsprüfungen und Vorlage der Prüfungsberichte nunmehr fristgerecht erfolgen und die Rangrücktrittserklärung des Vorstands in Bezug auf Darlehensansprüche gegen den Verein sowie seiner Gehaltsverzichtsvereinbarung eine Überschuldung im insolvenzrechtlichen Sinn beseitigen.

2. Ein Lohnsteuerhilfeverein verstößt nicht nachhaltig und schuldhaft gegen das sog. Kostendeckungsprinzip, wenn sich der Vorstand offensichtlich um Stabilisierung der – aufgrund eines Mitgliederschwunds auch negativen – Vereinsergebnisse bemüht.

Normenkette

StberG § 20 Abs. 2 Nr. 3; StBerG §§ 22, 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 5; BGB § 42 Abs. 2 S. 1; InsO § 19 Abs. 2 S. 1, § 39

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit des von der Beklagten verfügten Widerrufs der Anerkennung der Klägerin als Lohnsteuerhilfeverein.

Die Klägerin ist ein Lohnsteuerhilfeverein im Sinn des § 13 Abs. 1 des Steuerberatungsgesetzes (StberG) und besteht bereits seit dem Jahr 1973. Im Vereinsregister des Amtsgerichts X ist seit jeher H, mit einer Wohnsitzangabe in …, als einziger Vorstand eingetragen. Seit dem Geschäftsjahr 2000 gingen zum einen die Mitgliederzahlen der Klägerin und dementsprechend deren Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen erheblich zurück und zum anderen wies die Klägerin seit dem 31.12.2000 – wie im Übrigen auch schon in den Geschäftsjahren vor 1992 – in ihren Vermögensaufstellungen jeweils einen Kapitalfehlbetrag aus. Ab dem Geschäftsjahr 2000 verminderte die Klägerin auch kontinuierlich ihre Personalaufwendungen, die im Wesentlichen in der Vergütung für H bestanden. Seit dem Geschäftsjahr 2008 wies die Klägerin ihre Personalkosten mit 0,– EUR aus. Im Einzelnen stellte sich die wirtschaftliche Situation der Klägerin wie folgt dar (bis 2001 in DM; ab 2002 in EUR):

Geschäftsjahr	Einnahmen (insb. Mitgliedsbeiträge)	Ausgaben	Davon: Personalkosten	Ergebnis (gerundet)	Vermögensaufstellung (Aktiva)	Vermögensaufstellung (Passiva)	Kapital	Anzahl der Mitglieder
1976	29.287	29.287	17.450	0	1.648	311	1.337
1977	33.580	33.580	18.600	0	3.007	0	3.007
1978	48.065	48.065	29.778	0	12.451	16.394	./. 3.943
1979	51.400	51.400	27.142	0	7.841	11.500	./. 3.659
1980	63.709	63.709	33.138	0	4.872	8.146	./. 3.274
1981	87.551	91.499	56.102	./. 3.948	4.098	9.702	./. 5.604
1982	111.144	97.894	58.229	13.250	2.381	4.082	./. 1.701
1983	108.617	106.097	58.134	2.520	23.219	29.095	./. 5.876
1984	93.834	100.493	51.648	./. 6.659	18.659	48.508	./. 29.849
1985	117.693	118.134	61.390	./. 441	6.883	38.745	./. 31.862
1986	103.194	107.683	61.935	./. 4.489	6.479	41.968	./. 35.489
1987	112.951	116.890	70.731	./. 3.939	5.141	47.530	./. 42.389
1988	124.060	119.620	71.034	4.440	12.221	39.928	./. 27.707
1989	134.696	126.980	73.571	7.716	12.672	34.942	./. 22.270
1990	141.574	139.339	88.655	2.235	9.719	23.827	./. 14.108
1991	147.050	141.633	84.497	5.417	14.822	23.504	./. 8.682
1992	151.029	154.859	96.206	./. 3.830	14.616	12.365	2.251
1993	151.466	148.536	86.789	2.930	8.841	5.419	3.422
1994	168.384	160.901	69.258	7.483	24.646	18.240	6.406
1995	176.271	167.350	96.140	8.921	24.813	19.142	5.671
1996	172.886	168.343	92.931	4.543	26.409	20.379	6.030
1997	163.656	155.601	82.364	8.055	50.399	36.488	13.911
1998	142.789	141.955	74.266	834	38.241	25.578	12.663
1999	124.521	132.644	62.649	./. 8.123	25.437	18.901	6.536
2000	71.334	86.968	47.117	./. 15.634	8.325	16.911	./. 8.586
2001	43.852	30.459	16.893	13.392	7.127	538	6.589	179
2002	13.570	16.862	13.080	./. 3.292	3.438	3.979	./. 541	103
2003	10.075	12.966	9.806	./. 2.890	3.255	7.433	./. 4.178	78
2004	8.990	8.998	5.454	./. 8	3.172	7.253	./. 4.081	67
2005	6.780	9.374	6.433	./. 2.594	2.489	9.068	./. 6.579	51
2006	5.870	6.216	3.494	./. 346	158	9.421	./. 9.263	42
2007	5.930	4.335	970	1.595	121	7.917	./. 7.796	39
2008	5.300	2.462	0	2.838	338	5.436	./. 5.098	36
2009	7.670	1.149	0	6.521	1.538	1.224	314	53

Die Passiva der Vermögensaufstellungen seit dem Geschäftsjahr 2000 enthalten u.a. Bankoder Darlehensverbindlichkeiten in folgender Höhe (bis 2001 in DM; ab 2002 in EUR):

Geschäftsjahr	Bankverbindlichkeit	Darlehensverbindlichkeit
2000	13.839	1.776
2001	0	0
2002	3.609	0
2003	7.116	0
2004	7.042	0
2005	8.953	0
2006	0	9.308
2007	0	7.827
2008	0	5.319
2009	0	0

Die nach den Vorschriften des StberG für Lohnsteuerhilfevereine vorgesehenen Geschäftsprüfungen wurden seit dem Geschäftsjahr 2001 vom Sohn des Vorstands der Klägerin – dem Prozessbevollmächtigten im vorliegenden Verfahren – durchgeführt. Die Zulässigkeit dieser Verfahrensweise ist Gegenstand des unter dem Aktenzeichen 4 K 795/07 gleichfalls beim Senat rechtshängigen Verfahrens. Die nach erfolgter Geschäftsprüfung für die Klägerin betreffend die Geschäftsjahre 2001 bis 2009 gefertigten Prüfungsberic...