Entscheidungsstichwort (Thema)
Aussetzung der Vollziehung; Rechtmäßigkeit der Festsetzung von Aussetzungszinsen
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Anfechtungsklage ist dann und insoweit endgültig erfolglos, wenn bzw. soweit sie durch unanfechtbare gerichtliche Entscheidung abgewiesen worden ist.
2. Die Rechtsprechung zu § 233a AO ist bei summarischer Beurteilung auf die Verzinsung nach § 237 AO übertragbar. Der Gesetzgeber hat in § 238 Abs. 1 AO einen einheitlichen Zinssatz vorgesehen. Zwar ist die Entstehung von Aussetzungszinsen durch Zahlung der festgesetzten Steuer stets vermeidbar, während dies für die Sollverzinsung nach § 233a nur in eingeschränktem Umfang gilt. Gleichwohl erscheint es zweifelhaft, ob dieser Gesichtspunkt ein hinreichender Grund wäre, die Aussetzungszinsen höher zu bemessen und vorrangig an den Sollzinsen auszurichten. Denn zum einen wird die AdV nur nach einer rechtlichen Vorprüfung gewährt und zum anderen würde eine typisierte Abgeltung des Liquiditätsvorteils, die deutlich über den Marktzinsen liegt, den Misserfolg des Rechtsbehelfs zusätzlich „bestrafen” und den erfolgreichen Rechtsbehelf zusätzlich „belohnen”.
Normenkette
AO §§ 238, 233a, 237
Nachgehend
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer Zinsfestsetzung wegen der gewährten Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuerbescheide 1995 bis 2004 bestehen.
Die Antragsteller sind verheiratet und wurden in den Jahren 1995 bis 2004 gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Gegen die Einkommensteuerbescheide für die vorgenannten Jahre hatten die Antragsteller Einspruch eingelegt und nachfolgend erfolglos Klage erhoben (Urteil des 15. Senats des Finanzgerichts Münster – FG Münster –, Az. 15 K 4697/08). Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Antragsteller hob der Bundesfinanzhof (BFH) das vorgenannte Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück (BFH-Beschluss vom 26.09.2011 VIII B 162/11). Im zweiten Rechtsgang wies der 14. Senat des FG Münster die Klage durch Urteil vom 29.07.2016 unter dem Az. 14 K 1859/13 ganz überwiegend ab. Die dagegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde verwarf der BFH durch Beschluss vom 10.05.2017 (Az. III B 134/16) als unzulässig. Am 05.07.2017 erließ der Antragsgegner geänderte Einkommensteuerbescheide für 1997, 2003 und 2004, mit welchen er das finanzgerichtliche Urteil vom 29.07.2016 umsetzte. Die Antragsteller legten gegen diese Änderungsbescheide jeweils Einspruch ein. Die nachfolgende Klage wies der erkennende Senat durch Urteil vom 16.05.2018 unter dem Az. 9 K 3687/17 ab (Urteilsverkündung am 16.05.2018, Zustellung an die Antragsteller am 16.07.2018, an den Antragsgegner am 19.07.2018). Über die dagegen von den Antragstellern am 03.08.2018 eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde VIII B 104/18 hat der BFH noch nicht entschieden.
Zuvor war während der Einspruchsverfahren bzw. der gerichtlichen Verfahren die Vollziehung der festgesetzten Einkommensteuer 1995 bis 2004 teilweise/zeitweise gem. § 361 der Abgabenordnung (AO) bzw. § 69 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ausgesetzt worden. Mit Bescheid vom 30.05.2018, auf den wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen wird, setzte der Antragsgegner gem. §§ 237 ff. AO Aussetzungszinsen bezogen auf die Einkommensteuer und den Solidaritätszuschlag 1995 bis 2004 i.H.v. insgesamt 61.305,45 € fest. Zur weiteren Begründung verwies er darauf, dass der BFH die Nichtzulassungsbeschwerde im Verfahren III B 134/16 zurückgewiesen habe. In seinen detaillierten Berechnungen ging der Antragsgegner u.a. davon aus, dass der Zinslauf vielfach am 10.08.2018 geendet habe, teilweise allerdings auch früher.
Die Antragsteller legten gegen diese Zinsfestsetzung fristgerecht Einspruch ein und stellten gleichzeitig einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung. Zur Begründung machte er geltend, der Zinssatz von 0,5 % pro Monat sei verfassungswidrig, und zwar bereits vor dem 01.04.2015. Außerdem seien die Daten der Zinszeiträume streitig, da belastbare Abrechnungsbescheide bislang nicht erstellt worden seien. Die mehrfach abgeänderten händisch erstellten Kontoauszüge seien wie nachgewiesen auch in der jeweils letzten Fassung fehlerhaft, da die Verrechnungen von Steuerguthaben und -verbindlichkeiten mangels Unterscheidung von Valuta- und Berechnungszeitpunkten nicht nachvollziehbar seien. Auf die nicht bearbeiteten Einspruchsverfahren zur Erteilung von Abrechnungsbescheiden für die Einkommensteuer 1995 bis 2004 ff. werde verwiesen.
Der Antragsgegner entsprach dem Aussetzungsantrag insoweit, als er im Hinblick auf den BFH-Beschluss vom 25.04.2018 IX B 21/18 (BStBl II 2018, 415) und das BMF-Schreiben vom 14.06.2018 (BStBl I 2018, 722) betreffend die etwaige Verfassungswidrigkeit des gesetzlichen Zinssatzes die Zinsfestsetzung für Zinszeiträume ab dem 01.04.2015 von der Vollziehung aussetzte. Im Übrigen lehnte er den weitergehenden Antrag ab, d.h. es verblieben danach nicht ausgesetzte Beträge i.H.v. 49.662,70 €.
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