Entscheidungsstichwort (Thema)
Entfallen des Rechtsschutzbedürfnisses durch vorläufige Steuerfestsetzung während des Klageverfahrens
Leitsatz (redaktionell)
Das für die Zulässigkeit der Klage erforderliche Rechtsschutzbedürfnis der Kläger entfällt entgegen der Auffassung des III. Senats des BFH, wenn das Finanzamt während des Klageverfahrens hinsichtlich der beschränkten Abzugsfähigkeit der Vorsorgeaufwendungen gemäß § 10 Abs. 3 EStG im Hinblick auf beim BFH anhängige "Musterverfahren", die qualitativ mit beim BVerfG anhängigen Verfahren zur Prüfung von verfassungsrechtlichen Streitigkeiten gleichzusetzen sind, die Steuerfestsetzung vorläufig vorgenommen hat.
Normenkette
AO 1977 § 165 Abs. 1 Sätze 2, 2 Nr. 3; EStG § 10 Abs. 3; AO 1977 § 165 Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Zu entscheiden ist, ob das für die Zulässigkeit der Klage erforderliche Rechtsschutzbedürfnis hier deshalb entfallen ist, weil das Finanzamt während des Klageverfahrens den angegriffenen Bescheid hinsichtlich der beschränkten Abzugsfähigkeit der Vorsorgeaufwendungen gemäß § 165 AO vorläufig erlassen hat.
Die Kläger (Kl.) sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Nachdem die Kl. gegen den Einkommensteuerbescheid vom 20.03.2000, mit dem die Einkommensteuer 1998 auf 79.598,00 DM festgesetzt worden war, wegen verschiedener hier nicht mehr streitiger Punkte Einspruch eingelegt hatten, setzte das Finanzamt in der Einspruchsentscheidung (EE) vom 19.04.2001 die Einkommensteuer 1998 auf 78.012,00 DM herab. Der als Anlage zur Einspruchsentscheidung ergangene Bescheid enthielt keine Vorläufigkeitsfestsetzung gemäß § 165 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) hinsichtlich der beschränkten Abziehbarkeit der Vorsorgeaufwendungen.
Mit der hiergegen am 14.05.2001 eingelegten Klage wenden sich die Kl. gegen den begrenzten Abzug der Vorsorgeaufwendungen für selbständig Tätige. Sie hätten Vorsorgeaufwendungen in Höhe von 42.460 DM geltend gemacht. Davon seien als lediglich 18.582 DM als abziehbar anerkannt worden. Die restlichen Beträge seien aufgrund der Regelung in § 10 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) entfallen. Im Ergebnis seien damit ihre Altersvorsorgeaufwendungen nicht berücksichtigt worden. Diese Höchstbetragsregelung lasse sich mit höherrangigem Recht nicht vereinbaren. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht sei einem Steuerpflichtigen zumindest derjenige Anteil an seinem Einkommen steuerfrei zu belassen, der zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein benötigt werde. Hierzu müssten insbesondere auch die Aufwendungen für eine angemessene Krankenversicherung gezählt werden. Diese würden sich bei ihnen bereits auf 8.024 DM belaufen. Unter Berücksichtigung der Höchstgrenzen in § 10 Abs. 3 EStG verbleibe somit für die Altersvorsorge lediglich ein Betrag in Höhe von 10.558 DM. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 20.08.1997 1 BvR 1523/88 HFR 1998, 397 seien von dem steuerfrei zu belassenen Existenzminimum auch diejenigen Aufwendungen erfasst, die erforderlich seien, um dem Steuerpflichtigen ein Existenzminimum im Alter, wenn er keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgehen könne, zu sichern. Der ihnen verbleibende Gesamtbetrag in Höhe von 10.558 DM reiche insoweit jedoch nicht aus. Danach stünden ihnen lediglich steuerfreie Beträge von monatlich rund 880 DM für den Aufbau einer Altersversorgung zur Verfügung. Hiermit ließe sich eine Altersversorgung für sie, die das Existenzminimum abdecken würde, nicht aufbauen. Die im Gesetz festgeschriebenen Höchstbeträge stünden in keinem Zusammenhang mit den tatsächlichen Vorsorgeaufwendungen eines Steuerpflichtigen. Dies lasse sich mit den Grundrechten, insbesondere mit Artikel 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) nicht vereinbaren. Sie würden daher anregen, eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach Artikel 100 Abs. 1 GG einzuholen. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe in dem Beschluss vom 23.01.2001 XI R 17/00 BStBl. II 2001, 346 verfassungsrechtliche Zweifel an der Sonderausgabenregelung geäußert und dem Bundesminister der Finanzen aufgefordert, dem Revisionsverfahren beizutreten.
Während des Klageverfahrens hat das Finanzamt (FA) am 04.09.2001 einen Einkommensteueränderungsbescheid 1998 erlassen und darin wegen der beschränkten Abzugsfähigkeit von Vorsorgeaufwendungen (§ 10 Abs. 3 EStG) den Bescheid gemäß § 165 Abs. 1 AO für vorläufig erklärt.
Im Hinblick hierauf meinen die Kl., mit diesem Änderungsbescheid sei das Verfahren nicht erledigt. Die festgesetzte Einkommensteuer habe sich nicht geändert. Gegenstand der Klage sei die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides, durch die sie in ihren Rechten verletzt seien. Die Vorläufigkeit des Bescheides betreffe die Änderbarkeit nicht seine Vollziehbarkeit.
Nachdem die Kl. im Klageverfahren zunächst beantragt haben, das Verfahren bis zur Entscheidung des BFH in dem Verfahren XI R 17/00 auszusetzen, meinen sie nu...