Entscheidungsstichwort (Thema)
Verteilung vorausgezahlter Erbbauzinsen
Leitsatz (redaktionell)
1) Auch bei Steuergesetzen ist eine "echte" Rückwirkung bereits dann anzunehmen, wenn eine im Gesetz neu oder verändert vorgesehene Rechtsfolge auch oder nur in Fällen gelten soll, in denen ihre Tatbestandsvoraussetzungen ausschließlich vor Verkündung des Gesetzes erfüllt worden sind.
2) Die Regelung in § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG sowie die Anwendungsregelung in § 52 Abs. 30 EStG halten sich hinsichtlich des zeitlichen Anwendungsbereichs im Bereich der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit rückwirkender Normen.
Normenkette
EStG § 52 Abs. 30, § 11 Abs. 2 S. 3
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob § 11 Abs. 2 Satz 3 Einkommensteuergesetz (EStG) in der im Streitjahr 2004 geltenden Fassung auf eine von der Klägerin (Klin.) geleistete Vorauszahlung von Erbbauzinsen anzuwenden ist.
Die Klin. ist eine Grundstücksgemeinschaft (GbR). An ihr sind die Herren HH (H.) und SL (L.) zu je ½ beteiligt. Die GbR erzielt Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (V+V) u.a. aus dem zu ihren Gunsten bestellten Erbbaurecht in M, A-Straße 24.
Mit notariellem Vertrag vom 23.07.2004 erwarb die Klin. von der Firma Q GmbH das Erbbaurecht an dem vorbezeichneten Grundbesitz.
Nach § 8 des Erbbaurechtsvertrages betrug der jährliche Erbbauzins 29.250 EUR. Die Zahlungspflicht für den Erbbauzins sollte mit der Eintragung der Erbbauberechtigen ins Grundbuch beginnen.
Nach § 8 Abs. 4 war der Grundstückseigentümer berechtigt, eine vorschüssige Zahlung des gesamten Erbbauzinses zu verlangen. Der Ablösungsbetrag für den Erbbauzins für die gesamte Laufzeit des Vertrages sollte danach 650.000 EUR betragen.
Wegen der vertraglichen Vereinbarungen im Einzelnen wird auf die bei den Gerichtsakten befindliche Vertragskopie des Erbbaurechtsbestellungsvertrages (Bl. 34 ff der FG Akte) Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 11.10.2004 stellte die Grundstückseigentümerin den Erbbauzins für die gesamte Vertragslaufzeit i.H.v. 650.000 EUR bei der Klin. fällig. Diese überwies den Betrag am 28.12.2004 an die Grundstückseigentümerin. Das zu Gunsten der Klin. bestellte Erbbaurecht wurde am 29.12.2004 in das Erbbaugrundbuch eingetragen.
Mit der am 27.06.2005 beim beklagten Finanzamt (FA) abgegebenen Erklärung zur gesonderten – und einheitlichen – Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung machte die Klin. aus der V+V des Grundstücks M, A-Straße 24 einen Verlust i.H.v. 668.370 EUR geltend.
Im Bescheid für 2004 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 08.09.2005 berücksichtigte der Beklagte (Bekl.) demgegenüber lediglich zeitanteilig gezahlte Erbbauzinsen i.H.v. 6.777 EUR. Der festgestellte Gesamtverlust aus V+V betrug dementsprechend, nur /. 45.457 EUR.
Diesen Betrag rechnete der Bekl. H. und L. jeweils hälftig entsprechend ihrer Beteiligungsquote zu.
Gegen den Feststellungsbescheid legte die Klin. am 23.09.2005 Einspruch ein. Zur Begründung machte sie sinngemäß geltend, dass die Gesetzesänderung im Dezember 2004 nach Abschluss des Erbbaurechtsbestellungsvertrages mit den darin enthaltenen Regelungen rückwirkend nicht mehr in die Abzugsfähigkeit hinsichtlich der in einer Summe gezahlten Erbbauzinsen eingreifen könne.
Der Bekl. wies den Einspruch der Klin. mit Einspruchsentscheidung vom 11.11.2005 als unbegründet zurück. Zur Begründung machte er geltend, nach § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG seien die von der Klin. in einer Summe gezahlten Erbbauzinsen lediglich i.H.v. 6.566 EUR zeitanteilig zu berücksichtigen. Die Regelung der §§ 11 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 52 Abs. 30 EStG halte sich, was den zeitlichen Anwendungsbereich betreffe, im Bereich zulässiger tatbestandlicher Rückanknüpfung (sogen. unechte Rückwirkung). Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Einspruchsentscheidung Bezug genommen.
Mit der am 09.12.2005 erhobenen Klage verfolgte die Klin. ihr Begehren weiter. Sie vertritt dabei die Ansicht, vor Einführung des § 11 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 52 Abs. 30 EStG am 09.12.2004 seien einmalig gezahlte Erbbauzinsen in voller Höhe abzugsfähig gewesen. Der BFH habe mit Urteil vom 23.09.2003 überdies entschieden, dass der Erbbauzins Entgelt für eine Nutzungsüberlassung sei und nicht zu Anschaffungskosten führe. Entsprechend habe er gefolgert, dass wenn eine Erbbauzinsverpflichtung vom Erbbauberechtigten in Form einer Einmalzahlung abgegolten werde, der Einmalbetrag im Fall der Erzielung von Einkünften aus V+V im Jahr der Zahlung in voller Höhe als Werbungskosten abziehbar sei, sofern für die Einmalzahlung wirtschaftliche Gründe bestünden.
Die Sofortablösung der Erbbauverpflichtung durch sie sei wirtschaftlich vorteilhaft gewesen, da der Ablösungsbetrag niedriger gewesen sei als der kapitalisierte Bauwert der Erbbauzinsverpflichtung.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gehe für das Einkommensteuerrecht davon aus, dass eine unzulässig...