Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtung bei Gläubigerbenachteiligung. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: VII R 13/24)
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein (weiterer) Duldungsbescheid darf auch dann erlassen werden, wenn für die angefochtene Rechtshandlung bereits ein Duldungsbescheid erlassen wurde, der sich auf andere Steuerforderungen bezieht.
2. Dem Kontoinhaber ist die Gläubigerbenachteiligungsabsicht eines von ihm bevollmächtigten Dritten zuzurechnen, der dem Steuerschuldner ein Konto zur Verfügung gestellt hat.
Normenkette
AO §§ 132, 191; AnfG § 1 ff., § 3 Abs. 1, § 11 Abs. 1; BGB § 166; AO § 131
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Duldungsbescheides, mit dem der Beklagte die Überweisung eines Betrages i.H.v. 120.200,00 € vom 04.06.2013 durch den Steuerschuldner auf ein Konto des Klägers in der Türkei angefochten hat.
Der am xx.01.2022 verstorbene Kläger (siehe Sterbeurkunde, Bl. 114 GA) war der Vater des Steuerschuldners, Herrn S. B.. Etwaige Erben sind unbekannt.
Der Steuerschuldner betrieb seit 2001 ein X-Gewerbe in R-Stadt. Der Kläger und seine Ehefrau, Frau F. B., sind seit dem Jahr 2003 Rentner. Neben deutscher Rente bezogen sie jeweils eine Rente sowie Mieteinkünfte in der Türkei. Sie hielten und halten sich den überwiegenden Teil des Jahres in der Türkei, teilweise aber auch in Deutschland auf.
Im Jahr 2011 beantragte der Sozialversicherungsträger X beim Amtsgericht – Insolvenzgericht – R-Stadt wegen rückständiger Sozialversicherungsabgaben die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Steuerschuldners (Az. x IN xxx/11). Dieses Verfahren wurde aufgrund von Zahlung der offenstehenden Forderungen seitens der Mutter des Steuerschuldners, Frau F. B., für erledigt erklärt.
Am 08.03.2012 gab der Steuerschuldner beim Amtsgericht R-Stadt die eidesstattliche Versicherung ab. Sowohl seine betrieblichen als auch sein privates Konto waren seit dem Jahr 2012 gepfändet.
Im Jahr 2013 veräußerte der Steuerschuldner das Objekt O-Straße 1 in R-Stadt für 469.247,29 € sowie das Objekt O-Straße 2 für 380.752,71 €. Die Kaufpreiszahlungen aus diesen Veräußerungen wurden u.a. auf das Konto des Klägers in der Türkei (neben der hier in Streit stehenden Überweisung auch ein weiterer Betrag in Höhe von 369.191,57 €), auf das deutsche Konto der Mutter des Steuerschuldners sowie an weitere Gläubiger (u.a. an die Stadt R-Stadt sowie zur Tilgung bestehender Kreditverbindlichkeiten des Steuerschuldners gegenüber Banken, siehe im Einzelnen hierzu, Bl. 1ff. der Haftungsakte des Steuerschuldners) geleistet. Lediglich ein Betrag in Höhe von 5.000,00 € wurde auf das deutsche Konto des Steuerschuldners bei der Bank R-Stadt gezahlt.
Am 14.05.2013 zahlte der Steuerschuldner auf sein Konto bei der Bank R-Stadt zu Konto-Nr. 000 einen Betrag i.H.v. 125.000,00 € in bar ein und überwies hiervon 120.200,00 € am 04.06.2013 auf das Konto des Klägers in der Türkei. Einen Betrag i.H.v. 120.000,00 € hob der Kläger am 05.06.2013 in bar in der Türkei bei der K-Bank Filiale in C-Stadt (Türkei) ab und übergab diesen dort an den Steuerschuldner (siehe Erklärung Bl. 135 (R) bis 137 GA zum Verfahren zu Az. 6 K 1665/15 AO).
Im Jahr 2014 stellte der Beklagte im Rahmen einer beim Steuerschuldner durchgeführten Außenprüfung betreffend Umsatzsteuer 2009 bis 2011 sowie Einkommen- und Gewerbesteuer 2008 bis 2011 erhebliche Steuernachforderungen fest. Der Steuerschuldner gab in diesem Rahmen an, dass er keine Einkünfte beziehe, sondern gemeinsam mit seinem Sohn von der finanziellen Unterstützung seiner Eltern lebe.
Der Beklagte versucht seit dem Jahr 2013 erfolglos, die gegenüber dem Steuerschuldner bestehenden Forderungen zu vollstrecken.
Der Beklagte erließ zunächst am 24.11.2014 gegenüber dem Kläger einen Duldungsbescheid nach § 191 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO). Darin focht er die Überweisung des Geldbetrages i. H. v. 120.200,00 € an den Kläger vom 04.06.2013 an. Die Anfechtung stützte der Beklagte auf § 4 Abs. 1 des Anfechtungsgesetzes (AnfG). Zugleich forderte der Beklagte den Kläger auf, Wertersatz i.H.v. 58.418,99 € zu zahlen (vgl. Aufstellung I im benannten Duldungsbescheid). Neben Steuerforderungen des Beklagten gegenüber dem Steuerschuldner aus der Einkommensteuer für 2008 und der Umsatzsteuer für 2003 bis 2008 zzgl. Nebenleistungen (Zinsen und Kosten) i.H.v. insgesamt 54.278,49 € wurde auch die Zahlung von Säumniszuschlägen i.H.v. insgesamt 4.140,50 € gefordert. Bei dem unter „Aufstellung I” aufgelisteten Beträgen i.H.v. 58.418,99 € handelt es sich um die zu diesem Zeitpunkt bestandskräftig festgesetzten Forderungen des Beklagten gegenüber dem Steuerschuldner. Der Kläger wurde weiterhin darauf hingewiesen, dass er als Duldungsschuldner für die weiteren Steuerschulden i.H.v. insgesamt 13.403,17 € in Anspruch genommen werde, sobald die zugrundeliegenden Bescheide in den Jahressteuerbescheiden aufgingen und diese bestandskräftig geworden seien (vgl. Aufstellung II zum Duldungsbescheid). Wegen weiterer Einzelheit...