Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Reichweite des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DSGVO im Besteuerungsverfahren. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: IX R 26/22)

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die DSGVO begründet keinen Anspruch des Steuerpflichtigen auf Vorlage sämtlicher Daten in elektronischer Form, die vom Finanzamt über den Steuerpflichtigen erhoben oder verarbeitet worden sind oder die – wie z.B. sonstige Tabellen oder Hilfsmittel – zum Zwecke der Verarbeitung herangezogen worden sind.

2. Die Vorlagepflicht gemäß Art. 15 Abs. 3 DSGVO ist restriktiv auszulegen. Sie knüpft an die Auskunftspflicht gemäß Art. 15 Abs. 1 DSGVO an, ist eines der Mittel, mit denen der Verpflichtete seine Auskunftspflicht erfüllt, und geht nicht weiter als diese.

3. Eines Informations- und Vorlagerechts nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO bedarf es nicht, wenn der Betroffene genau weiß, welche Daten (hier: im Rahmen der Betriebsprüfung erhobene bzw. in den Steuererklärungen und den zusammen mit diesen eingereichten Belegen enthaltene Daten) über ihn erhoben worden sind und vom Verantwortlichen vorgehalten werden.

4. Aus Art. 15 Abs. 1 und 3 DSGVO folgt kein Anspruch auf Vorlage sämtlicher der durch Weiterverarbeitung entstandenen Daten bzw. des Verarbeitungsergebnisses (hier: im Rahmen einer Betriebsprüfung durch den Prüfer generierte Daten).

 

Normenkette

DSGVO Art. 15 Abs. 3; AO § 2a Abs. 5; DSGVO Art. 15 Abs. 1

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin gegenüber dem Beklagten (dem Finanzamt –FA–) einen Anspruch insbesondere auf Vorlage von erhobenen und weiterverarbeiteten Daten nach Art. 15 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.4.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung –DSGVO–, ABl. L 119, S. 1) hat.

Die Klägerin, eine …, wurde durch B. am x.x.2013 gegründet. Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist der Betrieb eines italienischen Restaurants in Form einer Pizzeria namens „X.”. …. Die Pizzeria hatte B. von ihrem Vater, Herrn C., zum x.xx.2013 übernommen, der die Pizzeria zuvor als Einzelunternehmer betrieben hatte. Die Klägerin führte das Restaurant an derselben Stelle, unter demselben Namen und mit demselben Speiseangebot weiter.

Die Geschäftsräume der Klägerin befanden sich im Eigentum der B.; diese vermietete die Räumlichkeiten mit einer Nutzfläche von ca…. qm an die Klägerin. Hierdurch wurde eine (ertragsteuerliche) Betriebsaufspaltung und eine (umsatzsteuerliche) Organschaft mit B. als Organträgerin begründet.

Aufgrund der Prüfungsanordnung vom xx.xx.2017 fand hinsichtlich der Jahre 2013 bis 2015 bei der Klägerin eine Außenprüfung statt. Diese begann am xx.x.2018. Während der laufenden Außenprüfung wechselte die Klägerin von ihrem bisherigen Steuerberater zu der jetzigen Prozessbevollmächtigten als Steuerberaterin. Dieser meldete sich erstmals unter dem 11.1.2019 beim FA.

Mit diesem Schreiben stellte die Prozessbevollmächtigte der Klägerin einen Antrag auf Akteneinsicht in alle bestehenden Steuerakten, da diese allesamt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage erheblich seien. Zu den vorzulegenden Akten gehörten auch die angefertigten digitalen Dateien und die Prüferhandakten.

Das FA erläuterte in seinem Schreiben vom 19.1.2019, dass es sich vorliegend um ein laufendes Besteuerungsverfahren (laufende Betriebsprüfung) handele. Grundsätzlich hätten die Beteiligten und deren Bevollmächtigte im Besteuerungsverfahren und im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren keinen Rechtsanspruch auf Akteneinsicht. Der Steuerpflichtige habe nur einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Das FA könne das Interesse des Steuerberaters zwar nachvollziehen, die Akten einzusehen, um sich hierdurch in den Steuerfall einzuarbeiten. Es möge daher mitgeteilt werden, für welche Veranlagungszeiträume noch eventuell vorhandener Schriftwechsel bzw. Steuererklärungen und Bescheide zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage benötigt würden. Das FA vermutete, dass das wichtigste Anliegen die Beurteilung der Sach- und Rechtslage hinsichtlich der aktuell laufenden Betriebsprüfung sein werde. Inwieweit der Steuerberater sämtliche Inhalte der Prüferhandakte benötige und die digitalen Daten erheblich sein sollten, erschließe sich dem FA jedoch nicht.

In Prüfungsfällen, in denen kein Beraterwechsel stattfinde, müsse und könne eine Beurteilung durch den Steuerberater auch ohne Einsicht in die komplette Prüferhandakte und die digitalen Daten erfolgen. Das FA erkenne jedoch an, dass ein Beraterwechsel im Rahmen einer laufenden Betriebsprüfung Schwierigkeiten für den neuen Berater mit sich bringe, da er denklogisch nicht auf demselben Wissensstand sein könne, wie der bisherige Berater. Insoweit bedürfe es sicherlich einer Überlassung des Schriftverkehrs zwischen dem FA und dem alten Berater. Warum eine Einsicht in die digitalen Unterlagen dem Steuerberater helfen...

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