vorläufig nicht rechtskräftig
Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [IX R 28/23)]
Entscheidungsstichwort (Thema)
Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO – Überlassung personenbezogener Daten im Rahmen der Betriebsprüfung – Anspruch auf Einsicht in die Betriebsprüfungsakte
Leitsatz (redaktionell)
- Das FA ist nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO verpflichtet, dem Steuerpflichtigen Auskunft über die ihn betreffenden personenbezogenen Daten zu erteilen, die es bei dessen Außenprüfung erhoben hat. Dies gilt auch für die von dem Steuerpflichtigen selbst überlassenen Daten.
- Ein darüber hinaus gehender Anspruch auf Einsicht in die Betriebsprüfungsakte oder Auskunft über die bei der Außenprüfung von der Finanzverwaltung erzeugten Daten kann hingegen weder auf Art. 15 Abs. 1 DSGVO noch auf § 4 Abs. 1 IFG NRW gestützt werden.
Normenkette
DSGVO Art. 4 Nrn. 1-2, Art. 15 Abs. 1, 3; AO § 32c Abs. 1 Nr. 1, § 32d Abs. 1; IFG NRW § 4 Abs. 1
Tatbestand
Das Finanzamt L. begann am 25. September 2017 bei der Klägerin mit einer Außenprüfung, die sich auf Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer für die Jahre 2013 bis 2016 bezog.
Die Klägerin beantragte mit Schreiben vom 6. Januar 2019, ihr gemäß Art. 15 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung - DSGVO) Auskunft über alle Daten zu erteilen, die für den Prüfungszeitraum erhoben worden seien, und die im Rahmen der Außenprüfung anderweitig generiert worden seien. Ferner beantragte sie, ihr gemäß Art. 15 Abs. 3 DSGVO eine Kopie der Betriebsprüfungsakte zur Einsicht zur Verfügung zu stellen. Es sei zweifelhaft, dass die Prüferin alle übersandten Unterlagen ausreichend berücksichtigt habe. Die Prüferin habe Besteuerungsgrundlagen deshalb zu Unrecht und für sie, die Klägerin, nicht nachvollziehbar geschätzt. Sie wolle durch eine Einsicht in die Betriebsprüfungsakte sicherstellen, dass alle Unterlagen gewürdigt worden seien.
Nach Vorlage des Prüfungsberichts vom 6. September 2019 forderte das beklagte Finanzamt mit Bescheid vom 11. September 2019 von der Klägerin Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer in Höhe von insgesamt 206.477 € nach. Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein, mit dem sie geltend machte, dass die Schätzungen der Prüferin unberechtigt gewesen seien.
Das beklagte Finanzamt lehnte mit Bescheid vom 7. April 2020 den Antrag der Klägerin vom 6. Januar 2019 ab und führte aus: Ein Auskunftsanspruch der Klägerin sei im Rahmen der Außenprüfung vollständig erfüllt worden. Deshalb sei der Klägerin auch keine Kopie der Betriebsprüfungsakte zur Verfügung zu stellen. Die vorgenommenen Schätzungen seien in dem Prüfungsbericht begründet worden. Art. 15 DSGVO begründe keinen Anspruch auf von der Finanzverwaltung erzeugte Daten, weil es sich hierbei nicht um personenbezogene Daten handele. Rechtliche Bewertungen oder Analysen seien gleichfalls keine personenbezogenen Daten.
Die Klägerin trägt mit ihrer Klage vor: Sie habe nach Art. 15 DSGVO einen Anspruch auf die Erteilung der von ihr begehrten Auskunft über die prüfungsrelevanten Daten sowie auf das Zurverfügungstellen einer Kopie der Betriebsprüfungsakte. Der Anspruch beziehe sich auch auf die von der Finanzverwaltung generierten Daten, insbesondere auf die Schätzungen der Prüferin. Die Betriebsprüfungsakte sei ihr in Kopie zur Verfügung zu stellen, weil nur so effektiver Rechtsschutz gewährleistet werden könne. Sie habe erhebliche Zweifel daran, dass alle übersandten Unterlagen ausreichend berücksichtigt worden seien. Ihr Anspruch sei im Rahmen der Außenprüfung nicht bereits erfüllt worden. Ein Auskunftsverweigerungsrecht stehe dem beklagten Finanzamt nicht zu.
Die Klägerin beantragt,
das beklagte Finanzamt unter Aufhebung seines Bescheids vom 7. April 2020 zu verpflichten, ihr Auskunft über alle Daten zu erteilen, die für den Prüfungszeitraum erhoben worden sind, und eine Kopie der Betriebsprüfungsakte zur Einsicht zur Verfügung zu stellen.
Das beklagte Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung trägt es vor: Die Klägerin sei bereits während der Außenprüfung über die festgestellten Sachverhalte und die möglichen steuerlichen Auswirkungen informiert worden. Sowohl im Prüfungsbericht als auch im Einspruchsverfahren sei konkret auf die von der Klägerin übersandten Unterlagen Bezug genommen worden. Es sei dargestellt worden, welche Unterlagen noch gefehlt hätten. Die Klägerin habe im Verwaltungsverfahren keinen Anspruch auf Einsicht in die Betriebsprüfungsakte. Die in Art. 15 Abs. 1 DSGVO genannten Metadaten seien der Klägerin bekannt gewesen. Die hiernach zu übermittelnden Informationen könnten zudem dahingehend zusammengefasst werden, dass die personenbezogenen Daten zur Durchführung einer Lohnsteuer-Außenprüfung verarbeitet worden seien, die Daten im Rahmen einer Außenprüfung gemäß § 147 Abs. 6 der ...