rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Einverständnis in einen veränderten Daueraufenthalt
Leitsatz (redaktionell)
Ein neues Obhutsverhältnis wird auch dann begründet, wenn das Einverständnis des anderen Elternteils in den veränderten Daueraufenthalt erst im Nachhinein erteilt wird.
Normenkette
EStG § 62 Abs. 1, 1 Nr. 1, §§ 63, 63 Abs. 1, 1 Nr. 1, §§ 64, 64 Abs. 2, 2 S. 1, § 62
Tatbestand
Mit Bescheid vom 07.04.2003 hob der Beklagte (Bekl.) den die Tochter W (geboren am 14.07.1993) betreffenden Kindergeldbescheid gegenüber der Klägerin (Klin.) auf und forderte für März 2003 gezahltes Kindergeld in Höhe von 154 Euro zurück.
W lebte im Haushalt der Klin. Am 28.02.2003 kam sie im Rahmen der Besuchsregelung zu ihrem Vater, dem Beigeladenen. Verabredet war, dass sie am 01.03.2003 zu ihrer Mutter zurückkehren sollte. Am 01.03.2003 rief der Beigeladene bei der Klin. an und teilte ihr mit, W würde nicht mehr zurückkehren. In der Verhandlung vor dem Amtsgericht/Familiengericht … (Az.: 33 F 109/03, 33 F 110/03, 33 F 111/03) am 10.03.2003 verständigten sich die Eltern darauf, dass W bis Pfingsten ihren Lebensmittelpunkt beim Beigeladenen haben sollte. Seither lebt das Kind im Haushalt des Vaters.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 07.04.2003 erhob die Klägerin gegen die Einspruchsentscheidung vom 05.08.2003 Klage. Zur Begründung trägt sie vor, W sei erst am 10.03.2003 in den Haushalt des beigeladenen Kindesvaters übergewechselt. Bis zu diesem Zeitpunkt habe das Kind seinen Lebensmittelpunkt in ihrem Haushalt gehabt. Der Beigeladene habe die Tochter ohne Abstimmung mit der Klin. im Anschluss an den Besuchstermin nicht wieder zur Mutter zurückkehren lassen.
Die Klin. beantragt,
den Bescheid vom 07.04.2003 und die EE vom 05.08.2004 aufzuheben.
Der Bekl. beantragt,
die Klage abzuweisen.
W habe seit dem 01.03.2003 im Haushalt des Beigeladenen gelebt. Ihm und nicht der Klin. stehe daher das Kindergeld für den Monat März zu.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und die Kindergeldakte Bezug genommen.
Der Senat hat durch Beschluss vom 22.01.2004 Herrn M … gemäß
§ 174 Abs. 5 AO zum Verfahren beigeladen.
Am 31.03.2004 hat ein Erörterungstermin stattgefunden. Auf das Protokoll wird Bezug genommen.
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO).
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Die Familienkasse hat die Kindergeldfestsetzung gegenüber der Klin. zu Recht ab März 2003 aufgehoben und das für März 2003 gezahlte Kindergeld zurückgefordert.
Neben der Klin. als leiblicher Mutter ist der Beigeladene als leiblicher Vater nach §§ 62 Abs. 1 Nr. 1, 63 Abs. 1 Nr. 1 EStG kindergeldanspruchsberechtigt. Bei mehreren Berechtigten wird das Kindergeld demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat, § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG.
Ein Kind gehört dann zum Haushalt eines Elternteils, wenn es dort wohnt, versorgt und betreut wird, so dass es sich in der Obhut dieses Elternteils befindet. Das Merkmal der Haushaltsaufnahme gemäß § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG wird in erster Linie durch den tatsächlichen Umstand bestimmt, dass das Kind nicht nur vorübergehend in dem betreffenden Haushalt lebt (BFH, Urteil vom 24. Oktober 2000 VI R 21/99, BFH/NV 2001, 444). Formale Gesichtspunkte, z.B. die Sorgerechtsregelung oder die Eintragung in ein Melderegister, können bei der Beurteilung, in welchen Haushalt das Kind aufgenommen ist, allenfalls unterstützend herangezogen werden. Ein Obhutsverhältnis in dem geschilderten Sinne besteht allerdings dann nicht, wenn sich das Kind nur für einen von vornherein begrenzten, kurzfristigen Zeitraum bei einem Elternteil befindet, etwa zu Besuchszwecken oder in den Ferien. Dagegen steht einer Aufnahme in den Haushalt des einen Elternteils nicht entgegen, wenn die Aufnahme in diesen Haushalt zwar zunächst noch nicht endgültig ist, aber für einen längeren Zeitraum gelten soll, so dass das Obhutsverhältnis zu dem abgebenden Elternteil jedenfalls zunächst beendet ist (BFH, Urteil vom 20. Juni 2001 VI R 224/98, BStBl II 2001, 713).
W befindet sich seit dem 01.03.2003 im Haushalt des Beigeladenen. Sie wohnt dort, wird betreut und versorgt. Die ursprüngliche Besuchssituation war – wenn auch nicht einverständlich – in einen Daueraufenthalt übergegangen. Ein neues Obhutsverhältnis wurde begründet. Diese faktische Änderung, die nicht erst durch ihr Einverständnis hervorgerufen worden ist, hat die Klin. schließlich im Vergleich vor dem Amtsgericht/Familiengericht Hamm am 10.03.2003 – jedenfalls zunächst bis Pfingsten (08.06.2003) – gebilligt.
Auf diesem Hintergrund kann es dahinstehen, ob eine andere Beurteilung vorzunehmen ist, wenn das Kind dem abgebenden Elternteil widerrechtlich entzogen wird. Denn im Streitfall war die Klin. letztlich, wie sich aus dem Vergleich vor dem Familiengericht am 10.03.2003 ergibt, mit dem tatsächlichen Wechsel der Tochter zum Beigeladenen einverstanden (s. insoweit BFH...