Leitsatz
Ein neues Obhutsverhältnis, welches zur Zugehörigkeit eines Kindes zum Haushalt eines Elternteils führt, wird auch dann begründet, wenn das Einverständnis des anderen Elternteils erst im Nachhinein erteilt wird.
Sachverhalt
Die gemeinsame Tochter der getrennt lebenden Eltern lebte bis zum 28.2.2003 im Haushalt der Mutter. Am 28.2.2003 kam die Tochter im Rahmen der Besuchsregelung zu ihrem Vater. Es war verabredet, dass sie am 1.3.2003 zu ihrer Mutter zurückkehren sollte. Am 1.3.2003 rief der Vater bei der Mutter an und teilte ihr mit, die Tochter würde nicht mehr zurückkommen. In der Verhandlung vor dem Amtsgericht/Familiengericht am 10.3.2003 verständigten sich die Eltern darauf, dass die Tochter bis Pfingsten (8.6.2003) ihren Lebensmittelpunkt bei dem Vater haben sollte. Mit Bescheid vom 7.4.2003 hob die Familienkasse den Kindergeldbescheid gegenüber der Mutter auf, und forderte das für den Monat März gezahlt Kindergeld in Höhe von 154 EUR zurück. Der hiergegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg.
Entscheidung
Nach Auffassung des Finanzgerichts hat die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung gegenüber der Mutter zu Recht aufgehoben und das für den Monat März 2003 gezahlte Kindergeld zurückgefordert. Neben der Mutter ist der Vater nach §§ 62 Abs. 1 Nr. 1, 63 Abs. 1 Nr. 1 EStG kindergeldanspruchsberechtigt. Nach § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG wird bei mehreren Kindergeldberechtigten das Kindergeld demjenigen gezahlt, der das Kind in seinem Haushalt aufgenommen hat. Ein Kind gehört zum Haushalt eines Elternteils, wenn es dort wohnt, versorgt und betreut wird, so dass es sich in der Obhut dieses Elternteils befindet. Ein Obhutsverhältnis in diesem Sinne besteht allerdings dann nicht, wenn sich das Kind nur für einen von vornherein begrenzten kurzfristigen Zeitraum bei einem Elternteil befindet, etwa zu Besuchszwecken oder in den Ferien. Einer Aufnahme in den Haushalt des Vaters steht hier nicht entgegen, dass diese Haushaltsaufnahme zunächst zwar noch nicht endgültig ist, aber für einen längeren Zeitraum gelten soll, so dass das Obhutsverhältnis zu dem abgebenden Elternteil jedenfalls zunächst beendet ist (BFH, Urteil v. 20.6.2001, VI R 224/98, BStBl 2002 II S. 714). Durch die Tatsache, dass die Tochter sich seit dem 1.3.2003 in dem Haushalt des Vaters befindet, war im Streitfall die ursprüngliche Besuchssituation in einen Daueraufenthalt übergangen, so dass ein neues Obhutsverhältnis und damit eine Haushaltsaufnahme im Sinne des § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG begründet wurde.
Hinweis
Nach der Rechtsprechung des BFH ist ein Zeitraum von mehr als drei Monaten nicht mehr als kurzfristiger Zeitraum anzusehen. Tritt die durch den Wechsel der Haushaltszugehörigkeit begründete Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im Laufe eines Monats ein, erfolgt die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung vom folgenden Monat an (DA 64.4 Abs. 3 DA-FamEStG, BStBl 2004 I S. 742).
Link zur Entscheidung
FG Münster, Urteil vom 12.05.2004, 1 K 4663/03 Kg