Entscheidungsstichwort (Thema)
Erwerbstätigkeit i. S. des § 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b) EStG
Leitsatz (redaktionell)
1) Die Beschränkung der Kindergeldberechtigung durch § 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b) EStG ist verfassungsgemäß.
2) Erwerbstätigkeit i. S. des § 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b) EStG ist gemäß § 2 Abs. 2 AufenthG unter Verweis auf § 7 SGB IV eine Beschäftigung im Rahmen einer nichtselbständigen Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.
3) Als Beschäftigung gilt auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung als Beschäftigung.
4) Die Teilnahme an einem Modellprojekt einer nichtbetrieblichen Bildungseinrichtung zur Integration in den Arbeitsmarkt ist keine Erwerbstätigkeit.
Normenkette
AufenthG § 2 Abs. 2; SGB IV § 7; EStG § 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin im Streitzeitraum Juli 2006 bis September 2007 einer Erwerbstätigkeit nachgeht und somit für diesen Zeitraum Kindergeldberechtigt ist.
Die Klägerin hält sich seit 2002 in der Bundesrepublik auf. Sie ist afghanische Staatsangehörige und seit dem 9.1.2006 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG. Sie ist die Mutter der beiden Kinder E, geb. 15.9.1998, und A, geb. 15.8.2003. Seit dem 1.1.2006 hat sie an einem Modellprojekt zur Integration in den Arbeitsmarkt teilgenommen. Im Rahmen dieser Maßnahme hat sie vom 1.4.2006 bis 31.7.2006 täglich von montags bis freitags in Teilzeit eine Basisqualifikation durchlaufen. Unterrichtsinhalte waren unter anderem Deutsch für das zukünftige Erwerbsleben, Einführung in die EDV, Grundkenntnisse der Mathematik und Bewerbungstraining. Im Zeitraum August 2006 bis August 2007 hat sie eine Fachqualifikation im hauswirtschaftlichen und pflegerischen Bereich des Bildungsinstituts M besucht. Integriert in diese Maßnahme war ein zweimonatiges Praktikum im H-Krankenhaus in K vom 29.1.2007 bis 23.3.2007. Seit dem 1.10.2007 geht sie einer Erwerbstätigkeit nach. Sie bezog im Zeitraum bis zur Erwerbstätigkeit ALG II.
Die Klägerin hat mit Antrag vom 17.7.2006 Kindergeld für die beiden Kinder beantragt. Dieser Antrag ist durch Bescheid vom 26.7.2006 abgelehnt worden, da die damaligen Voraussetzungen des Kindergeldbezugs gemäß § 62 Abs. 2 EStG a.F. nicht vorlagen. Der Einspruch der Klägerin gegen diesen Bescheid vom 24.8.2006 wurde durch Entscheidung vom 2.10.2006 als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen hat die Klägerin am 12.10.2006 Klage eingereicht.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Voraussetzungen des geänderten § 62 Abs. 2 EStG n.F. vorliegen, dass sie insbesondere aufgrund der Art und Ausgestaltung der Qualifizierungsmaßnahme eine der Erwerbstätigkeit gleichzusetzende Tätigkeit ausgeübt habe. Aufgrund ihres Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland seit 2002 seien die übrigen Voraussetzungen gegeben. Allerdings ist die Klägerseite auch weiterhin der Ansicht, dass die in § 62 Abs. 2 EStG n.F. vorgesehenen einschränkenden Bedingungen für Ausländer mit einem Aufenthaltstitel gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen und deshalb verfassungswidrig wären.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Beklagte zu verpflichten, für den Zeitraum Juli 2006 bis September 2007 Kindergeld für die Kinder E und A in gesetzlicher Höhe festzusetzen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Ansicht, dass im vorliegenden Fall eine Erwerbstätigkeit der Klägerin im Streitzeitraum fehlt. Die Qualifizierungsmaßnahme der Klägerin sei mit einer solchen Erwerbstätigkeit nicht gleichzustellen. Die gelte selbst dann, wenn die Qualifizierungsmaßnahme eine spätere Erwerbstätigkeit ermögliche.
Der Berichterstatter hat den Sach- und Streitstand mit den Beteiligten am 6.5.2008 erörtert. Im Anschluss ist vom vorliegenden Verfahren das Verfahren hinsichtlich Kindergeld ab Oktober 2007 abgetrennt worden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Senat ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Klage, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten gem. § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, ist unbegründet.
Die Klägerin ist für den Streitzeitraum nicht Kindergeld berechtigt. Die Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 Nr. 3 lit. b) EStG sind nicht erfüllt. Diese einschränkende Vorschrift ist verfassungsgemäß.
§ 62 Abs. 2 Nr. 3 EStG, der in der vorliegenden Neuregelung gemäß § 52 Abs. 61a Satz 2 EStG mit Wirkung zum 01.01.2006 in Kraft getreten ist und im vorliegenden Fall zur Anwendung kommt, verlangt für das Vorliegen der Kindergeldberechtigung eines nicht freizügigkeitsberechtigten Ausländers neben der hier vorliegenden Aufenthaltserlaubnis einen legalen Aufenthalt in der Bunderepublik (§ 62 Abs. 2 Nr. 3 lit a) EStG) und entweder die berechtigte Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet, laufende Geldleistung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch oder die Ina...