Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorsteuerabzug aus Rechnungen im Ausland ansässiger Subunternehmer (Domizilgesellschaften)
Leitsatz (redaktionell)
1) Auch bei Rechnungen von sog. Domizilgesellschaften hängt ein Vorsteuerabzug allein davon ab, ob die Domizilgesellschaft die abgerechneten Leistungen - sei es mit eigenen gewerblichen Kräften oder mit Hilfe eines oder mehrerer Nachsubunternehmer - erbracht hat.
2) Die in § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG normierten Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug sind bei Auslandsgeschäften im Wege der teleologischen Reduktion dahingehend zu ermäßigen, dass eine ordnungsgemäße Rechnung nicht erforderlich ist.
Normenkette
UStG § 15 Abs. 1, 1 Nr. 1, § 18; UStDV §§ 51, 52 Abs. 2
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob dem begehrten Vorsteuerabzug Rechnungen von Scheinfirmen zugrundeliegen.
Die Klägerin (Klin.), ein im Inland ansässiges Bauunternehmen, bediente sich zur Erfüllung übernommener Aufträge verschiedener Subunternehmer. Unter anderem schloß sie schriftliche Bauverträge mit den Firmen L. Ltd., …, Großbritannien (L.), bzw. T. Ltd., …, Irland (T.) ab. Beide Firmen erteilten der Klin. Rechnungen über Maurerarbeiten mit Umsatzsteuer(USt)-Ausweis, zum Teil mit dem Hinweis, daß der Auftraggeber die Mehrwertsteuer nach § 18 Umsatzsteuergesetz (UStG) in Verbindung mit § 51 Umsatzsteuerdurchführungsverordnung (UStDV) abführen müsse.
Die Klin. meldete in 1993 und 1994 die von L. und T. ausgewiesene USt nach § 51 UStDV an und führte sie ab; außerdem machte die Klin. in den USt-Erklärungen 1993 und 1994 Vorsteuer aus den Rechnungen der L. und T. geltend.
Nach den Feststellungen einer Betriebsprüfung (Bp, Bericht vom 20.03.1997 Tz. 11) handelte es sich bei L. und T. um Domizilgesellschaften ohne eigenen Geschäftsbetrieb. Die L. wurde 1990 mit dem Geschäftszweck „Tätigkeit auf dem Bausektor” gegründet und ins Handelsregister eingetragen, ohne laut Bp in Großbritannien Geschäftsaktivitäten zu entwickeln. Die L. war weder in den lokalen Branchenbüchern noch in englischen Telefonbüchern verzeichnet noch beschäftigte sie laut Bp Mitarbeiter. Unter der Rechnungsanschrift der L. residierte ein Wirtschaftsprüferbüro, dem die in den Rechnungen der L. aufgeführte Telefonnummer zugeteilt war. Die L. hatte nur einmal eine Bilanz aufgestellt und darin eine Forderung in Höhe des gezeichneten Stammkapitals erfaßt. Lt. Bp verfügte die T. weder über ausreichendes Kapital für eine aktive Geschäftstätigkeit noch über ein eigenes Geschäftslokal noch über einen eigenen Telefonanschluß und beschäftigte keine Mitarbeiter. Die Direktoren der T. waren bei vielen Firmen als Funktionsträger tätig.
Gemäß diesen Feststellungen erließ das beklagte Finanzamt (FA) geänderte USt-Bescheide 1993 und 1994, in denen es den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der L. und der T. mit dem Hinweis versagte, daß es an Identität zwischen Rechnungsausstellern und Lieferanten fehle. Unter den Namen von L. und T. hätten unbekannte Personen oder Firmen Leistungen gegenüber der Klin. abgerechnet.
Hiergegen erhob die Klin. nach erfolglosem Einspruchsverfahren (Einspruchsentscheidung vom 04.06.1998) Klage und begehrt den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der L. und der T. mit folgender Begründung: Die L. und die T. hätten ihre Tätigkeit auf die Planung der von der Klin. erteilten Aufträge und auf die Überwachung der vertragsgerechten Auftragsausführung durch ihre britischen Subsubunternehmer beschränkt. Die L. und die T. hätten die von der Klin. gezahlten Werklöhne sofort an die auf den Baustellen tätigen Subunternehmer weitergeleitet. Angesichts der vorgelegten Urkunden über die Erfüllung der den beiden Firmen obliegenden handels- und gewerberechtlichen Pflichten habe die Klin. davon ausgehen dürfen, daß die L. und die T. weder Domizilgesellschaften noch Scheinfirmen, sondern aktiv am Wirtschaftsleben teilnehmende Unternehmen gewesen seien.
Die Klin. beantragt,
- die USt-Änderungsbescheide 1993 und 1994 vom 23.06.
- bzw. vom 30.06.1997 aufzuheben.
Das FA beantragt,
- die Klage abzuweisen,
- hilfsweise für den Unterliegensfall die Revision zuzulassen.
Das FA trägt vor: Die Klin. habe die Voraussetzungen für den begehrten Vorsteuerabzug nicht nachgewiesen, da die Rechnungsaussteller Domizilgesellschaften gewesen seien.
Der Senat hat in der Streitsache am 20.03.2001 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Entgegen der Auffassung des FA durfte die Klin. die von L. und T. ausgewiesene USt als Vorsteuer abziehen, weil die L. und die T. die abgerechneten Bauleistungen an die Klin. erbracht haben, § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG.
Nach der Rechtsprechung des BFH (zuletzt in BFH/NV 2000, 352, und 611, und in BFH/NV 2001, 210) bestimmt sich regelmäßig aus den abgeschlossenen zivilrechtlichen Vereinbarungen, wer bei einem Umsatz als Leistender anzusehen ist. Leistender ist danach derjenige, der die Leistung in eigenem Namen ausführt oder ausführen läßt. Die...