Entscheidungsstichwort (Thema)
Erfassung des Betriebsaufgabegewinns einer Kapitalgesellschaft beim Gewerbeertrag
Leitsatz (redaktionell)
Die Gewerbesteuerpflicht umfasst auf Grund der Fiktion der gewerblichen Tätigkeit einer Kapitalgesellschaft durch § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG entsprechend § 11 KStG vom Beginn bis zu ihrer Abwicklung auch die Veräußerungs- und Aufgabegewinne.
Normenkette
GewStG § 2 Abs. 2, 2 S. 1; KStG § 11; GG Art. 3 Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob der Betriebsaufgabegewinn einer Kapitalgesellschaft der Gewerbesteuer (GewSt) unterliegt.
Die Klägerin (Kl.) betrieb ein Aerobic- und Fitness-Studio. Zum 31.05.1995 meldete sie bei der Stadt das Gewerbe ab, da das Unternehmen liquidiert werde.
Der Beklagte (Bekl.) veranlagte die Kl. für die Veranlagungszeiträume 1995 und 1996 entsprechend den eingereichten GewSt-Erklärungen mit den GewSt-Meßbescheiden 1995 und 1996 vom 14.01.1998 zur GewSt.
Gegen diese Steuerbescheide legte die Kl. Einspruch ein mit der Begründung, es sei zweifelhaft, ob die Gewerbeertragsteuer mit Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) vereinbar sei. Zudem widerspreche die Vorschrift des § 2 Abs. 2 GewSt-Gesetz (GewStG) im Hinblick auf die unterschiedliche Behandlung von Betriebsaufgabegewinnen dem GG.
Mit Änderungsbescheiden vom 13.03.1998 erklärte der Bekl. die GewSt-Meßbescheide 1995 und 1996 im Hinblick auf den Vorlagebeschluß des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 23.07.1997 IV 317/91 für vorläufig. Mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 05.06.1998 wies der Bekl. den Einspruch als unbegründet zurück.
Zur Begründung ihrer dagegen erhobenen Klage trägt die Kl. vor, nach der bisherigen Rechtsprechung seien Gewinne aus der Veräußerung von Betrieben und Teilbetrieben bei einer Kapitalgesellschaft dem Gewerbeertrag zuzurechnen. Die Begründung für die unterschiedliche Behandlung zwischen Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften bei Betriebsveräußerungen und Betriebsaufgaben sei nicht zutreffend. Die Zusammenballung von Erträgen bei der Betriebsaufgabe oder der Teilbetriebsaufgabe bzw. -veräußerung gebe nicht die Ertragskraft eines laufenden Gewerbebetriebes wieder. Sie könne daher nicht der Maßstab für die Ertragskraft des Gewerbebetriebes nach § 7 GewStG sein. Derartige Vorgänge seien vielmehr als gewerbesteuerfrei zu behandeln. Zur weiteren Begründung verweist die Kl. auf die Ausführungen von Glanegger/Güroff, Kommentar zum GewStG § 2 Rz. 187. Auch der BFH hege Zweifel, ob an der bisherigen Auffassung festgehalten werden könne, wie sich aus der Entscheidung des BFH vom 27.03.1996 I 289/95, BStBl. II 1997, 224 ergebe.
Die Kl. beantragt,
- unter Änderung der GewSt-Meßbescheide 1995 und 1996 vom 13.03.1998 in der Fassung der EE vom 05.06.1998 den einheitlichen GewSt-Meßbetrag 1995 auf 210 DM und den einheitlichen GewSt-Meßbetrag 1996 auf 0 DM festzusetzen;
- hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Bekl. beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf seine Ausführungen in der EE vom 05.06.1998.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Kl. ist zu Recht auch für die Veranlagungszeiträume ihrer Liquidation mit ihrem Betriebsaufgabegewinn zur Gewerbeertragsteuer veranlagt worden.
Gem. § 2 Abs. 2 GewStG gilt die Tätigkeit der Kapitalgesellschaften stets und in vollem Umfang als Gewerbebetrieb. Daraus folgt, daß die Tätigkeit einer Kapitalgesellschaft vom Beginn bis zur Beendigung und Abwicklung als der GewSt unterliegender Gewerbebetrieb gilt. Der im Abwicklungszeitraum erzielte Gewerbeertrag eines unter § 2 Abs. 2 GewStG fallenden Gewerbebetriebs ist, wie im Streitfall geschehen, gem. § 16 Abs. 1 GewSt-Durchführungsverordnung (GewStDV) auf die Veranlagungszeiträume des Abwicklungszeitraums zu verteilen.
Der Gewerbeertrag umfaßt nach ständiger Rechtsprechung des BFH grundsätzlich zwar nur den laufenden Gewinn, der nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes (EStG) und Körperschaftsteuergesetzes (KStG) zu ermitteln ist. Gewinne aus der Veräußerung oder Aufgabe eines Gewerbebetriebes, eines Teilbetriebes gehören grundsätzlich nicht zum Gewerbeertrag. Sie sind als dem Wesen der GewSt als einer auf den tätigen Gewerbebetrieb bezogenen Objektsteuer widersprechend auszunehmen (BFH vom 29.04.1982 IV R 51/79, BStBl. II 1982, 738; vom 28.02.1990 I R 92/86, BStBl. II 1990, 699; Blümich/von Twickel, GewStG § 7 Rz. 139; Tipke/Lang, Steuerrecht 15. Auflage § 16 Rz. 48).
Diese aus dem Charakter der GewSt abgeleitete Einschränkung gilt aber nicht für die Kapitalgesellschaften i. S. d. § 2 Abs. 2 GewStG. Schon der Reichsfinanzhof (RFH), dessen Rechtsprechung der BFH fortführt, unterwarf bei Kapitalgesellschaften Gewinne aus der Veräußerung oder der Aufgabe eines Betriebes oder Teilbetriebes der GewSt. In der Entscheidung vom 21.05.1940 I 132/40, Reichssteuerblatt 1940, 667 begründete der RFH dieses Ergebnis damit, daß die Vorschrift des § 16 Abs. 1 EStG durch die des § 15 Abs. 1 KStG (jetzt § 11 KStG) ersetzt werde. ...