Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuerpflichtige Anteilsübertragung zwischen Tochtergesellschaften im Rahmen einer Umstrukturierung nach dem Recht eines Drittstaates und dem Recht eines EU-Mitgliedstaates. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: II R 36/21)

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein grunderwerbsteuerpflichtiger Vorgang gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 3 bzw. Nr. 4 GrEStG ist gegeben, wenn eine Gesellschaft ihre Anteile an einer Tochtergesellschaft, in deren Vermögen sich Grundbesitz befindet, auf eine andere Tochtergesellschaft überträgt. Insoweit ist es ohne Bedeutung, dass die Muttergesellschaft den bestimmenden Einfluss behält und sich der Grundbesitz (nach wie vor) grunderwerbsteuerlich – auch – in ihrem Vermögen befindet.

2. Eine Anteilsübertragung im Wege der Einzelrechtsnachfolge durch rechtsgeschäftliche Übertragung stellt keinen Umwandlungsvorgang dar, der gemäß § 6a S. 1 und 2 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit ist.

3. Eine Steuervergünstigung aufgrund einer „entsprechenden Umwandlung” i.S.v. § 6a Satz 2 GrEStG scheidet aus, wenn Teil eines dem EU-Recht unterfallenden Umstrukturierungsvorgang die Gründung einer beteiligten Gesellschaft nach dem Recht eines Drittstaats ist. Bei dieser Sachlage scheiden auch eine Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 Abs. 1 AEUV) sowie ein Verstoß das Beihilfeverbot des Unionsrechts (Art. 107 Abs. 1 AEUV) aus.

 

Normenkette

GrEStG § 1 Abs. 3 Nr. 4, § 6a Sätze 1-2; AEUV Art. 107 Abs. 1, Art. 63 Abs. 1; GrEStG § 1 Abs. 3 Nr. 3

 

Tatbestand

Streitig ist, ob ein Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 Grunderwerbsteuergesetz (in der für das Jahr 2010 geltenden Fassung – GrEStG) vorliegt und ob – sollte dies der Fall sein – die Steuervergünstigung nach § 6a GrEStG eingreift. Zudem ist streitig, ob der Beklagte einen Verspätungszuschlag rechtmäßig festgesetzt hat.

Anfang August 2010 (vor Errichtung der Klägerin) war die in Irland ansässige A Group Unlimited (A) alleinige Gesellschafterin der B Holdings Limited (B), die ihren Sitz ebenfalls in Irland hatte und Alleingesellschafterin weiterer Gesellschaften war, die ihrerseits an (teils inländischen) Gesellschaften beteiligt waren, die über inländischen Grundbesitz verfügten. Andere Gesellschafter waren an diesen grundbesitzenden Gesellschaften nicht beteiligt. Wegen der genauen Gesellschaftsstruktur, die seit über fünf Jahren bestand, wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 19.09.2017 und dessen Anlage K 9 Bezug genommen. Die inländischen Grundstücke der grundbesitzenden Gesellschaften lagen in den Bezirken verschiedener Finanzämter, der wertvollste Bestand an Grundstücken befand sich im Bezirk des Beklagten.

Die Klägerin wurde am 11.08.2010 auf der Grundlage des „BVI Business Companies Act 2004” gegründet. Der Sitz der Klägerin befand sich auf den Britischen Jungferninseln. Sie wurde in das dortige Register eingetragen. Alleinige Gesellschafterin war die A. Die Geschäftsführer der A, der B und der Klägerin (D, E und F) waren alle in Irland ansässig. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die dem Schriftsatz der Klägerin vom 19.09.2017 beigefügten Unterlagen Bezug genommen.

Am 27.08.2010 übertrug die A alle Anteile an der B auf die Klägerin. Wörtlich lautet die entsprechende Erklärung: „In the interest of business rationalisation, the following resolution was prosposed by and approved: That the company in exchange for a consideration of € 100 will transfer it´s [sic] holding of 2,257,100 Ordinary shares of € 1.269738 each in B to A.” Auf die die Anteilsübertragung betreffenden Unterlagen, die der Klageschrift und den Schriftsätzen der Klägerin vom 19.09.2017, vom 25.09.2020 und vom 21.10.2020 beigefügt waren, wird ergänzend Bezug genommen.

Am 28.08.2010 übertrug die Klägerin einen Anteil an der B auf die G Limited, deren Alleingesellschafterin ebenfalls die A war.

Die am 27.08.2010 vorgenommene Übertragung der Anteile an der B auf die Klägerin wurde der deutschen Finanzverwaltung nicht angezeigt.

Seit dem 20.10.2010 ist die Klägerin für steuerliche Zwecke in Irland ansässig.

Nachdem im Jahr 2015 anlässlich einer Außenprüfung durch das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung J die Frage nach der grunderwerbsteuerlichen Relevanz der Anteilsübertragung aufgetaucht war, vertrat die Klägerin die Ansicht, dass zwar ein Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG vorliege, dieser jedoch nach § 6a GrEStG steuerfrei sei (Scheiben vom 04.03.2015, Eingang beim Beklagten am 06.03.2015). Das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung J führte daraufhin im Auftrag des Beklagten Außenprüfungen bei der Klägerin und der A durch, die sich auf die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer nach § 17 GrEStG und die Grundbesitzwerte bezogen. Die Prüfer gelangten zu dem Ergebnis, dass ein Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG vorliege und die Voraussetzungen des § 6a GrEStG nicht erfüllt seien. Wegen der Einzelheiten wird auf die beiden Betriebsprüfungsberichte vom 11.08.2016 nebst Anlagen Bezug genommen.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Steuer Office Excellence enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge