Entscheidungsstichwort (Thema)
Reichweite und gerichtliche Durchsetzung eines Auskunftsanspruchs gemäß Art. 15 DSGVO. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: IX R 20/22)
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine auf Auskunftserteilung gemäß Art. 15 Abs. 1 DSGVO gerichtete Verpflichtungsklage ist unzulässig, wenn es an einem dem Klageverfahren vorausgehenden außergerichtlich gestellten Antrag auf Auskunftserteilung fehlt.
2. Aus dem Auskunftsrecht gemäß Art. 15 Abs. 1 DSGVO ergibt sich kein gebundener Anspruch auf Akteneinsicht. Das Auskunftsrecht ist inhaltlich nicht mit einem Akteneinsichtsrecht identisch.
Normenkette
FGO § 40 Abs. 1-2; DSGVO Art. 15 Abs. 1
Tatbestand
Streitig ist der Auskunftsanspruch nach Art. 15 der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO).
Der Kläger wird beim Beklagten steuerlich geführt.
Bereits vor diesem Verfahren führte der Kläger umfangreiche Klageverfahren vor dem Finanzgericht (FG) Münster gegen den Beklagten. Zuletzt wandte er sich mit einer ebenfalls beim 6. Senat des FG Münster unter dem Aktenzeichen 6 K 2967/18 E, F anhängige Klage gegen die Festsetzung der Einkommensteuer 2009 bis 2015. Einsicht in die vom Beklagten übersandten Akten nahm der Kläger während des Verfahrens nicht. Die Klage wurde mit Urteil vom 29.09.2020 hinsichtlich der Einkommensteuer 2010 bis 2015 abgewiesen.
Mit Schreiben vom 23.09.2019 beantragte der Kläger, vertreten durch den Prozessbevollmächtigten, dass der Beklagte gem. Art. 15 Abs. 1 der DSGVO unentgeltliche und schriftliche Auskunft erteilen solle, welche personenbezogenen Daten hinsichtlich des Klägers verarbeitet würden. Als Auskunft werde eine vollständige Kopie der gesamten Akten und Vorgänge akzeptiert. Der Beklagte teilte dem Kläger persönlich mit Schreiben vom 26.09.2019 mit, dass ein entsprechender Antrag seines Prozessbevollmächtigten eingegangen sei. Parallel würden jedoch mit einem anderen Bevollmächtigten des Klägers Gespräche über die Möglichkeiten der Tilgung etwaiger Rückstände geführt. Der Beklagte bat den Kläger darum, mit seinen Bevollmächtigten abzustimmen, welches weitere Vorgehen gewünscht sei.
Ausweislich eines Telefonvermerks vom 26.09.2019 teilte der Prozessbevollmächtigte mit, dass der Antrag nach DSGVO zurückgestellt werden solle. Mit Schreiben vom 02.03.2020 erinnerte der Prozessbevollmächtigte des Klägers an die Erledigung des Antrags und bat um Bearbeitung. Der Beklagte erwiderte mit Schreiben vom 05.03.2020, dass die Bearbeitung des Antrags auf Wunsch des Klägers zurückgestellt worden sei, nunmehr aber an die Bearbeitung erinnert werde. Es werde daher um Klärung gebeten, ob der Antrag aufrechterhalten werden solle. Mit Schreiben vom 12.03.2020 gab der Kläger, vertreten durch den Prozessbevollmächtigten, gegenüber dem Beklagten unter dem Betreff „Rücknahme des Antrags gemäß DSGVO” an, den auf die DSGVO gestützten Antrag nicht weiter zu verfolgen.
Mit Schreiben vom 15.12.2020 nahm der Kläger, vertreten durch den Prozessbevollmächtigten, auf das Schreiben des Beklagten vom 05.03.2020 Bezug und führte aus, dass man vom Beklagten nicht habe erfahren können, dass eine ordnungsgemäße Fallbearbeitung durch den Beklagten vorliege. Es sei daher erforderlich, die im Finanzamt befindlichen Unterlagen im Einzelnen zu sichten und zu prüfen, um daraus abzuleiten, ob die tatsächliche Bearbeitungsweise korrekt sei.
Der Beklagte werde daher ersucht,
”gemäß den Vorschriften der DSGVO uns alle in Ihrem Hause befindlichen Akten, Teilakten, seien diese als Papierakte (vorliegen) oder als elektronische Akte vorhanden, in unserem Büro zur Verfügung zu stellen. Wir spezifizieren unser Auskunftsbegehren dahingehend, dass wir „alles” sehen möchten. Wir bitten höflich von Anfragen abzusehen, ob wir mit weniger einverstanden sind. Wir werden auch nicht Ihr Finanzamt aufsuchen um uns dort Kopien anzufertigen, wir erwarten die unverzügliche Zusendung der Unterlagen, die uns nach der DSGVO zustehen.”
Ergänzend führte der Kläger, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigen, aus, dass er nicht davon ausgehe, dass die Unterlagen vorgelegt würden und er sich daher entschlossen habe, zeitgleich Klage auf Auskunft nach DSGVO einzureichen. Im Übrigen wird auf das Schreiben des Prozessbevollmächtigten vom 15.12.2020 Bezug genommen.
Am 17.12.2020 hat der Kläger unter Bezugnahme auf den Wortlaut des Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 DSGVO Klage „wegen Verpflichtung zur Auskunft” erhoben. Zur Begründung seiner Klage trägt er vor, dass er seinen Anspruch aus der DSGVO geltend mache. Der Beklagte sei mit Datum vom 15.12.2020 um Auskunft nach der DSGVO ersucht worden. Diese sei unverzüglich zu erteilen. Ausnahmetatbestände, welche eine Ablehnung der Auskunft ganz oder teilweise rechtfertigen würden, lägen nicht vor bzw. seien EU-rechtswidrig und/oder grundgesetzwidrig.
Mit Schreiben vom 12.01.2021 hat der Beklagte den Antrag des Klägers auf Übersendung der gesamten Akten im Original oder in Kopie abgelehnt und eine Akteneinsicht in beschränktem, näher erläuterten Umfang gewährt.
Im vorgenannt...