Entscheidungsstichwort (Thema)
Frage der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes durch Aushändigung von bestellten Fotografien und damit gleichzeitiger Übertragung der Nutzungsrechte nach UrhG
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Übertragung der Nutzungsrechte kommt im Vergleich zur Erstellung und Aushändigung der Fotos demgegenüber eine untergeordnete Bedeutung zu.
2. Das im Hinblick auf die streitgegenständlichen Umsätze dokumentierte Kundeninteresse an der Übertragung der Nutzungsrechte steht der Würdigung der Rechteübertragung als untergeordnet nicht entgegen.
Normenkette
UStG § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c; UrhG § 31; UStG § 12 Abs. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob die Leistungen der Klägerin anteilig dem ermäßigten Umsatzsteuersatz unterliegen.
Die Klägerin gehört zu der Firmengruppe A, welche in Deutschland, B-Staat und C-Staat mehr als x Fotostudios mit über x Beschäftigten betreibt. Die Klägerin selbst betreibt mehrere Fotostudios in Deutschland. Die Firmengruppe präsentiert sich und die Leistungen ihrer Fotostudios im Internet unter der Adresse „https://www.A.de/”.
Zu den Kunden der Klägerin gehören sowohl Privatleute, vornehmlich aus der Altersgruppe der 18- bis 34-Jährigen, als auch kleinere bis größere Unternehmen. Die Klägerin erstellt für ihre Kunden Fotografien, welche diesen im Regelfall in ausgedruckter Form ausgehändigt werden. Die ihren Leistungen zugrundeliegenden allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) sehen vor, dass bei vollständiger Bezahlung des vereinbarten Preises den Kunden auch die Nutzungsrechte an den überlassenden Fotografien übertragen werden. Die Übertragung der Nutzungsrechte wird dem Kunden grundsätzlich weder gesondert noch zusätzlich in Rechnung gestellt. Vereinzelt wird die Übertragung der Nutzungsrechte auch ausführlich einzelvertraglich vereinbart, insbesondere mit gewerblichen Großkunden.
Die Klägerin wandte auf ihre Leistungen sowohl den ermäßigten als auch den Regelsteuersatz an. Sie unterschied dabei wie folgt: Auf ihre Umsätze aus Businessfotografien, z.B. Fotos für Firmenhomepages, Imagebroschüren oder Produktfotografien für Webshops, und Umsätze aus der Erstellung von Bewerbungsfotos, soweit nach den Gesamtumständen eine kommerzielle Verwendungsabsicht, z.B. in Gestalt von Onlinebewerbungen, Veröffentlichungen in beruflichen Netzwerken wie XING, Linkedin u.a., des Kunden nahelag, wendete sie den ermäßigten Steuersatz an. Ihre übrigen Umsätze im Zusammenhang mit Passbildern und Hochzeitsfotografien sowie aus Leistungen, die ohne Nachweis einer weiteren Verwendungsabsicht eher dem privaten Bereich zuzuordnen waren, z.B. Paar-, Baby-, Familien- oder Aktfotografien, unterwarf die Klägerin dem Regelsteuersatz.
Die Klägerin führte in 2018 eine Kundenbefragung durch. Hierfür bat die Klägerin die Kunden, einen von ihr erstellten Fragebogen auszufüllen. Mit diesem konnten die Kunden bestätigen, dass sie „die umfassenden Nutzungsrechte an den durch AB erstellten Bildern benötige[n], da …[sie] die Bilder für einen oder mehrere der nachfolgend aufgeführten Zwecken nutzen werde[n]”. Als Zwecke waren die Veröffentlichung im Internet, der Upload im Rahmen von Online-Bewerbungen, Anlegen eines Bewerberprofils in einer Online-Jobbörse oder sonstige gewerbliche/kommerzielle Nutzung aufgeführt (vgl. Bl. 75 der Gerichtsakte).
Die Klägerin stellte beim Beklagten am 09.11.2018 einen Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft, ob die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf Grundlage der von den Kunden ausgefüllten Frage- bzw. Bestätigungsbögen aus Sicht des Beklagten rechtmäßig sei. Auf den Inhalt des Antrags (Bl. 45 ff. der Gerichtsakte) sowie seiner Ergänzung (Bl. 77 ff. der Gerichtsakte) wird Bezug genommen. Dieser Antrag wurde vom Beklagten dergestalt beschieden, dass der Beklagte von der Anwendbarkeit des Regelsteuersatzes auf alle von der Klägerin geschilderten Sachverhaltsgruppen ausging. Auf die verbindliche Auskunft vom 24.08.2019 wird ebenfalls Bezug genommen (Bl. 84 ff. der Gerichtsakte).
Daraufhin führte die Klägerin im Juli 2019 eine Befragung der Kunden, ob diese die Nutzungsrechte für gewerbliche oder kommerzielle Zwecke zu verwenden beabsichtigen, mittels eines leicht geänderten Fragebogens durch (vgl. exemplarisch Bl. 32 ff. der Gerichtsakte).
Mit ihrer Umsatzsteuer-Voranmeldung für Juli 2019 vom 10.09.2019 erklärte die Klägerin zunächst eine festzusetzende Umsatzsteuer i.H.v. yy € (Bl. 42 der Gerichtsakte). Sie beantragte jedoch am 15.11.2019 eine Minderung der Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für Juli 2019 (Bl. 38 der Gerichtsakte). Nach Auswertung der erhobenen und dokumentierten Kundenangaben für Juli 2019 seien in der bisherigen Umsatzsteuer-Voranmeldung Bruttoumsätze von zzz € zu Unrecht dem Regelsteuersatz unterworfen worden. Insoweit sei vielmehr der ermäßigte Steuersatz anzuwenden. Den Kunden ist für diese Umsätze eine Umsatzsteuer i.H.v. 7 % in Rechnung gestellt worden (Bl. 103 f. der Gerichtsakte). Der Beklagte lehnte den Änderungsantrag am 13.01.2020 ab (Bl. 36 der Gericht...