Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufwendungen für „Essen auf Rädern” als außergewöhnliche Belastungen
Leitsatz (redaktionell)
Aufwendungen für sog. „Essen auf Rädern” können nicht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden. Derartige Aufwendungen sind ebenso wie Kosten für Verpflegung allgemein, gleichgültig, in welcher Höhe sie tatsächlich anfallen, oder auch krankheitsbedingt höhere Verpflegungsaufwendungen nicht nach § 33 Abs. 1 EStG abziehbar, da sie zu den üblichen Aufwendungen für die Lebensführung zählen und nicht unmittelbar zur Heilung aufgewendet werden, sondern als Folgekosten gelegentlich einer Krankheit entstehen.
Normenkette
EStG § 33 Abs. 2 Sätze 1, 3, Abs. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob Aufwendungen für sog. „Essen auf Rädern” als außergewöhnliche Belastungen abziehbar sind.
Der Kläger und seine zwischenzeitlich verstorbene Ehefrau, deren Alleinerbe er ist, wurden im Streitjahr 2019 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt (§§ 26, 26b des Einkommensteuergesetzes – EStG –). Sie erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, Vermietung und Verpachtung sowie sonstige Einkünfte. Beide Eheleute wiesen im Streitjahr einen Grad der Behinderung (GdB) von 100 mit Merkzeichen G auf. Bei dem Kläger war der Pflegegrad 2 festgestellt. Bei seiner Ehefrau war ebenfalls zunächst der Pflegegrad 2 festgestellt bzw. ab Oktober 2019 der Pflegegrad 3.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2019 beantragten der Kläger und seine Ehefrau die Berücksichtigung eines Betrages in Höhe von insgesamt 7.908,13 € als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG. Hierin enthalten war u.a. ein Betrag in Höhe von 1.541,05 € für die Lieferung von Mittagessen, sog. „Essen auf Rädern”, ab Mai 2019 durch die X GmbH & Co. KG bzw. den D e.V. Hierbei handelte es sich um Mahlzeiten wie z.B. „Rindergulasch mit buntem Möhrengemüse”, „Panierte Alaska-Seelachshappen” oder „Wirsing-Möhren-Eintopf”” (vgl. beispielhaft Rechnung vom 01.07.2019). Die Preise pro Mittagessen/Person inklusive Lieferung beliefen sich ausweislich der in den Akten des Beklagten befindlichen Rechnungen, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, im Wesentlichen auf Beträge zwischen 7,00 € und 8,90 €. In den Rechnungen war jeweils nur dieser Gesamtbetrag für Essen und Lieferung ohne Aufteilung ausgewiesen.
Mit Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2019 vom 17.07.2020 setzte der Beklagte gegenüber dem Kläger und seiner Ehefrau die Einkommensteuer auf 318,00 € fest. Die geltend gemachten Aufwendungen für das sog. „Essen auf Rädern” berücksichtigte er nicht bei den außergewöhnlichen Belastungen. Der Bescheid erging nach § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Der Kläger und seine Ehefrau legten gegen den Bescheid – u.a. aufgrund der Nichtberücksichtigung der Aufwendungen für die Essenslieferungen – Einspruch ein. Sie verwiesen insoweit auf das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 15.07.2011, Az. 14 K 1226/10 E.
Daraufhin erließ der Beklagte am 28.10.2020 einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2019. Aufgrund hier nicht streitgegenständlicher Punkte setzte er die Einkommensteuer gegenüber dem Kläger und seiner Ehefrau auf nunmehr 464,00 € fest. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben.
Am 18.11.2020 verstarb die Ehefrau des Klägers. Mit nochmals geändertem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2019 vom 21.01.2021 setzte der Beklagte die Einkommensteuer gegenüber dem Kläger auf nunmehr 206,00 € fest. Die Aufwendungen für das sog. „Essen auf Rädern” berücksichtigte er weiterhin nicht als außergewöhnliche Belastungen. Die berücksichtigten und im Übrigen unstreitigen außergewöhnlichen Belastungen in Höhe von 4.620 € überstiegen die zumutbare Belastung von 1.592 €, so dass ein Betrag in Höhe von 3.028 € zum Abzug kam. Daneben berücksichtigte der Beklagte einen Behindertenpauschbetrag von 2.840 € für beide Eheleute zusammen.
Mit Einspruchsentscheidung vom 17.02.2021, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, wies der Beklagte den insoweit aufrechterhaltenen Einspruch des Klägers als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er insbesondere aus, dass § 33 EStG den Abzug zwangsläufiger Mehraufwendungen für denjenigen existenznotwendigen Grundbedarf gewährleiste, der sich wegen seiner Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung durch allgemeine Freibeträge entziehe. Voraussetzung für eine Berücksichtigung nach § 33 EStG sei, dass nicht nur die Aufwendungen ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen lägen, sondern dass auch das die Aufwendungen auslösende Ereignis außergewöhnlich sei. Typische Vorgänge der Lebensführung fielen damit aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG heraus. Heute sei es aber sicherlich den typischen Vorgängen der Lebensführung zuzuordnen, Essen nach Hause zu bestellen; dieses geschehe aus Alters- oder Krankheitsgründen oder werde auch anderen Lebensumständen geschuldet. Es handele sich dabei nicht um größere Aufwendungen, als sie der überwiegenden...