Entscheidungsstichwort (Thema)
Auszahlung der Todesfallleistung bei einer Rentenversicherung gegen Einmalbetrag mit sofort beginnender Rentenzahlung als schenkungs- bzw. erbschaftsteuerbarer Vorgang
Leitsatz (redaktionell)
Bei der Übertragung einer Versicherungsnehmerstellung und Auszahlung der Todesfallleistung bei einer Rentenversicherung gegen Einmalbetrag mit sofort beginnender Rentenzahlung handelt es sich um eine Schenkung unter Lebenden gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, die allerdings bezüglich des Zuwendungsgegenstandes Todesfallleistung und bezüglich des dafür maßgeblichen Steuerentstehungszeitpunkts an den Tod des Erblassers anknüpft. Bei einer solchen Gestaltung eines Lebensversicherungsvertrags kann die Zuwendung der Todesfallleistung zusammen mit anderen von Todes wegen erworbenen Vermögensgegenständen einen einheitlichen, der Erbschaftsteuer unterliegenden Erwerb bilden.
Die Schenkung der Todesfallleistung aus einer solchen Versicherung, die dem Grunde nach vom Eintritt des Todes der versicherten Person und der Höhe nach von dem im Todeszeitpunkt noch vorhandenen Kapital abhängig ist, kann gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) ErbStG als lex specialis zu § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG erst mit dem Eintritt der Bedingung (hier: dem Tod des Erblassers), besteuert werden.
Die Regelung des § 9 Abs. 1 Nr. 1a ErbStG ist nicht auf Fälle des Erwerbes von Todes wegen beschränkt und auch anwendbar, wenn schenkungsweise übertragene Ansprüche (hier: Übertragung einer Versicherungsnehmerstellung) dergestalt betagt sind, dass der Zeitpunkt des Eintritts des zur Fälligkeit führenden Ereignisses (hier: Tod des Erblassers) unbestimmt ist.
Normenkette
ErbStG § 7 Abs. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1a, § 3 Abs. 1 Nr. 2
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die Auszahlung einer Todesfallleistung aus einer Rentenversicherung mit sofort beginnender Rentenzahlung ein schenkungs- bzw. erbschaftsteuerbarer Vorgang ist.
Die Klägerin und ihre Schwester, Frau F. S., sind aufgrund des Testaments vom 24.12.2017 je zur Hälfte Erbinnen nach ihrer am 06.04.1935 geborenen und am 03.02.2018 verstorbenen Mutter, Frau N. S..
Die Erblasserin schloss im Dezember 2017 bei der Q-Versicherung (im Folgenden auch „Q-Versicherung”) einen Leibrentenvertrag nach dem Tarif A ab (Versicherungsnummer 1, Tarifwerk 2017).
Es handelte sich dabei um eine Rentenversicherung mit sofort beginnender Rentenzahlung, bei der der Versicherungsnehmer einen Einmalbetrag an das Versicherungsunternehmen zahlte. Die Versicherung sah vor, dass an den Versicherungsnehmer lebenslang eine laufende monatliche Rente gezahlt wird, die sich aus einem garantierten Rentenbetrag und aus einer (variablen) Überschussbeteiligung zusammensetzte; die Höhe der Rente aus der Überschussbeteiligung war jeweils nur für ein Jahr zugesichert. Im Todesfall der versicherten Person sollte der noch nicht durch die garantierte Rente aufgezehrte Rest des Einmalbetrags als Todesfallleistung ausgezahlt werden.
Versicherungsnehmerin und versicherte Person war die bei Vertragsabschluss 82 Jahre alte Erblasserin. Als Einmalbetrag wurden 180.737,20 Euro vereinbart. Die monatliche Rente betrug anfangs 737,20 Euro, wobei sich dieser Betrag aus einer Überschussbeteiligung in Höhe von 86,41 Euro und einem über die Laufzeit des Vertrags unveränderten Betrag (vereinbarte Rente) in Höhe von 650,79 Euro ergab. Als Versicherungsbeginn wurde der 01.01.2018, als Beginn der Rentenzahlung der 01.02.2018 festgelegt. Da die erste Gesamtrente im einzuzahlenden Einmalbetrag (Einlösungsbetrag) berücksichtigt war, belief sich dieser auf 180.000 Euro. Eine vorzeitige Kündigung der Versicherung war ausgeschlossen. Als bezugsberechtigte Person bei Tod der versicherten Person war die Klägerin benannt. Die auf den Einmalbetrag entfallenden Abschlusskosten sollten 7.228,67 Euro und die Verwaltungskosten im ersten Jahr 1.942,31 Euro betragen. Im Übrigen wird auf den Versicherungsschein vom 28.12.2017 sowie auf die „Darstellung für eine sofort beginnende Rentenversicherung nach Tarif A (Tarifwerk 2017)” und das „Produktinformationsblatt zur sofort beginnenden Rentenzahlung (Stand 01.01.2017)”, jeweils vom 19.12.2017, verwiesen.
Dem Vertragsschluss lagen „Allgemeine Bedingungen für die Rentenversicherung mit sofort beginnender Rentenzahlung” (AVB) mit Stand vom 01.01.2017 zugrunde. Nach § 1 Abs. 1 (a) dieser Bedingungen war der Tarif A eine lebenslange Rentenversicherung. Die Versicherungsleistung beim Tod der versicherten Person für den Tarif A („Rentenversicherung mit Beitragsrückgewähr bei Tod abzüglich bereits gezahlter Renten”) war nach § 1 Abs. 2 (b) der AVB die Rückzahlung des Einmalbetrages abzüglich der bereits gezahlten vereinbarten Renten; dann sollte der Vertrag enden.
§ 6 der AVB enthielt Ausführungen zu der Frage: „Wann können Sie eine Kapitalentnahme beantragen?” Für Rentenversicherungen mit Beitragsrückgewähr bei Tod im Sinne des § 1 Abs. 2 (b) der AVB war die einmalige Kapitalentnahme nur vorgesehen mit Zustimmung der ...