Revision eingelegt (BFH II R 51/12)
Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Frage, ob bei einer Einheits-GmbH & Co. KG eine sowohl unmittelbare als auch mittelbare Vereinigung aller Anteile in einer Hand i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG vorliegt
Leitsatz (redaktionell)
1. Anteile werden unmittelbar in einer Hand vereinigt, wenn sie dem Erwerber zu mindestens 95 v.H. zivilrechtlich zuzuordnen sind.
2. Eine mittelbare Anteilsvereinigung kann durch eine zu mehr als 95 v.H. beherrschte Hand vermittelt werden, d.h. der Zugriff erfolgt über eine zwischengeschaltete Gesellschaft, an der der Anteilserwerber zu mindestens 95 v.H. beteiligt ist.
3. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG will über die mittelbare Anteilsvereinigung die Fälle erfassen, in denen der Anteilserwerber die Anteile einer Gesellschaft mit Grundbesitz (auch teils) mittelbar über eine andere Gesellschaft hält, an der er zu 100 v.H. bzw. mindestens 95 v.H. beteiligt ist.
Normenkette
GrEStG § 1 Abs. 2a, 3 Nr. 1
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob die Veräußerung eines Kommanditanteils an einer grundbesitzenden Einheitsgesellschaft einen grunderwerbsteuerbaren Tatbestand nach § 1 Abs. 2a GrEStG oder § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG auslöst.
An der C GmbH & Co. KG war als Komplementärin die D -GmbH beteiligt, ein Anteil am Gesellschaftsvermögen der C GmbH & Co. KG stand der Komplementärin nicht zu. Alle Geschäftsanteile der Komplementärin D -GmbH wurden von der C GmbH & Co. KG gehalten (sog. Einheitsgesellschaft). Als Kommanditisten waren an der C GmbH & Co. KG die Klägerin mit einer Kommanditeinlage von 1.227.100,52 € (= 2.400.000 DM bzw. 60 v.H.) und F mit einer Kommanditeinlage von 818.067,01 € (= 1.600.000 DM bzw. 40 v.H.) beteiligt. Die C GmbH & Co. KG besaß Grundvermögen.
Mit privatschriftlichem Vertrag vom 22.12.2004 und schuldrechtlicher Wirkung frühestens zum 01.01.2005 übertrug F seinen Kommanditanteil in Höhe von 40 v.H. auf die Klägerin. Der Vertrag wurde dem Finanzamt - Grunderwerbsteuerstelle - im Mai 2008 bekannt.
Das Finanzamt ermittelte, dass die bisherigen Beteiligungsverhältnisse an der C GmbH & Co. KG, also auch die Beteiligung der Klägerin in Höhe von 60 v.H., bereits seit mindestens 01.01.1999 bestanden hatten. Für den Grundbesitz der C GmbH & Co KG in X stellte das Lagefinanzamt X mit Bescheid vom 23.12.2009 einen Grundbesitzwert in Höhe von 2.945.500 € fest. Das beklagte Finanzamt setzte durch Bescheid vom 11.01.2010 aus dieser Bemessungsgrundlage gegenüber der Klägerin Grunderwerbsteuer in Höhe von 103.092 € unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest.
Das Einspruchsverfahren verlief erfolglos. Mit der Einspruchsentscheidung vom 04.08.2011 wurde der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben, die Festsetzung der Grunderwerbsteuer erging gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AO vorläufig hinsichtlich der Frage, ob die Heranziehung der Grundbesitzwerte im Sinne des § 138 BewG als Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer verfassungsgemäß ist.
Die Klägerin hat Klage erhoben. Während des Klageverfahrens hat das Finanzamt am 13.02.2012 den Bescheid über Grunderwerbsteuer geändert, die Gegenleistung in Höhe von 1.767.300 € nach § 6 Abs. 2 GrEStG steuerfrei belassen und die Grunderwerbsteuer auf 41.237 € herabgesetzt; der Vorläufigkeitsvermerk blieb bestehen.
Die Klägerin beantragt,
- den Grunderwerbsteuerbescheid vom 11.01.2010 und die Einspruchsentscheidung vom 04.08.2011 sowie den geänderten Grunderwerbsteuerbescheid vom 13.02.2012 aufzuheben.
Sie trägt zur Begründung im Wesentlichen vor:
Ein Grunderwerbsteuer auslösender Sachverhalt sei nicht gegeben. Die Auffassung des Finanzamts, beide Vorgänge - Erwerbe der Beteiligungen von 60 v.H. und von 40 v.H. - seien unter grunderwerbsteuerlichem Gesichtspunkt zusammenzufassen und nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG steuerbar und steuerpflichtig, sei unzutreffend. Der Erwerb der Beteiligung von 40 v.H. zum Stichtag 01.01.2005 habe außerhalb der Fünf-Jahres-Frist gelegen und unterliege somit nicht der Grunderwerbsteuer. Nach der Gesetzeslogik stelle ein Erwerb von mehr als 95 v.H. in einem Zeitfenster kleiner/gleich fünf Jahren einen grunderwerbsteuerpflichtigen Vorgang dar, außerhalb dieses Zeitfensters löse er keine Grunderwerbsteuer aus. Aus dem Urteil des FG Münster vom 19.09.2007 8 K 3489/05 GrE (juris) und der Logik des Gesetzes ergebe sich im Umkehrschluss, dass bei einem Gesellschafterwechsel von mehr als 95 v.H. in einem Zeitraum von mehr als fünf Jahren die Grunderwerbsteuer entfalle.
Zwischen § 1 Abs. 2a GrEStG und § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG bestehe ein teleologischer Widerspruch, welcher durch Ignorieren eines vor Jahren erfolgten und augenscheinlich nicht auf einen Grundstückserwerb bestimmten Anteilskaufs nicht wahrgenommen werden könne. Diese Inkonsistenz des Grunderwerbsteuergesetzes sei jedoch im Streitfall maßgebend. Da gemäß § 1 Abs. 2a GrEStG eine Besteuerung von mittelbarem Grundstückserwerb von weniger als 95 v.H. unterbleibe, wenn ein Gesamterwerb von mehr als 95 v.H. nach einem...