Entscheidungsstichwort (Thema)

Nach dem Anfechtungsgesetz (AnfG) sind Leistungen eines Ehemanns zugunsten seiner Ehefrau für die Anschaffung eines Hausgrundstücks in ihrem Alleineigentum mit Duldungsbescheid anfechtbar, wenn sie ohne angemessene Gegenleistungen erfolgen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Entnahme von betrieblichen Geldmitteln zur Finanzierung eines Hausgrundstücks im Alleineigentum der Ehefrau ist eine anfechtbare Rechtshandlung i.S.v. § 1 AnfG, die zur Duldung der Vollstreckung in das Hausgrundstück führen kann.

2. Zuwendungen eines Ehepartners stellen Gläubiger benachteiligende unentgeltliche Leistungen i.S.v.§ 4 AnfG dar, wenn sie über den gesetzlich geschuldeten Familienunterhalt hinausgehen.

3. Die Obliegenheit zur Sorge für einen angemessenen Familienunterhalt umfaßt nicht die Pflicht zur Anschaffung oder Mitfinanzierung eines Eigenheims.

4. Die Ausreichung eines Darlehens ist dann nicht als ein entgeltliches Geschäft anzusehen, wenn es in seiner Ausgestaltung nicht geeignet ist, einen werthaltigen Zins- und Rückforderungsanspruch zu begründen.

 

Normenkette

AO § 191 Abs. 1 S. 2; FGO § 102; AnfG §§ 1, 3-4, 11, 13-14; BGB §§ 488, 773, 1360

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Beklagte zurecht die Klägerin nach dem Anfechtungsgesetz (AnfG) mit einem Duldungsbescheid für Steuerschulden ihres Ehemanns in Anspruch nimmt.

Der Ehemann der Klägerin betrieb seit 2009 als Einzelunternehmer den Handel mit Edelmetallen. Die Umsatzsteuer für 2010, festgesetzt in dem nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Bescheid vom 31.03.2015 in Höhe von 3.233.340,80 € und Nebenleistungen hierzu, blieb er mit einem Betrag von 3.417.796,45 € dem Beklagten schuldig; Beitreibungsversuche in sein bewegliches Vermögen waren ohne Erfolg.

Nach Anhörung erließ der Beklagte am 17.12.2015 gegenüber der Klägerin einen Duldungsbescheid mit einem Betrag in Höhe von 242.738 €. Als Rechtsgrund für den Erlass des Duldungsbescheides gab der Beklagte§ 1 , § 3, § 4 und § 11 des AnfG an.

Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Klägerin erwarb mit notariellem Vertrag das Grundstück A in A-Stadt zu einem Kaufpreis von 700.000 €. Sie wurde am 27.05.2013 im Grundbuch als alleinige Eigentümerin eingetragen. Der Kaufpreis und weitere Nebenkosten für das Anwesen wurden durch drei Darlehen der Sparkasse A-Stadt, die die Klägerin in Höhe von insgesamt 600.000 € aufgenommen hatte, sowie durch Eigenkapital von 300.000 € finanziert (Gesamtkosten von ca. 900.000 €). Zugunsten der Sparkasse A-Stadt wurde eine erstrangige Buchgrundschuld von 600.000 € im Grundbuch eingetragen. Für die Darlehen bürgte der Ehemann der Klägerin, mit dem sie im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebt, selbstschuldnerisch; zudem verpfändete er an die Sparkasse A-Stadt einen Bausparvertrag über 100.000 €.

Die Zahlung des Kaufpreises und von Nebenkosten (insg. 749.938 €) wurden ebenso wie die Darlehensauszahlung über das Konto des Ehemanns bei der Sparkasse A-Stadt abgewickelt, über das auch die Klägerin verfügungsbefugt war. Hierzu schrieb der Ehemann dem Konto am 30.04.2013 einen Betrag von 160.000 € aus seinem Betriebsvermögen gut. Am 02.05.2013 wurden die Darlehen von insg. 600.000 € dem Konto gutgeschrieben und am gleichen Tag der Kaufpreis von 700.000 € überwiesen. Ebenfalls am 02.05.2013 erfolgten über dieses Konto die Bezahlung der Maklerprovision (24.990 €), von Grundbuchkosten (1.498 €) und der Grunderwerbsteuer (23.450 €). Zudem wurden die Zins- und Tilgungsleistungen seit Mai 2013 in Höhe von monatlich 2.900 € für die genannten Sparkassendarlehen über das Konto angewiesen und vom Ehemann der Klägerin getragen.

In dem Duldungsbescheid ging der Beklagte von unentgeltlichen Zuwendungen des Ehemanns an die Klägerin aufgrund der gewährten Eigenmittel im Gesamtbetrag von 149.938,00 € und der monatlichen Zins- und Tilgungsleistungen von je 2.900 € für die Monate Mai 2013 bis Dezember 2015 (insg. i.H.v. 92.800 €) aus. Somit seien 242.738,00 € entsprechend der im Duldungsbescheid ausgewiesene Duldungspflicht aus dem Vermögen des Ehemanns an die Klägerin übertragen worden. Die Zahlungspflicht wurde gem. § 14 AnfG vorläufig gestellt, sobald und soweit die genannten Abgabenforderungen bestandskräftig festgesetzt worden seien.

Auf den Duldungsbescheid vom 17.12.2015 wird Bezug genommen.

Im fristgerecht hiergegen angestrengten Einspruchsverfahren trug die Klägerin im Wesentlichen vor, dass die Vermögenszuwendungen des Ehemanns nicht unentgeltlich erfolgt seien und er das oben genannte Anwesen auch mit bewohnen würde. Um die Eigenmittel für den Hauskauf leisten zu können, habe sie von ihrem Ehemann mit Vertrag vom 10.03.2013 ein Darlehen in Höhe von 155.000 € erhalten, das eine Verzinsung vorsehe. Die Zins- und Tilgungsleistungen des Ehemanns beruhten auf dessen Verpflichtung, für die Familie Unterhalt zu leisten. Zu dem Zeitpunkt, als das Hausgrundstück erworben worden sei, hätten gegenüber dem Ehemann keine Steuerschulden bestanden. Da es zu dieser Zeit keine Gläubiger gegeben habe, habe...

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