Entscheidungsstichwort (Thema)
Bekanntgabe eines Steuerbescheids an den Kläger oder den Bevollmächtigten
Leitsatz (amtlich)
Die Finanzbehörde muss Steuerbescheide beim Fehlen einer schriftlichen Vollmacht dem Steuerpflichtigen persönlich bekannt geben, wenn nicht die besonderen Umstände des Einzelfalles das Interesse des Steuerpflichtigen an einer Bekanntgabe gegenüber seinem Bevollmächtigten eindeutig erkennen lassen.
Grundsätzlich muss sich der Steuerpflichtige zweifelsfrei erklären, wenn er keine Bekanntgabe an sich selbst, sondern an den Bevollmächtigten wünscht.
Normenkette
AO § 122 Abs. 1, § 80 Abs. 3 S. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob der Einkommensteuerbescheid 1997 vom 29.06.1999 durch Bekanntgabe an den Kläger persönlich wirksam geworden ist.
Nach wiederholten Fristverlängerungsanträgen für die Abgabe der Steuererklärung 1997 durch die Steuerberaterin des Klägers, zuletzt abgelehnt mit Verfügung des Finanzamts vom 10.05.1999 an die Steuerberaterin und einer Schätzungsandrohung gem. § 162 AO wegen Nichtabgabe der Einkommensteuererklärung 1997 vom 07.04.1999, ebenfalls an die Steuerberaterin des Klägers, erließ das Finanzamt am 29.06.1999 einen endgültigen Einkommensteuerbescheid, den es an den Kläger persönlich bekannt gab. In dem Bescheid setzte das Finanzamt die Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit mit 110.000,-- DM und die Einkommensteuer mit 34.456,00 DM fest. Auf Grund eines Grundlagenbescheids erließ das Finanzamt am 27.08.1999 einen Änderungsbescheid nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO, den es wiederum direkt dem Kläger bekannt gab. Hiergegen legte die Bevollmächtigte des Klägers Einspruch ein. Nachdem weitere Grundlagenbescheide ergangen waren, erließ das Finanzamt jeweils Änderungsbescheide am 01.02., am 23.02. und am 14.03.2000 nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO. Diese Bescheide wurden nunmehr der Steuerberaterin bekannt gegeben, die gegen sämtliche Änderungsbescheide am 03.03.2000 bzw. 27.03.2000 Einsprüche eingelegt hatte. In der Einkommensteuererklärung vom 28.04.2000 erklärte der Kläger u.a. Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 59.911,-- DM. In der Einkommensteuererklärung war die Steuerberaterin als Empfangs- und Zustellungsbevollmächtigte aufgeführt. Mit Schreiben vom 29.05.2000 an das Finanzamt machte die Steuerberaterin geltend, dass der Bescheid vom 29.06.1999 nicht bekannt gegeben und deshalb unwirksam sei.
In einem weiteren Bescheid vom 26.06.2000 an die Steuerberaterin, gegen den ebenfalls Einspruch eingelegt war, wurde die auf der Lohnsteuerkarte ausgewiesene bezahlte Lohnsteuer auf die Einkommensteuer angerechnet und der Bescheid entsprechend geändert. Die Einsprüche wurden durch Entscheidung vom 27.06.2000 zurückgewiesen.
Mit der Klage vom 28.07.2000 macht der Kläger geltend, der Einkommensteuerbescheid vom 29.06.1999 sei nicht wirksam geworden. Die Steuerberaterin werde seit 1986 für den Kläger als Empfangsbevollmächtigte geführt. Seitdem seien ihr sämtliche Bescheide bekannt gegeben worden. Erstmals im Streitjahr sei ein geschätzter Einkommensteuerbescheid direkt dem Kläger zugestellt worden. Dieser sei nicht wirksam.
Der Kläger beantragt, den Einkommensteuerbescheid vom 14.03.2000 und die Einspruchsentscheidung vom 27.06.2000 dahin zu ändern, dass wegen fehlender Bekanntgabe des Steuerbescheids vom 29.06.1999 die Angaben in der Steuererklärung 1997 zugrundegelegt werden. Er beantragt weiter, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären und im Fall des Unterliegens die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.
Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen. Der Einkommensteuerbescheid vom 29.06.1999 sei dem Kläger selbst bekannt gegeben worden, weil keine Empfangsvollmacht der Steuerberaterin vorgelegen habe. Dieser Bescheid sei bestandskräftig geworden. Die folgenden Änderungsbescheide könnten nur insoweit angegriffen werden, als die Änderung reiche. Die Änderung der Einkommensteuerfestsetzung am 27.08.1999 sei zu Gunsten des Klägers erfolgt. Änderungen auf Grund des Einspruchs seien innerhalb des bestehenden Änderungsrahmens nur noch zu Ungunsten möglich. Mit Abgabe der Einkommensteuererklärung werde jedoch eine Änderung der Steuerfestsetzung zu Gunsten des Kläger begehrt. Dies sei nicht möglich. Zu Recht sei deshalb mit Bescheid vom 26.06.2000 nur die Anrechnung der Steuerabzugsbeträge geändert worden.
Aus den vorliegenden Einkommensteuerakten ergibt sich, dass in den Vorjahren alle Bescheide und der gesamte Schriftverkehr an die Steuerberaterin bekannt gegeben worden sind. In allen Einkommensteuererklärungen findet sich auf dem Mantelbogen eine Empfangsvollmacht für die Steuerberaterin. Erstmals 1996 ist vor Abgabe einer Steuererklärung ein Schätzungsbescheid direkt an den Steuerpflichtigen ergangen, der jedoch fristgerecht mit Einspruch angefochten worden war.
In der mündlichen Verhandlung legte die Klägervertreterin eine Vertretungsvollmacht des Klägers vor. Die ursprüngliche Adresse ...