Rechtsausführungen bestätigt durch BFH Beschluss X B 23/23 vom 30. 8. 2023

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Weitere Anwendung der Regelungen über den gesetzlichen Zinssatz (§ 233a i.V.m. § 238 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung) bis 31.12.2018 trotz Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz Wahlrecht zwischen der sofortigen Versteuerung des Veräußerungsgewinns nach den §§ 16,34 EStG und einer nicht tarifbegünstigten Besteuerung der nachträglichen Betriebseinnahmen im Jahr des Zuflusses (§ 24 Nr. 2 EStG i.V.m. § 15 EStG)

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Zwar hat das BVerfG im Beschluss 1 BvR 2237/1 vom 8. Juli 2021 die Vollverzinsung in fixer Höhe von 0,5 % pro Monat umfassend und für alle Verzinsungszeiträume ab dem 01.01.2014 mit Art 3 Abs. 1 GG für unvereinbar erklärt. Jedoch hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich die Fortgeltung des§ 233a i.V.m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO für Verzinsungszeiträume vom 01.01.2014 bis zum 31.12.2018 für geboten erklärt und den Gesetzgeber aufgefordert, für spätere Zeiträume eine Neuregelung zu schaffen.

2. a) Der Veräußerungsgewinn gemäß § 16 EStG entsteht mit der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums auf den Erwerber. Es kommt nicht darauf an, ob der vereinbarte Kaufpreis sofort fällig, in Raten zahlbar oder langfristig gestundet ist und wann der Verkaufserlös dem Veräußerer tatsächlich zufließt (vgl. BFH, Beschluss vom 19. Juli 1993 - GrS 2/92 -, BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897, m.w.N.).

b) Ausnahmsweise hat der Veräußerer nach ständiger Rechtsprechung ein Wahlrecht zwischen der sofortigen Versteuerung des Veräußerungsgewinns nach den §§ 16, 34 EStG und einer nicht tarifbegünstigten Besteuerung der nachträglichen Betriebseinnahmen im Jahr des Zuflusses (§ 24 Nr. 2 EStG i.V.m. § 15 EStG), wenn er einen Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil gegen langfristig wiederkehrende, wagnisbehaftete Bezüge veräußert (vgl. u.a. BFH I R 9/08 vom 18. 3. 2009 m.w.N.). Um solche Bezüge handelt es sich, wenn sie lebenslang zu zahlen sind oder bei fester Laufzeit von mehr als zehn Jahren primär der Versorgung oder bei besonders langer Laufzeit mindestens auch der Versorgung des Berechtigten dienen. Das Wahlrecht besteht auch dann, wenn die langfristig wiederkehrenden Bezüge zusätzlich zu einem festen Entgelt gezahlt werden (BFH IV R 14/90 vom7. 11. 1991).

c) Soweit die Rechtsprechung ein Wahlrecht auch bei vereinbarten Kaufpreisraten anerkennt, die der Versorgung des Veräußerers dienen, konnte der BFH und kann das erkennende Gericht mangels Entscheidungserheblichkeit bislang offenlassen, ob hieran festzuhalten ist oder ob diese Rechtsprechung überholt ist (vgl. hierzu BFH X R 36/08 vom 15. 6. 2010,BFH XI B 56/06 vom 19. 3. 2007 .

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 3, § 16; AO § 164 Abs. 1-2, § 233a

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 30.08.2023; Aktenzeichen X B 23/23)

 

Tatbestand

Die Kläger sind Ehegatten, die im Streitjahr 2011 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger (geboren 1959) erzielte gewerbliche Einkünfte aus seiner Tätigkeit als Versicherungsmakler, der Gewinn wurde gemäß § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) ermittelt.

Mit Vertrag vom 19.09.2011, worauf wegen der Einzelheiten verwiesen wird, veräußerte der Kläger sämtliche Courtageansprüche aus seinem Kunden- und Vertragsbestand an die A-GmbH. Übergabezeitpunkt war der 01.10.2011.

Als Kaufpreis wurden 165.000 € vereinbart. Dieser sollte laut Vertrag in zwei Raten gezahlt werden. Die erste Kaufpreisrate i.H.v. 99.000 € war sofort zum Übergabezeitpunkt fällig. Die zweite Rate i.H.v. 66.000 € war am 31.01.2013 fällig und wurde durch eine Bankbürgschaft abgesichert, die vom Kläger auch in Anspruch genommen wurde.

Der Kaufpreis beruhte auf einer Ermittlung der Nettobestandscourtage für das Jahr 2010 i.H.v. 66.000 €. Entsprechend der vertraglichen Vereinbarung sollte sich die zweite Kaufpreisrate in Abhängigkeit von der erzielten Courtage im Jahr 2012 erhöhen oder verringern.

Hinsichtlich der Höhe der zweiten Kaufpreisrate herrschte zwischen den Vertragsparteien Streit, der letztlich in einem Rechtsstreit vor dem Landgericht Stadt 1 mündete. Der Ausgang dieses Verfahrens endete unstreitig, es verblieb bei den vertraglich festgelegten Werten.

Mit Einkommensteuerbescheid 2011 vom 14.10.2013, der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) erging, wurde vom Beklagten ein erklärter Veräußerungsgewinn gem. § 16 EStG i.H.v. 99.000 € angesetzt.

Aufgrund einer durchgeführten Außenprüfung für die Jahre 2010 - 2012 änderte das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid 2011 gem. § 164 Abs. 2 AO entsprechend den Prüfungsfeststellungen und berücksichtigte mit Bescheid vom 12.04.2016 einen Veräußerungsgewinn gem. § 16 EStG i.H.v. 155.182 € (Veräußerungspreis 165.000 € abzüglich Veräußerungskosten 9.817,50 €) im Streitjahr. Die Einkommensteuer 2011 wurde auf 63.532 € festgesetzt, zudem wurden Zinsen in Höhe von 5.517 € festgesetzt. Laut den Prüfungsfeststellungen handele es sich um eine Betriebsveräußerung im Ganzen gem. § 16 Ab...

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