Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermessensreduzierung auf Null bei vorläufiger Festsetzung von Kindergeld
Leitsatz (redaktionell)
Ist ein Kind in den Haushalt beider - getrennt lebender - Elternteile aufgenommen, so gilt die bisherige Bestimmung des Kindergeldberechtigten solange fort, bis sie von einem Elternteil widerrufen wird. Bestimmen die Eltern nicht anschließend einen Berechtigten, so muss der Berechtigte vom Vormundschaftsgericht bestimmt werden; der Familienkasse ist die Bestimmung verwehrt. Um ihrem Neutralitätsgebot gegenüber beiden Kindergeldberechtigten gerecht zu werden, muss die Familienkasse in diesem Fall die Kindergeldfestsetzung für folgende Zeiträume aufheben und die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung gemäß § 165 Abs. 1 AO für vorläufig erklären im Hinblick auf die ausstehende Entscheidung des Vormundschaftsgerichts; insoweit ist das Ermessen der Familienkasse auf Null reduziert.
Normenkette
EStG § 62 Abs. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 Nr. 1, § 32 Abs. 1, § 64 Abs. 2 Sätze 1, 3; AO § 165 Abs. 1
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger für seine Tochter S Kindergeld von Dezember 1996 bis April 1998 zusteht.
Der Kläger und seine seit 3. November 1996 von ihm getrennt lebende Ehefrau, die Beigeladene, haben eine gemeinsame, am 31. Dezember 1989 ehelich geborene, Tochter S. Mit Antrag vom 5. November 1990 hatte der Kläger für S und das Kind der Beigeladenen aus erster Ehe, D, Kindergeld beantragt. Die Beigeladene war damit einverstanden. Das Kindergeld wurde daher in der Folgezeit an den Kläger ausbezahlt.
Nach der Trennung schlossen der Kläger und die Beigeladene am 15. November 1996 vor dem Familiengericht bezüglich des Umgangs mit S folgenden Vergleich (vgl. 28 ff. der Prozessakten):
"1. ...
2. Das Kind S verbleibt in der Zeit von jeweils freitags, 15.30 Uhr, bis montags, Schulbeginn, in der Obhut und Versorgung bei dem Kindsvater. Der Kindsvater hat das Kind um 15.30 Uhr freitags bei der Kindsmutter abzuholen und montags morgens an der Grundschule in ... abzuliefern. Von nun an verbleibt das Kind in der Obhut und in der Versorgung bei der Kindsmutter. Auf beruflichen Gründen findet nochmals ein kurzer Wechsel statt, jeweils dienstags. Der Vater holt das Kind gegen 15.30 Uhr bei der Kindsmutter ab und bringt es mittwochs morgens wieder zur Grundschule. Nach Schulbesuch eines jeweiligen Mittwochs geht das Kind wieder zur Mutter und verbleibt dann bis freitags in der Obhut und Versorgung der Kindsmutter.
3. ..."
Nachdem ein familienpsychologisches Gutachten im Jahr 1998 zu dem Ergebnis gekommen war, dass S eine größere emotionale Bindung zur Mutter habe, einigten sich die Eltern darauf, dass für die Zeit der Trennung das Sorgerecht über S auf die Kindsmutter übertragen werden solle. Am 12. Mai 1998 erging der Beschluss des Familiengerichts, dass der Beigeladenen die elterliche Sorge über S für die Zeit der Trennung übertragen wird (vgl. Blatt 108 der Kindergeldakte des Klägers).
Die Beigeladene beantragte am 27. November 1996 Kindergeld für D und S. Der Antrag ging am 3. Dezember 1996 beim Beklagten ein. Am 24. Juni 1998 wurde der Beigeladenen Kindergeld auch für S bewilligt und teils an den Sozialleistungsträger, teils an die Klägerin ausbezahlt.
Mit Rückforderungsbescheid vom 22. Januar 1997 forderte der Beklagte vom Kläger das Kindergeld für D und S für Dezember 1996 in Höhe von 400,00 DM zurück und hob die Festsetzung des Kindergeldes auf. D könne als Kind des Ehegatten nicht mehr berücksichtigt werden. S lebe ab Dezember 1996 überwiegend im Haushalt der Kindsmutter, so dass diese den vorrangigen Anspruch auf Kindergeld habe.
Im Einspruchsverfahren, in dem sich der Kläger gegen die Rückforderung und Aufhebung des Kindergeldes für S wendete, schlug der Beklagte vor, das Vormundschaftsgericht zum Zwecke der Bestimmung des Kindergeldberechtigten einzuschalten. Der Kläger teilte daraufhin mit, dies sei ihm aus finanziellen Gründen nicht möglich. Der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Klage. S habe sich nur von montags nach der Schule bis dienstags 15.30 Uhr und von mittwochs nach der Schule bis freitags 15.30 Uhr bei der Mutter aufgehalten. Die übrige Zeit habe sie bei ihm verbracht. Unterhalt sei nicht gezahlt worden, da das Kind vom jeweiligen Elternteil versorgt und auch bekleidet worden sei. Sowohl beim Kläger als auch bei der Mutter habe S ein Kinderzimmer zur Verfügung gestanden. Da die Eltern S vom November 1996 bis Mai 1998 gleichmäßig versorgt und in etwa gleich hohe Aufwendungen gehabt hätten, müsse ihnen für den Zeitraum bis zur Sorgerechtsentscheidung im Mai 1998 das Kindergeld hälftig zustehen.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 18. Juni 1998 den Rückforderungsbescheid vom 22. Januar 1997 teilweise aufzuheben und dem Kläger für S Kindergeld vom Dezember 1996 bis April 1998 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Begriff der Haushaltsaufnahme sei nicht sehr präzise und berücksichtige nicht Sa...