Entscheidungsstichwort (Thema)

Begründung eines Pflegekindschaftsverhältnisses bei 17-jährigem Kind

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein familienähnliches, auf Dauer angelegtes Band liegt bei einem Pflegekind vor, wenn das Pflegekind sich ein Jahr im Haushalt der Pflegemutter aufgehalten hat und das Pflegekind zuvor eine schwierige familiäre Situation hinter sich zu bringen hatte (leibliche Mutter hatte ehelichen Haushalt verlassen, haushaltsmäßige Bindung zum Stiefvater musste aufgegeben werden).

 

Normenkette

EStG § 33 Abs. 1 Nr. 2

 

Tatbestand

Streitig ist, ob ein Pflegekindschaftsverhältnis vorliegt.

Die Klägerin hat das Kind Stephanie ..., geboren am ... 1980, im August 1997 in ihren Haushalt aufgenommen; Stephanie ist bei der Klägerin als wohnhaft gemeldet. Stephanie stammt aus einer vorehelichen Beziehung ihrer Mutter; der Kontakt zum Kindesvater endete jedoch alsbald. Stephanie wuchs bei ihrer Mutter auf. Die Klägerin schloss im Jahre 1991 die Ehe mit Herrn R., der nicht Vater von Stephanie ist. Die Eheleute lebten seit Mai 1997 getrennt, im März 1998 reichte die Mutter Scheidungsklage ein. Stephanie blieb zunächst bei ihrem Stiefvater; die Klägerin hatte sich einem neuen Partner zugewandt und war vom früheren Familienwohnort weggezogen; das Verhältnis zwischen Mutter und Tochter hatte sich zudem verschlechtert. Auch bei ihrem Stiefvater konnte Stephanie nicht weiterhin wohnen.

Seit Oktober 1998 bis September 1999 besuchte Stephanie einen Lehrgang zur beruflichen Orientierung.

Am 22. Dezember 1998 stellte die Klägerin einen Antrag auf Gewährung von Kindergeld für Stephanie. Sie legte einen Beschluss des Amtsgerichts ... vom 2. Dezember 1998 vor, wonach sie als Kindergeldberechtigte bestimmt wird. Als Begründung ist dort ausgeführt, Stephanie lebe im Haushalt von Frau G; Stephanies Eltern leisteten keinen Unterhalt und hätten der Bestimmung auch nicht widersprochen.

Der Antrag der Klägerin auf Gewährung von Kindergeld wurde abgelehnt, der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Mit der Klage trägt die Klägerin vor, nach einer Phase völliger Orientierungslosigkeit habe sich Stephanie der Klägerin zugewandt und bei dieser Aufnahme in deren Haushalt gefunden. Hier sei es ihr nun möglich, in geordneten Verhältnissen zu leben und die Schul- und Berufsausbildung fortzusetzen. Bereits im Januar 1998 sei die Klägerin beim Arbeitsamt vorstellig geworden und habe erklärt, dass die leibliche Mutter nunmehr kein Kindergeld mehr erhalte; die Klägerin habe Kindergeldleistungen an sich beantragt. Es sei ihr jedoch erklärt worden, dass sie keinen Anspruch auf Kindergeld habe. In einem weiteren Gespräch sei ihr betreffend den Kindergeldanspruch der Weg zum Jugendamt aufgezeigt worden. Dieses Amt habe zunächst darüber zu entscheiden gehabt, ob die Klägerin als Kindergeldberechtigte anzusehen sei. Die Klägerin habe darauf verwiesen, dass sie bereits im August 1997 bei der Kreisverwaltung des ... Kreises den Antrag gestellt habe, dass ihr die Pflegschaft für Stephanie übertragen werde. Das Jugendamt habe aber unter Verkennung der Tatsachen dahingehend entschieden, dass die Bindung zur Mutter noch intakt sei und daher kein Bedürfnis für eine Pflegschaft bestehe. Daraufhin habe die Klägerin beim Amtsgericht - Vormundschaftsgericht - beantragt, diese Entscheidung zu korrigieren und sie als Kindergeldberechtigte anzuerkennen. Mit Beschluss des Amtsgerichts ... vom 2. Dezember 1998 sei die Klägerin sodann als Kindergeldberechtigte bestimmt worden und es sei festgestellt worden, dass das Kind Stephanie im Haushalt der Klägerin lebe.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,

den Bescheid vom 13. Januar 1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. Februar 1999 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, an die Klägerin Kindergeld seit Januar 1998 bis Dezember 1998 in Höhe von monatlich 220,-- DM und ab Januar 1999 in Höhe von monatlich 250,-- DM zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor, seiner Überzeugung nach seien die Klägerin und das Kind Stephanie nicht durch ein familienähnliches Band verbunden. Der Annahme einer solchen familienähnlichen Bindung stehe einerseits entgegen, dass das Kind zum Zeitpunkt der Aufnahme in den Haushalt der Klägerin am 15. August 1997 noch nicht volljährig geworden sei; es sei nicht davon auszugehen, dass zu dem familienfremden 17-jährigen Kind ein Aufsichts-, Betreuungs- und Erziehungsverhältnis begründet worden sei, das mit einer Eltern-Kind-Beziehung vergleichbar sei. Weiterhin stehe dem von der Klägerin geltend gemachten Anspruch entgegen, dass von ihr vorgetragen worden sei, dass das Jugendamt der Kreisverwaltung des ...-Kreises den Antrag der Klägerin, ihr die Pflegschaft für Stephanie zu übertragen, abgelehnt habe; auch aus diesem Grund sei nicht vom Vorliegen eines Pflegekindschaftsverhältnisses auszugehen.

Aus dem Beschluss des Amtsgerichts - Vormundschaftsgericht - ... vom 2. Dezember 1998 ergebe sich kein Kindergeldanspruch der Klägerin, da sie nicht zum Kreis der Anspruchsberechtigten, ...

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